Activision, Terror in Singapur & das peinliche Kalkül

30.09.2015 - 19:30 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Call of Duty: Black Ops 3 – Der Rückfall von Activision
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Call of Duty: Black Ops 3 – Der Rückfall von Activision
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Was bedeutet es für das Medium Videospiel, wenn ein renommierter Publisher in Singapur die fiktive Bombe platzen lässt, um einen Militär-Shooter zu bewerben? Ich meine, Activision hat einen Fehler begangen, der das Franchise stärker beeinflussen könnte, als ihnen lieb ist.

Das ist passiert:

Call of Duty zeigt, wie Werbekampagnen nicht aussehen sollten 

Das ist mein Kommentar:

Das Call of Duty-Franchise hat in den letzten Jahren deutlich an Fahrt verloren. Zwar werden die jährlichen Ableger nicht wirklich schlechter, ganz im Gegenteil sogar, aber trotz weiterhin hoher Verkaufszahlen sinkt das allgemeine Interesse an den einstigen Höhepunkten in Sachen digitaler Unterhaltung. Die Gründe dafür sind zahlreich und sollen auch gar nicht Teil dieses Kommentars sein. Ich möchte nur verständlich machen, dass mir bewusst ist, dass aufwendiges, vorzugsweise virales Marketing unerlässlich ist, wenn ein Franchise dieser Größenordnung weiterhin wachsen soll.

Wenn Provokation mit Mut verwechselt wird

Doch was Activision nun im Rahmen einer Werbekampagne für Call of Duty: Black Ops 3 auf die Beine gestellt hat, geht weit über die Grenzen der Shooter-Reihe hinaus. Während Hunderttausende vor Terror und Gewalt fliehen, wagt sich einer renommiertesten Publisher auf das pseudo-provokativ dünne Eis und berichtet auf einem getarnten Social Media-Kanal über einen fiktiven Terroranschlag in Singapur. Weder wird deutlich gemacht, in welchem Kontext diese Nachrichten stehen, noch wird auf diejenigen Rücksicht genommen, die sich aufgrund persönlicher Bezüge durch ein derartiges Zunutzemachen von Schockreaktionen triggern lassen.

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Doch eigentlich möchte ich auch nicht darauf eingehen, was Activision bei dieser Aktion wissentlich in Kauf genommen hat oder welche moralischen Grunderwartungen der Publisher unterwandert. Eigentlich möchte ich mich hier nur fragen, warum diese Werbemaßnahme abgesehen von vereinzeltem Kopfschütteln keine breite Empörung hervorruft. Warum scheint es viele Spieler nicht zu stören, dass das Vorgaukeln von realen Tragödien nur die gegenwärtige Angst und Unsicherheit ausnutzt und dass sich die Aktion der Thematik selbst auf keiner Ebene wirklich nähert?

Wie das Spiel, so das Marketing?

Vielerorts wird argumentiert, dass die Call of Duty-Reihe doch von Terror und Krieg handelt, da sei es doch legitim, wenn für diese Thematiken auch mit der Werbetrommel gerührt wird. Und vielleicht steckt hier ja auch ein Fünkchen Wahrheit, denn so oberflächlich, einseitig und respektlos die Reihe in der Vergangenheit mit hochkomplexen Konfliktszenarien umgegangen ist, so ignorant wagt sich der erweiterte Franchise-Apparat auch an die emotionsgeladene Berichterstattung der Mainstream-Medien. Hier gibt es keine Satire, keine Persiflage, keine Subversivität, kein gar nichts. Hier gibt es nur den Schrei nach Aufmerksamkeit.

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Mit dem Sprung in futuristische Settings hatte das Call of Duty-Franchise zuletzt eine erfrischende Distanz zur aktuellen Weltpolitik eingenommen und sich von den aufgesetzten Provokationen entfernt, die die Reihe eigentlich schon seit Call of Duty 4: Modern Warfare auszeichneten. Aus der anfänglichen Schonungslosigkeit gewisser Spielsequenzen wurde schnell ein Kalkül, das seinen unrühmlichen Höhepunkt in der "No Russian"-Mission fand, die uns in einen Massenmord an Zivilisten warf, der in erzählerischer Hinsicht keinen Zweck erfüllte. Ist es also schlicht der scheinbar ungenügende Hype im Vorfeld von Black Ops 3, der Activision wieder in alte Verhaltensmuster fallen lässt?

Die Call of Duty-Reihe hat mit ihrer enormen Reichweite dafür gesorgt, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals mit dem Medium Videospiel gleichgesetzt wird. Der Bärendienst, den Activision heute geleistet hat, gilt nicht nur dem Publisher selbst, nicht nur dem Call of Duty-Franchise, sondern in erster Linie dem schleichend vorankommenden Abbau antiquierter Vorurteile. Wie soll denn auch nur irgendeine Art von Fortschritt erreicht werden, wenn selbst die Big Player in der Industrie eine derartige Ignoranz an den Tag legen? In der Bombardierung von Singapur verkommt Activision zum selbstgemachten Kollateralschaden.

Aber vielleicht habe ich ja auch alles nur falsch verstanden.

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