Adams Äpfel – Wenn menschliche Abgründe witzig werden

25.07.2011 - 08:50 Uhr
Aktion Lieblingsfilm: Adams Äpfel
Delphi/EuroVideo/moviepilot
Aktion Lieblingsfilm: Adams Äpfel
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Ein User hat den dänischen Humor für sich entdeckt. Verantwortlich dafür war Adams Äpfel. Zu diesem Film hat er einen Text geschrieben und uns diesen zugesendet, um damit an der Aktion Lieblingsfilm teilzunehmen.

In einer kleinen dunklen Küche saß ich mit einem Freund und wir plauderten über Gott und die Welt. Da ich in letzter Zeit einen nicht zu unterschätzenden Faible für Filme entwickelt hatte, endete unser Gespräch irgendwann zwangsläufig bei diesem Thema. Ich war der Meinung, nach Monty Pythons Das Leben des Brian würde so ziemlich jede Komödie in puncto Intelligenz und Humor nur noch gelangweiltes Achselzucken bei mir hervorrufen. Da machte sich auf einmal ein breites Grinsen im Gesicht meines Freundes breit. „Was kommt denn jetzt?“, fragte ich mich. „Guck dir mal Adams Äpfel an!“ Er sagte dies in einem derart überzeugten Tonfall, dass ich gar nicht anders konnte, als diesen Film schnellstmöglich zu sehen.

Schon das Cover der DVD versprach einen Film der besonderen Art. Es zeigt 5 skurrile Gestalten, jede mit einem Pfeil eindeutig gekennzeichnet: Alkoholikerin, Triebtäter, Skinhead, Pfarrer, Tankstellenräuber. Als sei dies nicht merkwürdig genug, fiel mir auf, dass der Film u.a. den Gabriel–Kulturpreis der dänischen Pastoren erhalten hatte. Spätestens jetzt war ich vollkommen verwirrt. Was zur Hölle sollte das nur werden? Ich hatte zuvor keine dänische Komödie gesehen und erkannte lediglich Mads Mikkelsen wieder, den ich als genialen Bösewicht aus James Bond 007 – Casino Royale kannte.

Der Film beginnt mit Adam, dem Skinhead, der nach einer Haftstrafe in eine Dorfkirche geschickt wird, um dort wieder „Teil der Gesellschaft“ zu werden. Der Pfarrer Ivan (Mads Mikkelsen) empfängt ihn außerordentlich freundlich und nimmt ihn mit in sein Pfarrhaus. Dort angekommen stellt sich heraus, dass Ivan bereits einige andere Schützlinge aufgenommen hat. Der Skinhead befindet sich nun in Gesellschaft eines Triebtäters, der offensichtlich auch noch Kleptomane ist und zu alledem ein nicht zu unterschätzendes Alkoholproblem hat. Weiterhin trifft er auf einen arabischen, leicht reizbaren Tankstellenräuber, der bei jeder Gelegenheit um sich ballert. Aber auch der Pfarrer hat offensichtlich nicht mehr alle beieinander.

So gibt er dem mürrischen Adam als Resozialisierungsmaßnahme eine überaus anspruchsvolle Aufgabe: Adam soll aus den Äpfeln des Baumes vor der Kirche einen Kuchen backen. Diese zugleich schwer tragische wie irre komische Combo wird perfekt, als die schwangere Alkoholikerin Sarah ebenfalls Schutz in der Kirche findet. Im Dialog zwischen Adam und Ivan wird dabei zunehmend deutlich, dass Ivan scheinbar sogar noch der Verrückteste der ganzen Gruppe ist. Seine pedantische Art treibt bald auch den Zuschauer in den Wahnsinn. Außerdem deutet er jede Entgleisung seiner vermeintlichen Schützlinge in Wohltaten um. Auch für sein eigenes Leben scheint er dabei jeden Blick für die Realität verloren zu haben. Adam ist vom Verhalten seiner Gesellschaft stark irritiert. Er versucht der Situation zunächst mit Ablehnung und Gewalt entgegenzuwirken, doch merkt schnell, dass seine alten Verhaltensmuster hier nicht greifen. Er beginnt sich mit den Ticks und Psychosen der anderen auseinanderzusetzen und konfrontiert sie mit ihren verdrängten Problemen. Man weiß nie, wann eine der Figuren einen neuen seltsamen Tick offenbart und doch fügt sich zunehmend ein Bild von der Vergangenheit und dem Zusammenleben der Gruppe. Ausgerechnet ein Skinhead scheint diese wirre Gemeinschaft aufzurütteln und reflektiert dabei auch sein eigenes Leben.

Man lacht und leidet mit jeder Figur. Man wird hineingezogen in eine Welt, die kaum verrückter sein könnte und doch erscheint sie einem erstaunlich real.

Noch nie hatte ich einen Film erlebt, der menschliche Abgründe in all ihrer Tragik und zugleich außerordentlich intelligenten Witz vereinen konnte. Wie ich später erfahren durfte, hat der Regisseur Anders Thomas Jensen mit Flickering Lights und Dänische Delikatessen noch weitere großartige Filme geschaffen und war schon an mehreren oscarprämierten dänischen Produktionen beteiligt.

Mein Freund sollte Recht behalten. Adams Äpfel hat sicherlich nichts mit dem typisch britischen Humor gemein, der mir noch bei Das Leben des Brian so gefallen hatte, aber er eröffnet den Zugang zu einer anderen einzigartig abgründigen Form des Humors, die meiner Meinung nach noch viel zu wenig gewürdigt wird.


Sollte der Text euer Gefallen finden und ihr möchtet ihn gern in der weiteren Auswahl für die Jury sehen, dann drückt bitte auf den Button “News gefällt mir” unter diesem Text. Wir zählen am Ende der Aktion Lieblingsfilm alle moviepilot-Likes zusammen.

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