Adrift, Adam Orth & der Kampf gegen die Auswegslosigkeit des Alls

17.03.2016 - 16:00 Uhr
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Vor rund drei Jahren wurde Adam Orth durch ein paar Tweets zu einem der unbeliebtesten Männer der Gaming-Branche. Doch anstatt ihr den Rücken zu kehren, verarbeitete er seine Erfahrungen in Adrift. Ich habe mit ihm darüber gesprochen, wie es ist, sein Leben zwischen den Überresten einer Raumstation neu aufzubauen.

Adrift ist keine Autobiographie. Trotzdem ist es einfach zu sehen, wie das Science-Fiction-Spiel das Leben seines Schöpfers wiederspiegelt.

Vor ein paar Jahren zog Adam Orth, damals Creative Director bei Microsoft, mit ein paar flapsigen Tweets den Unmut des Gaming-Internets auf sich. Er durfte am eigenen Leib erfahren, wie man mit nur 140 Zeichen sein komplettes Leben auf den Kopf stellen und für immer verändern kann. Inmitten der heißen Debatten um Microsofts umstrittenen Onlinezwang der damals frisch angekündigten Xbox One, sprach er die verhängnisvollen Worte "Deal With It", die nicht nur zum Meme wurden, sondern auch zu seinem Rücktritt bei Microsoft und letztlich für ein komplett neues Leben sorgten.

Aus dem Videospielbereich zurückgezogen hat er sich allerdings nicht. Anstatt wie einst Fez-Entwickler Phil Fish die Branche zu verlassen, die sich mit Todesdrohungen und Beleidigungen gegen ihn und seine Familie von ihrer schlimmsten Seite zeigte, blieb er.

Es ist ganz einfach: Ich war noch nicht fertig damit, Spiele zu machen und ich fühlte mich gezwungen, Adrift zu entwickeln und zu veröffentlichen. Das ist es, was ich tue.

Zwischen den Trümmern einer zerstörten Raumstation baut sich Adam Orth ein neues Leben auf.

Adrift

Adrift – oder ADR1FT, um die Einsamkeit des Alls zu betonen – ist eine First-Person-Erfahrung, in der ihr als Astronautin Alex Oshima im All treibend aufwacht, umgeben von den Überresten einer Raumstation. Ihr seid die einzige Überlebende eines Unglücks, an das ihr euch nicht erinnern könnt, und verliert mit jeder Minute kostbaren Sauerstoff. Eure einzige Aufgabe ist es, zu überleben — und im besten Fall irgendwie zurück nach Hause zu kommen.

Die Inspiration für Alex Oshima ist eine Mischung aus Adam Orth (siehe unter anderem die Initialen) und einer Variation aus Archetypen, wie mir der Entwickler erklärt. Sie sei kein typischer Videospielcharakter, aber dennoch könne man sich gut in sie hineinversetzen.

Es gibt viel über Alex, das noch ungesagt ist und ich will, dass Spieler ihre eigene Vorstellung von ihr entwickeln — abseits von dem, was sie präsentiert bekommen und über sie erfahren.

Alex ist der einzige lebendige Charakter in Adrift. Eines der zentralen Themen ist die Einsamkeit und die Isolation, mit der sich auch Adam Orth konfrontiert sah und die er nach "dem Twitter-Zwischenfall" gezielt suchte und in sein Spiel transportiert. Sie war einer der Gründe, warum er sich für das Weltall-Setting entschied, um seine Geschichte zu erzählen.

Der Hauptgrund für das Space-Setting von ADR1FT war es, die Einsamkeit anzuzapfen und zu zeigen, wie ausweglos diese Situation sein kann. Im All verloren zu sein ist sowohl eine machtvolle Fantasie als auch eine bedeutungsvolle Metapher für die Geschichte, die wir erzählen wollten. Wir haben uns außerdem für das Weltall entschieden, weil es uns eine sehr spannende und einzigartige Leinwand für Gameplay und Mechaniken bot.
Adrift

Das scheinen sich einige Entwickler gedacht zu haben, denn die nächsten Monate sind voll mit Science-Fiction-Spielen, deren Beliebtheit gerade auf einem neuen Höhepunkt ist. Sei es The Solus Project, No Man's Sky, Star Citizen, P.O.L.L.E.N oder auch die kürzlich verschobenen Mass Effect: Andromeda und Tacoma: Die Zukunft lockt uns in die Zukunft.

Ich glaube, dafür gibt es ein paar Gründe. Erstens, die meisten Spiele-Entwickler wollen Space-/Science-Fiction-Spiele machen. Es ist ein reicher und fruchtbarer Ort, um interessante Dinge mit Spielen zu machen. Zweitens, das Interesse der echten Welt am Weltall ist dankenswerterweise an einem neuen Höhepunkt. Der Drang, zu entdecken und Pionierarbeit zu leisten und die Menschheit zu verbessern floriert momentan und das ist aufregend.

Darauf basiert zum Teil auch Adrift. Die Idee, weiter zu gehen, zu entdecken und sich auszudehnen ist ein zentrales Thema des Spiels, das trotz langjähriger Branchenerfahrung Neuland für Adam Orth und das Team von Three One Zero ist.

God of War, Twisted Metal und Metal of Honor stehen in der Biographie von Adam Orth und sind ein Kapitel, mit dem er abgeschlossen hat. In der Vergangenheit kündigte er bereits an, nie wieder an einem Shooter arbeiten zu wollen. Es gäbe genug brutale Spiele da draußen, niemand würde trauern, wenn er und sein Team andere Erfahrungen schaffen.

Bäume im Weltall – momentan ist so gut wie nichts über die zerstörte Raumstation bekannt

Adrift ist wahrscheinlich so weit von einem Shooter weg, wie man nur sein kann. Nicht nur, weil es keine Feinde gibt und ihr in völliger Einsamkeit durch die Schwerelosigkeit des Alls gleitet, auch weil entscheidende Mechaniken fehlen.

In einem Shooter ist es die Waffe, mit der ihr mit der Welt und allem in ihr interagiert. Das wegzunehmen ist eine signifikante Hürde, die in Hinblick auf Interaktionstiefe, Mechanik, Intensität der Spielerfahrung und Spaß, überwunden werden muss. Es ist eine echte Herausforderung, die sehr aufregend für uns war und ich denke, ihr könnt das Resultat dessen auf dem Monitor sehen.

Das heißt allerdings nicht, dass Three One Zero nicht denselben Anspruch an sich hat, den die meisten AAA-Spiele an sich stellen — im Gegenteil. Adam Orth und sein Team wollen genau das erreichen: Einen AAA-Titel erschaffen. Nur eben in einem kleineren Rahmen.

Unsere Qualitätsstandards sind sehr hoch: Wir wollen neben einem großen AAA-Spiel stehen und im selben Licht gesehen werden können. Wir sind ein kleines Team, das zu großen Dingen in der Lage ist. Wir wollten eine kurze und schöne Erfahrung machen, die unsere Erfahrung der Entwicklung von Big-Budget-Spielen zeigt. Wir wollen Spielern eine super-polierte Erfahrung bieten, die sie in einer Sitzung beenden können, wenn sie das wollen.

Adrift soll kein langes Spiel werden, sondern nur rund vier Stunden in Anspruch nehmen. Es ist außerdem einer der Launch-Titel für das VR-Headset Oculus Rift. Trotz der Möglichkeit, dass der Fokus ein wenig zu sehr auf der neuen Technik und weniger auf dem Spiel liegt, macht sich Adam Orth keine großen Sorgen darüber. Bisherige Erfahrungen hätten gezeigt, dass Spieler eine Beziehung zu der Art, wie sie die VR-Technik mit ihrer Weltall-Erfahrung verbunden haben, aufgebaut hätten.

Auf meine Nachfrage, ob er Angst davor hätte, dass seine Sicht der Dinge erneut ins Schussfeuer geraten könnte, nun da er sich durch ein persönliches Projekt noch verletzbarer gemacht hätte, verneinte er ebenfalls.

Ich habe zu Beginn die Entscheidung getroffen, offen, ehrlich und schonungslos zu sein. Ich habe Frieden mit all diesen Dingen geschlossen. Es ist eine persönliche Erfahrung. Wenn sich jemand dafür entscheidet sie herunterzumachen, treffe ich wiederum die Entscheidung, das zu ignorieren.
Menschen werden denken, was sie denken. Meine einzige Sorge ist es, etwas großartiges zu erschaffen und hoffentlich Leute damit zu verbinden. Abseits davon etwas zu erschaffen liegt alles andere jenseits unserer Fähigkeiten es zu beeinflussen oder zu kontrollieren.

Ein so persönliches Spiel wie Adrift zu schaffen, kommt nie ohne Risiken. Die Vergangenheit zeigte schon häufiger, dass nicht alle Spieler zwangsläufig Verständnis dafür aufbringen, wie manche Menschen ihre Erfahrungen verarbeiten – oder gar, dass sie für ihre Arbeit dann Geld verlangen. Was bei Filmen und Büchern kein Problem darzustellen scheint, ist für einige im Bereich der Videospiele undenkbar. Schließlich sollen sie nur unterhalten

Zuletzt ließ sich das gut an den Reaktionen auf That Dragon, Cancer erkennen, einem Spiel, mit dem eine Familie die Krebserkrankung und letztendlich den Krebstod ihres eigenen Kindes verarbeitete. Nicht jeder konnte diese Entscheidung nachvollziehen oder Verständnis für diese Art der Trauerbewältigung aufbringen. Stattdessen wurde den Eltern vorgeworfen, den Tod ihres Kindes kommerziell ausschlachten zu wollen.

Adrift ist keine Autobiographie, aber eine Metapher für Adam Orths Erfahrungen

In einem kleineren Rahmen läuft auch Adam Orth Gefahr, dass ihm das mit Adrift vorgeworfen werden könnte. Trotz seines Settings und einer eigenen Geschichte, ist es letztendlich eine Metapher für eine schwere Zeit in seinem Leben. Eine Metapher, die diejenigen, die ihm noch immer nicht verziehen haben, erneut gegen ihn nutzen könnten.

Alles, was ich tun kann, ist echt und ehrlich zu sein mit dem, was unser Team gemeinsam macht. ADR1FT ist keine "Geldmacherei". Es ist ein Ausdruck von Lebenserfahrungen geliefert durch interaktive Unterhaltung. Es ist Kunst. Es ist Spaß. Wenn Kritiker denken, dass es opportunistisch ist, gibt es nichts, was ich dagegen sagen könnte, außer, dass es das nicht ist.

Adrift erscheint am 28. März für PC als Launch-Titel von Oculus Rift. Versionen für PS4 und Xbox One sollen folgen.

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