American Sniper ist ein Box Office-Phänomen - aber warum?

19.01.2015 - 16:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
American SniperWarner Bros.
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Clint Eastwoods American Sniper hat am Wochenende phänomenale 90 Millionen Dollar in den USA eingespielt. Dabei sind die Gründe weitaus vielschichtiger, als es die amerikanische Flagge auf dem Poster suggeriert.

Mit seinen 84 Jahren feiert Clint Eastwood dieses Wochenende ein Box Office-Ergebnis, das sonst nur Comic-Helden einfahren. Über 90 Millionen Dollar hat Eastwoods Kriegsdrama American Sniper nach seinem landesweiten US-Start eingenommen, 100 Millionen werden für das lange Feiertagswochenende inklusive Montag vorausgesagt. Damit hat Eastwood wohl seine erfolgreichste Regiearbeit abgeliefert und auch Hauptdarsteller Bradley Cooper mausert sich zum Star vom finanziellen Format eines Leonardo DiCaprio oder Brad Pitt. Die Gründe für das Phänomen American Sniper sind jedoch vielgestaltig.

American Sniper basiert auf den umstrittenen Memoiren des Scharfschützen Chris Kyle, einem Navy SEAL, dem zwischen 160 und 255 Tötungen nachgesagt werden. Kyle erlangte nach vier Einsätzen im Zweiten Irakkrieg landesweite Berühmtheit, als seine Autobiografie 37 Wochen lang in der New York Times-Bestsellerliste auftauchte. Die öffentliche Diskussion über den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen sowie eine Verleumdungsklage des Politikers Jesse Ventura änderten wenig an seiner Popularität. Als Kyle im Februar 2013 gemeinsam mit einem Freund von einem Marine-Corps-Veteran erschossen wurde, befand sich das Filmprojekt bereits seit knapp einem Jahr in Planung. Dabei war Bradley Cooper als Produzent von Anfang an die treibende Kraft hinter der Verfilmung. American Sniper ist in vielerlei Hinsicht sein Baby, was durch zwei weitere Oscarnominierungen am vergangenen Donnerstag belohnt wurde.

Der Bekanntheitsgrad von Chris Kyle in der amerikanischen Öffentlichkeit ist also nicht zu unterschätzen. Eastwoods American Sniper dürfte damit auch viele Zuschauer zum Kinogang mobilisiert haben, die Lichtspielhäusern sonst fern bleiben. 63 Prozent der Ticketkäufer an diesem Wochenende waren laut Forbes  über 25 Jahre alt. Sie gehören also nicht zum gängigen Blockbuster-Publikum, das am ersten Wochenende vor den Kinos kampiert. Manche davon dürften in einem der über 300 IMAX-Kinos gesessen haben. Mit seinen kurzfristig angesetzten IMAX-Vorführungen brach American Sniper nämlich einen durch Prometheus - Dunkle Zeichen gehaltenen Wochenendrekord für Filme mit R-Rating (USA Today ), und dem Einspielergebnis kam der Ticketaufschlag zugute.

Vielerorts wird zudem die konservative Zielgruppe des Kriegsdramas herangezogen. Ihren Anteil am Erfolg von American Sniper hatte diese auf jeden Fall. Laut Dan Fellman von Warner Bros. gehören Oklahoma, Albuquerque und Dallas zu den Top 20-Städten, in denen American Sniper am besten gelaufen ist, wobei dort Filme mit einem R-Rating normalerweise nicht zu den Publikumsmagneten gehören. "[American Sniper] ist in Orten wie Dallas wie ein Superheldenfilm gelaufen, aber dieser Superheld war real und darum ging es." (via The Wrap )

So befremdlich Fellmans Aussage klingt, der Erfolg von American Sniper lässt sich nicht allein auf die Wiederentdeckung der konservativen "Flyover States" durch das als liberal verpönte Hollywood erklären. Der 2014 im selben Zeitraum gestartete Lone Survivor, ebenfalls eine wahre SEAL-Geschichte, hatte sich am ersten landesweiten Wochenende mit starken 37,8 Millionen Dollar begnügt. So führt Scott Mendelsohn bei Forbes aus, dass American Sniper wie schon der ähnlich gestartete Die Passion Christi die politischen wie religiösen Grenzen unter den Zuschauern überwand und seine Zielgruppe erweiterte. Das hatte die begrenzte Auswertung in den letzten drei Wochen angedeutet. In vier Kinos sammelte Sniper fast 4 Millionen Dollar ein, eines davon in Kyles Heimat Texas, die anderen in den liberaleren Metropolen New York und Los Angeles. Die brillante Marketing-Kampagne verkaufte American Sniper nämlich nicht als politisches Pamphlet oder reines Spektakel, sondern als emotionales Actiondrama mit "einem Fuß im Irak, einem daheim" (Box Office Mojo ). Dieses erhielt kurz vor seinem landesweiten Start auch noch sechs Oscarnominierungen, neben Clint Eastwood auf dem Regiestuhl ein überzeugendes Siegel der Seriosität. Darin unterscheidet sich der Film beispielsweise von Lone Survivor oder Act of Valor.

Bei Variety  wird zudem angeführt, dass die steigende zeitliche Distanz zu den Kriegen in Afghanistan und dem Irak Filmen wie American Sniper entgegenkomme. Die "wahrhaft amerikanischen Geschichten" der Soldaten seien nun, mit etwas Abstand zu den Geschehnissen, für Kinozuschauer leichter konsumierbar. Entsprechend betonte das Marketing den patriotischen Aspekt per Fahnenwedelei im Poster, aber nicht die komplexen politischen Hintergründe von Chris Kyles Kriegseinsätzen. Auf das "Heldentum" des Soldaten Chris Kyle könnten sich laut Variety schließlich Demokraten genauso einlassen wie Republikaner.

Ob Clint Eastwoods Kriegsdrama diesen Erfolg in den internationalen Märkten wiederholen kann, ist zu bezweifeln. American Sniper, der Bradley Cooper nach American Hustle und Silver Linings als Box Office-Zugpferd bestätigt, braucht dies wohl nicht, um als großer Erfolg in die Kinogeschichte einzugehen. Damit können sich die Tentpoles  abmühen. Denen kommen sowieso die US-Zuschauer abhanden, weshalb sie sich gen Asien orientieren. Insofern befriedigt das Kriegsdrama American Sniper einen Hunger daheim, von dem die Studios wohl nicht einmal wussten, dass er in diesem Ausmaß vorhanden ist.

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