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Anime-Serien im Kino - Mein Abend mit dem Krieg der Zukunft

02.05.2017 - 12:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Clavis Shepherd
Manglobe, Project Itoh, GENOCIDAL ORGAN, KAZÉ
Clavis Shepherd
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Vergangenen Dezember startete mit The Empire of Corpses der erste Teil der Project Itoh-Trilogie in unseren Lichtspielhäusern. Vergangenen Dienstag eroberte das finale Kapitel der Filmreihe unsere Kinosäle.

Auf Genocidal Organ, der am 25. April im Rahmen der KAZÉ Anime Nights gezeigt wurde, habe ich mich seit dessen Bestätigung für die Filmreihe besonders gefreut und mein Kinoabend mit The Empire of Corpses hat meine Vorfreude nur noch mehr wachsen lassen. Soviel sei an dieser Stelle bereits verraten: Meine Erwartungen sollten nicht enttäuscht werden.

Genocidal Organ basiert dabei, wie schon The Empire of Corpses sowie der bei uns am 14. Juli 2017 erscheinende Anime-Film Harmony, auf Romanen des bereits verstorbenen Autors Satoshi Ito. Sein erstes Werk, Genocidal Organ, genießt in Fan-Kreisen einen beinahe schon legendären Status, weshalb mit der gleichnamigen Anime-Adaption naturgemäß sehr hohe Erwartungen verknüpft sind.


Worum geht es in Genocidal Organ?

Genocidal Organ - Promo

Die Handlung von Genocidal Organ entführt uns in die nahe Zukunft der frühen 2020er Jahre: Als Reaktion auf einen Anschlag mit einer selbstgebauten Atombombe in Sarajevo entwickelten sich diverse demokratische Länder zu Überwachungsstaaten, um in Zukunft Angriffen dieser Art effektiver entgegenwirken zu können. Zeitgleich nahm das Level der Gewalt in Entwicklungsländern immer mehr zu, die sich in brutalen Bürgerkriegen und Genoziden entladen sollte. Die Konstante bei diesen Völkermorden ist der Amerikaner Jean Paul, der vom Protagonisten, dem Soldaten Clavis Shepherd, dingfest gemacht werden soll. So entwickelt sich ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel, welches Shepherd und seine Kameraden durch verschiedene Länder führt, doch ihr Gegenspieler scheint ihnen immer mindestens einen Schritt voraus zu sein.

Ich hatte zwar von dem Plan gehört, die drei Romane Itos als Anime-Filme umzusetzen, doch bis zum hiesigen Kinostart von The Empire of Corpses ging die Project Itoh-Trilogie weitestgehend an mir vorbei. Da ich nicht die zugrunde liegenden Romane gelesen habe, konnte ich mich auch von Genocidal Organ schön überraschen lassen. Am 25. April ging es also einmal mehr mit einem guten Freund ins CinemaxX Bremen, wo wir uns die neueste Auskopplung der Anime Nights ansahen. Nach einigen Trailern, unter anderem zu dem bisher bereits mehrfach erwähnten The Empire of Corpses sowie Attack on Titan, startete auch endlich der Film. Leider schien etwas mit dem Sound-System des Saals nicht in Ordnung gewesen zu sein, denn mehrfach konnten wir ein leises Echo einzelner Dialoge oder des Soundtracks ausmachen. Warum mich der Film trotz dieses kleinen Schönheitsfehlers begeistern konnte, das erfahrt ihr unterhalb dieser Zeilen ;)


Mein Abend mit Genocidal Organ

Genocidal Organ - Poster
Die Hölle lebt in unseren Köpfen.


Wie schon der erste Teil der Project Itoh-Trilogie stehen ebenfalls bei Genocidal Organ diverse philosophische Fragen im Fokus, die mit politischen sowie gesellschaftlichen Themen ansprechend verwoben wurden und dabei eine zeitgeschichtliche Relevanz haben, wie ich sie im Vorfeld des Kinobesuchs nicht erwartet hatte. Als Reaktion auf die Anschläge des 11. Septembers 2001 und von 2015 in Sarajevo wurden die Überwachungsmaßnahmen im öffentlichen Sektor massiv erhöht: Quasi alles wurde digitalisiert, an jeder Ecke wurden Kameras installiert und sogar vor der Kriegsführung machten die Auswirkungen des Terrors keinen Halt: Soldaten bekommen Medikamente und Nano-Sonden injiziert, die sich auf ihre Wahrnehmung auswirken, ihre Emotionen unterdrücken und gefügiger machen sollen. Zusätzlich werden sie in Gesprächen mit Ärzten dahingehend konditioniert, das bestehende System nicht zu hinterfragen: Clavis und seine Kameraden führen ohne zu zögern jeden Befehl aus, der ihnen erteilt wird und metzeln dabei selbst Kinder emotionslos nieder, wenn die Situation es verlangt. Der Film präsentiert seine Welt dabei mit einer schonungslosen Brutalität und macht auch vor expliziten Szenen nicht halt. Der Gewaltgrad ist extrem hoch und muss es auch sein, unterstützt dieser doch diese düstere Zukunftsvision; wenn Clavis und seine Kameraden jedoch körperlich vollständig gebrochen, diverser Extremitäten beraubt und teils psychisch labil in Krisenherden operieren, dann muss man als Zuschauer schwer schlucken. Die Hölle ist für die Soldaten dabei keineswegs ein jenseitiger Ort, sondern absolut real, denn sie lebt in ihren Köpfen und bleibt durch die Erinnerungen an ihre Taten ein permanenter Begleiter, vor dem sie nicht fliehen können.

Wie der Titel des Films bereits suggeriert, ist ein zentrales Thema der Genozid. Während in der einen Hälfte der Welt der staatliche Überwachungsapparat zusehends an Macht gewinnt, geschieht in anderen Teilen der Welt eher das Gegenteil. Gewalt und Brutalität sind in vielen Entwicklungsstaates nahezu omnipräsent und führten dazu, dass sich manche Regierung gegen ihr eigenes Volk stellte. Bürgerkriege brachen aus und die Antwort darauf war oftmals die Ausrufung des Kriegsrechts sowie ein anschließender Genozid am eigenen Volk, um weitere extreme Eskalationen zu verhindern. Der Film stellt dabei die Frage, wie es zu solchen Völkermorden kommen kann und warum eine Regierung ihr eigenes Volk niedermetzelt. Eine mögliche Antwort wäre, Genozid liegt schlicht in unserer Natur und wurde im Laufe unserer Evolution in uns verankert. Jeder Mensch besitzt somit bereits das Potenzial, solch schreckliche Gräueltaten zu verüben; was es braucht, um sowas zu tun, sei lediglich ein Auslöser. Option Nummer zwei geht davon, Genoziden läge ein gesellschaftlicher Nutzen zugrunde: Selektion. Mit Völkermorden werden schlicht jene Individuen ausgelöscht, die sich von uns unterscheiden, die unsere Lebensweise und unseren Lebensstandard bedrohen. Ihr Tod soll letztendlich unser Überleben sichern. Diese Brutalität geht dabei weder an Shepherd noch an seinen Feinden spurlos vorbei und so wird mehrfach im Film die Sinnlosigkeit des Krieges betont, die sich auf der anderen Seite wiederum jedoch in dieser Welt nicht vermeiden lässt.

Clavis in Aktion

Eine weitere prominente Rolle nimmt innerhalb der Handlung die Sprache ein. Wie beeinflusst diese unser Verhalten und wie kann sie dazu genutzt werden, um uns Menschen zu manipulieren? Der Film formuliert die These, in Regionen, in welchen Gewalt allgegenwärtig ist, wirke sich diese Brutalität unweigerlich auf die Sprache aus. Je länger die Gewalt andauert, desto stärker bilden sich Codes im Sprachgebrauch heraus; Muster, die dazu genutzt werden können, um diesen endlos scheinenden Lauf der Dinge immer weiter eskalieren zu lassen - wie es Jean Paul beispielsweise tut, der die Sprache des Genozids meisterhaft beherrscht, immer weiter verbreitet und dabei eine Spur von Leichen hinter sich zurücklässt. Paul nutzt dabei seine sprachliche Gewandtheit zu seinem Vorteil, um Shepherd zu manipulieren, dessen Weltbild ins Wanken zu bringen und schließlich Befehle sowie die Ansichten seiner Kameraden zu hinterfragen. Ein interessantes Konzept, welches großes Potenzial in sich birgt und trotz einer sehr überspitzten Darstellung seltsam faszinierend sowie bedrohlich wirkt.

In diesen ohnehin schon sehr komplexen Mix wird ebenfalls noch Kritik an unserer heutigen Konsumgesellschaft geworfen. Die angenehmen Seiten des Lebens sind für uns heute oft lediglich noch einen Fingerzeig entfernt und aufgrund des Luxus sowie der (scheinbaren) Sicherheit, die uns umgeben, erscheint uns Gewalt oftmals sehr fern und das, obwohl wir beinahe tagtäglich über die Medien mit ihr konfrontiert werden. Im Film wurde dieses Szenario noch weiter auf die Spitze getrieben, denn durch den allgegenwärtigen staatlichen Überwachungsapparat sind den Menschen Gewalt und Terror so fern wie selten zuvor. Ganz anders verhält es sich selbstverständlich in Regionen, in welchen Gewalt und Brutalität für die Bevölkerung allgegenwärtig sind. Und eben wegen dieser Omnipräsenz haben Angst, Terror und Gewalt unweigerlich deutliche Auswirkungen auf die Leute. Wohnt man jedoch am anderen Ende der Welt, wo solch grausame Dinge wie Bürgerkrieg und Genozid lediglich vage Gedankenkonstrukte sind, dann fällt es schwer, sich ein Bild von den wahren Ausmaßen solcher Gräuel zu machen oder, noch schlimmer, sich überhaupt darum zu scheren, dass solche Dinge passieren, denn man selbst ist davon schließlich nicht betroffen und kann diese Vorstellungen schnell beiseite schieben.

Die Gewaltdarstellung in Genocidal Organ ist harter Tobak

Verglichen mit The Empire of Corpses ist Genocidal Organ visuell nicht ganz so beeindruckend und detailreich gezeichnet, was angesichts der krassen Gewaltdarstellung womöglich besser ist. Wie weiter oben bereits erwähnt, schreckt der Film keinesfalls vor expliziten Szenen zurück, die womöglich für zartbesaitete Naturen zu krass sein könnten. Doch selbst wenn die Zeichnungen nicht ähnlich opulent wie beim Quasi-Vorgänger daherkommen, so ist der Stil in sich stimmig und passt zur angestrebten Atmosphäre der Geschichte. Audiovisuelle Highlights sind dabei definitiv die Gefechte, welche Clavis und seine Kameraden austragen müssen: Die schonungslose Brutalität trifft dabei auf eine spannende Grundstimmung, eine energiereiche Inszenierung sowie auf Szenen, die einem dank der gezeigten Bilder noch lange im Gedächtnis bleiben werden. Auch auf auditiver Ebene bewegt sich der Film durchweg auf einem äußerst hohen Niveau, sei es der hervorragende Soundtrack, die krachende Geräuschkulisse oder die exzellenten deutschen Sprecher. Zum Glück steht die deutsche Vertonung von Genocidal Organ jener von The Empire of Corpses in Nichts nach und bietet vertraute Stimmen, die auf gewohnt hohem Niveau agieren. Besonders gefreut habe ich mich dabei über die Beteiligung von Rainer Fritzsche, welcher dem Protagonisten Clavis Shepherd seine Stimme leiht. Seit seiner leidenschaftlichen Vertonung des Kevin Ryan in der Crime-Serie Castle freue ich mich immer wieder, wenn ich ihn in anderen Produktionen höre, besonders wenn er, so wie in diesem Fall, eine etwas prominentere Rolle übernehmen darf. Der langsam anschwelende innere Konflikt seiner Figur wird dabei ebenso glaubhaft von ihm vermittelt wie sein Stöhnen und Schreien in Kampfeinsätzen. Lobenswert erwähnen möchte ich an dieser Stelle zudem Viktor Neumann (Jean Paul) sowie Giuliana Jakobeit, die hiesigen Anime-Fans sicherlich als Ran Mori aus Detektiv Conan in guter Erinnerung geblieben sein dürfte und in Genocidal Organ der Geliebten Jean Pauls ihre Stimme leiht. Beide liefern, gerade im Verbund, gewohnt hochklassige Arbeit ab und können die Emotionen und Motivationen ihrer Charaktere eindringlich transportieren.

https://www.youtube.com/watch?v=x5X3pGJUDvw

Seit letztem Dezember habe ich gespannt dem Kinoabend mit Genocidal Organ entgegen gefiebert und der Film hat mich wirklich schwer beeindruckt. Audiovisuell bewegt sich das Werk auf einem enorm hohen Niveau, die behandelten Themen rund um Gewalt, Terror sowie Überwachung sind heute so relevant wie selten zuvor und dies alles wird in einer spannenden Geschichte verpackt, die man sich, meiner Meinung nach, nicht entgehen lassen sollte. Genocidal Organ ist, gemeinsam mit Logan - The Wolverine, mein Highlight des bisherigen Kinojahres und sollte von jedem, der sich für die erwähnten Thematiken interessiert, einmal genauer betrachtet werden.

Nach etwas mehr als zwei Stunden endete der Film schließlich und damit auch unser spannender Kinoabend, der mir und meinem Kumpel sicherlich noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Diesen Monat geht die KAZÉ Anime Nights-Reihe bereits weiter, denn am 30. Mai erwartet uns der 21. Detektiv Conan-Kinofilm, in dem unser kleiner Meisterdetektiv einen weiteren kniffligen Fall lösen muss :)

Habt ihr euch ebenfalls Genocidal Organ angesehen und falls ja, was ist eure Meinung zum Film?

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