Asiatisches Kino in Deutschland – Fehlanzeige

16.10.2013 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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Wer neue Filme etwa aus Japan, Hongkong oder Südkorea auf deutschen Kinoleinwänden sehen will, muss in der Regel den Umweg über Festivals gehen. Asiatisches Kino ist hierzulande fast vollständig verschwunden – oder ins Videothekenregal verbannt.

Nicht nur, aber doch ganz besonders beim Blick über die wöchentlichen deutschen Starttermine fällt auf: Das ist schon eigentlich nicht viel Kino, unser Kino. Genügend Filme mögen es vielleicht sein, rein zahlenmäßig, von einem ökonomischen Standpunkt aus gesehen und so weiter. Aber augenscheinlich gibt es da ein Ungleichgewicht, dem auch mit quantitativ hochgeschraubtem Kinobetrieb nicht beizukommen ist. Zwar laufen hierzulande etwa viele französische, spanische, rumänische, überhaupt vergleichsweise viele europäische Produktionen an, und vor allem das türkische Kino ist dank Verleihfirmen wie Kinostar und AF-Media stark repräsentiert, aber sie haben es offenbar sehr schwer gegen die Dominanz US-amerikanischer Filme auf hiesigen Leinwänden. Nicht nur an der Kasse, sondern ganz grundsätzlich: Die Möglichkeit, sie überhaupt sehen zu können. Aber es gibt sie, die Möglichkeit und die Filme, es gibt eine Wahl und ein Publikum, es könnte alles schlimmer sein, das sowieso. Doch was wahrlich kaum schlimmer sein könnte, ist die nahezu vollständige Abstinenz asiatischer Filme in deutschen Kinos: Da gibt es sie ganz einfach nicht, die Möglichkeit, die Wahl. Und die Zuschauer?

Magere Ausbeute
Der reguläre deutsche Kinostartterminkalender 2013 zählt neun, sprich: 9 (!), Filme aus Ostasien, Südasien und Südostasien, von denen es wiederum sechs Filme vermutlich nur deshalb bei uns zu sehen gibt beziehungsweise gab, weil sie sich als Koproduktionen in vergleichsweise gesicherten Distributionsverhältnissen bewegen. Schlimm auch, wenn es selbst der deutsch-indonesische Gemeinschaftsfilm Die Nacht der Giraffe und die ebenfalls deutschmitproduzierte Lunchbox von Ritesh Batra nicht einmal mehr zu uns ins Kino geschafft hätten. Und dass die beiden mit US-Geldern finanzierten chinesischen Blockbuster The Grandmaster und Man of Tai Chi einen regulären deutschen Kinostart spendiert bekommen haben, versteht sich von selbst. Kar Wai Wong und Keanu Reeves, so außerordentlich wagemutig ist ja dann selbst das teutonische Kino noch. Auch Valley of Saints – Ein Tal in Kaschmir und Sadhu – Auf der Suche nach der Wahrheit sind Koproduktionen, letztere eine indisch-schweizerische. Chennai Express mit Shah Rukh Khan hingegen war der einzige diesjährige Versuch eines hiesigen Labels, noch einmal an den in Deutschland lange schon abgeebbten Bollywood-Boom anzuknüpfen.

Festivals als einzige Ausweichmöglichkeit
Die verbleibenden zwei Filme schließlich sind Ring Originals 3 – Sadako 3D und Der Mohnblumenberg, japanischer Franchise-Horror und Studio Ghibli, beides auch hierzulande wohl, mehr oder weniger, kinotauglich. Es ist löblich, ehrenwert, schlicht schön, dass Universum Film zumindest die Anime-Produktionen des Zeichentrickgiganten noch einigermaßen regelmäßig bundesweit startet. So gab es in Deutschland, wenn auch zum Teil mit starker Verspätung, für ein breites Publikum immerhin die Möglichkeit, Ponyo – Das große Abenteuer am Meer oder Arrietty – Die wundersame Welt der Borger auf der großen Leinwand zu sehen. Denn wer sonst in gegenwärtiges asiatisches Kino ein- und abtauchen möchte, der ist auf Zugänge durch regen Festivalbetrieb angewiesen. Das japanische Filmfestival Nippon Connection, das alle zwei Jahre veranstaltete Asia Filmfest, das Indische Filmfestival Stuttgart, das Filmfest München, das Fantasy Filmfest oder natürlich auch die Berlinale bieten dafür hierzulande oft die einzigen Möglichkeiten – sind aber, von eventuellen räumlichen und finanziellen Hindernissen einmal ganz abgesehen, für ein auf deutsche Synchron- oder Untertitelfassungen angewiesenes Publikum nicht geeignet.

Ende eines Booms
Die aktuellen Filme einiger der spannendsten Filmemacher überhaupt also bleiben vielen deutschen Kinointeressierten praktisch verschlossen. Filme von Johnnie To, Mani Ratnam, Takashi Miike, Dante Lam, Kiyoshi Kurosawa, Herman Yau, Vishal Bhardwaj, Shion Sono, Sang-soo Hong, Lav Diaz, Takashi Ishii oder Hark Tsui sind nur auf besagten Festivals oder sogar nicht einmal dort zu sehen. Die Zeiten, in denen zumindest Exportschlager wie Ong-Bak oder New Police Story, Bollywood-Hits wie In guten wie in schweren Tagen – Sometimes Happy, Sometimes Sad oder Veer und Zaara – Die Legende einer Liebe, Musterbeispiele des jüngeren südkoreanischen Kinos wie Oldboy, The Host oder A Tale of Two Sisters, Weltkinogrößen wie Brillante Mendoza oder Ki-duk Kim auch im deutschen Kinogeschehen eine Rolle spielten, sind offenbar vorbei. Nicht einmal der chinesische Vorzeigepropagandist Yimou Zhang, dessen Wuxia-Trilogie selbst deutsche Multiplexe zu füllen imstande war, findet mit seinen Filmen hierzulande im regulären Kinobetrieb noch statt. Sein Kriegsdrama The Flowers of War, obwohl mit Christian Bale prominent besetzt, erschien nach seiner Programmierung im Wettbewerb der Berlinale ohne Kinostart direkt auf DVD und Blu-ray – und das auch noch in einer verstümmelten Fassung.

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