Auch 3 Body Problem hat die große Netflix-Krankheit – sie hat schon bei Avatar und One Piece genervt

31.03.2024 - 16:00 UhrVor 30 Tagen aktualisiert
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Netflix' Sci-Fi-Serie 3 Body Problem ist ein Hit. Trotzdem macht sie ein großes Problem sichtbar, an dem immer mehr Streaming-Serien kranken, wie zuletzt auch Avatar.

Mit der neuen Netflix-Serie 3 Body Problem haben die Game of Thrones-Macher endlich wieder ihre Stärken ausgespielt und eine atemberaubende Genre-Erzählung voller Wendungen und spannender Science-Fiction-Konzepte erschaffen.

Eines lässt sich aber nicht verleugnen. Wer auf eine detaillierte Adaption von Cixin Lius Trisolaris-Romanen bzw. des ersten Bands Die drei Sonnen gehofft hat, wurde mit radikalen Kürzungen enttäuscht. Und das ist hauptsächlich auf ein nerviges Netflix-Problem zurückzuführen: Die Serien-Länge.

3 Body Problem: Ein Netflix-Problem schlägt wieder zu

Die zahlreichen Änderungen und Kürzungen gegenüber der Buchvorlage lassen sich leicht erklären. Es bleibt einfach keine Zeit, um wissenschaftliche Theorien, philosophische Gedankenspiele und Handlungsstränge in unterschiedlichen Epochen in aller Ausführlichkeit zu beleuchten.

Denn 3 Body Problem besteht nur aus acht Folgen. Und genau das hält die Netflix-Serie für mich davon ab, wirklich herausragend sein zu können. Es ist ein allgemeines Problem, das mir als Serien-Fan in den vergangenen Jahren zunehmend sauer aufstößt. Und daran ist nicht mal Netflix allein schuld.

Ich wünschte, wir hätten mehr Zeit

Der große Boom an Steaming-Serien führte mit der Zeit zu immer kürzeren Staffeln. Waren Netflix-Serien einst noch in der Regel um die 13 Episoden lang, scheinen acht Folgen der neue Goldstandard zu sein. Gründe dafür gibt es viele. Unter anderem lassen sich mit gleichem Aufwand mehr Serien in kürzerer Zeit produzieren. Explodierende Serien-Budgets, wie etwa die 160 Millionen Dollar für 3 Body Problem, sind ein weiterer Faktor.

An dieser Zahl klammern sich in letzter Zeit immer mehr Streamingdienste fest – und bei Netflix fällt es besonders stark auf. Als Dauerbinger von viel zu vielen Serien begrüße ich kürzere Serien natürlich. Aber sind acht Folgen wirklich die ideale Länge für alle serielle Erzählungen? Meine Antwort lautet: Nein.

Nicht alle Geschichten sind für achtteilige Staffeln geeignet. Oftmals werden wir als Zuschauende mit ewig in die Länge gezogenen Stoffen konfrontiert, die viel besser und kompakter hätten erzählt werden können. Bei 3 Body Problem ist das Gegenteil der Fall. Hier wird eine sehr komplexe und umfangreiche Vorlage adaptiert, die eigentlich viel mehr Raum erfordert.

Für 3 Body Problem sind 8 Folgen einfach zu wenig

Dass 3 Body Problem keine einschläfernde Physik-Vorlesung mit ewig langen Whiteboard-Erklärungen geworden ist, ist erstmal ein Segen. In der Vorlage werden beispielsweise unterschiedliche wissenschaftliche Hypothesen detailliert ausformuliert und diskutiert. Ich verstehe, dass eine Mainstream-Serie mit Mega-Budget anderen Ansprüchen gerecht werden muss. Diese Simplifizierung an vielen Stellen kann ich daher verschmerzen.

Was ich weniger verschmerzen kann: Als Fan der Vorlage war ich schockiert, wie viel gestrichen wurde. Die Serie hetzt geradezu durch die Handlung des Romans Die drei Sonnen. Nach nur fünf Folgen ist dieser nahezu komplett abgefrühstückt. Die großen elementaren Ereignisse sind zwar geblieben, doch die wichtigen Nuancen der Geschichte sind verloren gegangen.

Hört im Podcast mehr zu den Stärken und Schwächen von 3 Body Problem:

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Ein drastisches Beispiel wäre die Organisation von Mike Evans (Jonathan Pryce), die im Buch sogar einen konkreten Namen (Erde-Trisolaris-Organisation, kurz ETO) hat. Im Gegensatz zur Netflix-Fassung ist die ETO in der Vorlage viel mehr als nur eine homogene Masse an Menschen, die die Ankunft der San-Ti (im Buch: Trisolarier) begrüßen. Dort existieren sogar drei verschiedene Fraktionen von Alien-Sympathisanten mit unterschiedlichen Motivationen.

Es gibt die von Mike Evans angeführten Adventisten, welche die Vernichtung der Menschheit begrüßen, um den Planeten zu retten. Ihnen entgegen stehen die religiös angehauchten Erlöser, die das unlösbare Dreikörperproblem zu lösen und den Planeten der San-Ti zu retten versuchen. Und dann gibt es noch die Überlebenden, die den Aliens hörig sind, in der Hoffnung, dass ihre Nachkommen nach der Invasion in 400 Jahren verschont werden.

Infolge der begrenzten Laufzeit von nur acht Episoden mussten für die Serien-Adaption komplette Handlungsstränge gestrichen oder extrem gestrafft und neu arrangiert werden. Zu oft wirkt 3 Body Problem auf mich wie ein Kompromiss, dem einiges der Tiefe der Vorlage abhandengekommen ist. Und das hätten ein paar Folgen mehr leicht beheben können.

Nicht jede Vorlage lässt sich in 8 Folgen pressen: Auch One Piece und Avatar sind von dem Netflix-Problem betroffen

Innerhalb eines Jahres ist 3 Body Problem jetzt schon die dritte Netflix-Adaption einer gewaltigen Vorlage, die zugunsten einer geringen Staffellänge auf das Nötigste heruntergebrochen werden muss.

Die Live-Action-Verfilmungen Avatar: Der Herr der Elemente und One Piece konnten mich als für sich stehende Serien sehr gut unterhalten. Aber im direkten Vergleich mit den Originalen haben sie ebenfalls verdeutlicht, dass das typische Netflix-Format von acht Episoden ein Problem sein kann.

Bei Avatar mussten Fans im Vergleich zur 20 Episoden starken Zeichentrick-Vorlage auf zahlreiche Nebenhandlungen verzichten, die die Charaktere und die Erzählwelt der Fantasy-Serie noch detaillierter erforscht hätten. Ein noch größerer Kompromiss erwartete One Piece-Fans in der Netflix-Realserie, die in acht Folgen durch 53 Anime-Folgen hetzt.

Beide Serien entwickelten sich für Netflix zu großen Erfolgen und wurden jeweils zügig verlängert. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass sie als Adaptionen mit etwas mehr Luft zum Atmen, also mehr Folgen, noch besser hätten werden können.

Es geht auch anders: Die zweite 3 Body Problem-Adaption leidet am gegenteiligen Problem

Wie eine 3 Body Problem-Adaption mit mehr als acht Folgen aussehen würde? Dafür gibt es sogar ein konkretes Beispiel. Denn schon vor der Netflix-Serie erschien Anfang 2023 mit Three Body eine chinesische Verfilmung. Deren Laufzeit war fast um ein Vierfaches länger!

Three Body war die erste Serien-Adaption von die 3 Sonnen

Ganze 30 Episoden stark ist die chinesische Serie, die sich trotz einiger Zensuren äußerst nah an die Vorlage klammert. Ich habe beide Adaptionen geschaut. Und sie könnten in ihrer Tonart nicht unterschiedlicher sein.

Für Netflix setzen die Showrunner auf bildgewaltiges Spektakel, bei dem eine Wendung die nächste jagt. Three Body hingegen fängt das Gefühl des Romans authentischer ein: Die Handlung ist langatmig, verkopft, manchmal geradezu anstrengend und zugleich extrem faszinierend in ihrer Komplexität an Themen. Allein die Geschichte rund um Ye Wenjies Erlebnisse im China zur Zeit der Kulturrevolution ist darin so umfangreich erzählt wie eine komplette Netflix-Staffel.

Die Atmosphäre der Mystery-Erzählung von Three Body lässt sich am ehesten mit der deutschen Netflix-Serie Dark vergleichen. Dabei zeigt sich jedoch auch der gegenteilige Effekt zur Version von Netflix: Die chinesische Umsetzung ist mit 30 Episoden viel zu lang und zäh. Eine ideale Folgenlänge für Cixin Lius Sci-Fi-Werk hat sich bei keiner Adaption bisher gefunden.

Allzu viel Hoffnung habe ich nicht, dass Netflix für eine mögliche 2. Staffel ein paar mehr Episoden springen lassen könnte. Denn mit Blick auf die Romanfortsetzung Der dunkle Wald wird die Geschichte in Zukunft noch effektgeladener – und damit auch teurer. Wie das Dreikörperproblem kann dieses Netflix-Problem nicht gelöst werden.

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