Avengers 4: Endgame kann mit seiner besten Idee überhaupt nichts anfangen

12.05.2019 - 10:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Avengers: Endgame
Walt Disney
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Gleich zu Beginn wagt Avengers 4 eine dramatische Kehrtwende. Doch was nützt der beste Twist, wenn die Macher nichts aus diesem machen? Endgame hat alles in der Hand und vermasselt es.

Avengers: Endgame schafft das, was sonst so gut wie kein MCU-Film zuvor vollbracht hat: Zu überraschen. Und das auch noch so früh: Nach nur 20 Minuten kommt es, Achtung, Spoiler (!), zum größten Twist des Marvel-Blockbusters. Die überlebenden Helden aus Infinity War suchen Thanos (Josh Brolin) auf seinem Planeten heim und … töten ihn.

Der größte Überraschung im MCU und sie verpufft

Das ist nicht gerade wirklich passiert, oder? Doch, ist es. Der größte Bösewicht, den das MCU in seinem nahezu elfjährigen Bestehen hervorgebracht hat - ein übermächtiger Titan, den selbst dutzende Superhelden, Götter und Außerirdische zusammen nicht zu bezwingen vermochten, also der absolute Endgegner von Endgame - ist in Sekundenbruchteilen nach dem Prolog dahin. Thor (Chris Hemsworth) macht ihn schlicht um einen Kopf kürzer.

Die wichtigsten Erkenntnise zum Schock-Moment in Endgame:

  • Mit dem unerwarteten Tod von Thanos schafft Avengers 4 einen der effektivsten Überraschungs-Momente im MCU.
  • Die anschließende Frage nach dem "Was kommt jetzt?" macht eine Zeit lang einen ungeheuren Reiz des Films aus.
  • Die Macher verpassen die Chance, einen neuen Bösewicht einzuführen und wählen die denkbar schlechteste Lösung.

In bester Star Wars 8-Manier vernichten die Autoren Christopher Markus und Stephen McFeely sämtliche Fantheorien, die die Reddit-Foren fast zur Überbevölkerung führten. Da leuchtet ein, warum die Regie führenden Russo-Brüder betonten, die Trailer würden nur die ersten 20 Minuten des dreistündigen Mega-Films präsentieren. Und ja, diese Wendung konnte wirklich niemand erahnen.

Nur schade, dass das alles völlig egal ist.

Ober-Schurke Thanos stirbt gleich am Anfang von Endgame.

Nach seiner überraschenden Eröffnung sowie einem fünfjährigen Zeitsprung kann Avengers 4 eigentlich nur genial werden, denn plötzlich wird das Superhelden-Spektakel so spannend und unvorhersehbar wie nie zuvor. Wer soll sich jetzt noch den Protagonisten in den Weg stellen? Zaubern Joe und Anthony Russo wirklich einen komplett neuen und viel mächtigeren Gegenspieler aus dem Hut?

Reingelegt: Obwohl Thanos nach nur wenigen Minuten enthauptet wird, bleibt der große Schurke von Endgame immer noch Thanos. Denn als die Avengers in die Vergangenheit reisen, in der logischerweise auch der Titan noch lebt, kriegt dieser Wind von der großen Rettungsmission und folgt wie einst Arnold Schwarzenegger als Terminator den Helden bei ihrer Rückkehr in die Gegenwart. Ganz schön langweilig.

Avengers 4 hätte einen neuen Bösewicht haben müssen

Es ist wie beim Turmspringen im Schwimmbad. Man steigt selbstbewusst bis zur höchsten Stufe hinauf, blickt vom Rand des Zehnmeterbretts, dreht dann jedoch wieder eingeschüchtert um und springt ein paar Etagen tiefer ins Becken. Avengers 4 traut sich etwas, wählt aber letztendlich den einfacheren Weg. Vor allem ist eine große Wendung so gut wie nichts wert (und irgendwie auch Betrug), wenn sie auf die Erzählung keinen echten Einfluss nimmt.

Iron Man gegen Thanos ... schon wieder

Der Plot von Endgame würde auch funktionieren, wenn Thor den violetten Völkermörder nicht über den Jordan geschickt hätte. Zwar geben die Avengers zunächst alle Hoffnungen auf, die Mission ist gescheitert und Thor trinkt sich deprimiert einen Bierbauch an - doch das liegt vor allem daran, dass Thanos vor seinem Ableben bereits alle Infinity-Steine zerstört hat. Seine Figur wird damit automatisch überflüssig und konsequenterweise aus dem Drehbuch gestrichen.

Wieso die Russos, Markus und McFeely dann Thanos im Finale wiederverwerten, bleibt ein Rätsel. Zugleich wird der vorherige Plot-Twist als bloßer Selbstzweck entlarvt, das Einzige, was er im Nachhinein groß bewirkt hat, war der pure Schock des Zuschauers.

Die tatsächliche Wendung, die auch den Haupt-Akt ins Rollen bringt, der sogenannte Plot-Point, folgt erst später, wenn Ant-Man (Paul Rudd) seiner Quantendimension entflieht. Nur wussten wir das bereits vor dem Film.

Kronos oder Rückkehrer Ultron als wahrer Endgegner? Das wäre eine weitere Überraschung gewesen

Doch was gäbe es für einen dramatischen Schlussakt, wäre ein gänzlich neuer Antagonist auf die Bühne getreten. Galactus, Kronos, der personifizierte Tod - völlig egal. Hauptsache, Endgame bleibt seiner zunächst erfrischenden Linie treu und schafft es erneut, die Erwartungen zu brechen und andere Wege zu gehen.

Stattdessen gibt es den Schlagabtausch zwischen Avengers und Thanos aus Infinity War einfach noch mal.

Zudem besitzt dessen Vergangenheits-Pendant diesmal keinen einzigen der sechs mächtigen Edelkristalle und sorgt daher im Showdown eher für ein Schulterzucken als für Gänsehaut. So begeht der Film den fatalen Fehler, antiklimaktisch zu erzählen und verschenkt damit jede Menge Potential.

Endgame macht es sich mit seinem Finale viel zu einfach

Der fehlenden Spannung wird dann mit einem uninspirierten Endkampf entgegengewirkt, der fast schon von Kreativitätsverweigerung zeugt. Statt eine Idee zu verfolgen, gehen die Macher All-In und werfen alles und zwar wirklich alles auf den Tisch, was das MCU bisher hervorgebracht hat. Die vorangegangenen Entwicklungen offenbaren sich in einem Moment als komplett trivial.

Das Resultat ist, wie Kollegin Jenny schon festgestellt hat, ein mit dem menschlichen Auge kaum zu erfassendes Effekte-Chaos vor monochromer Betonkulisse. Andererseits kann man fairerweise sagen: Wenn diese lahme Materialschlacht das ist, worauf 22 MCU-Filme zusteuern sollten, dann wäre ein anderer Bösewicht hier eigentlich auch gleichgültig gewesen. Ob Thanos, Ultron oder "Super Doom Universe Man": In dem Chaos übersieht man sie doch sowieso.

Avengers: Endgame läuft seit dem 24.04.2019 in den Kinos.

Wie habt ihr auf den Thanos-Twist in Avengers 4 reagiert?

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