Die Eingangssequenz von Betonrausch ist großes Kino. Ein Bildhauer wählt sich aus einem Steinbruch ein Stück Marmor aus. Während der Künstler sein Material begutachtet und bearbeitet, sieht der Zuschauer eine dekadente Party: Koks, Prostitution, Alkohol, Sex - alles unterlegt vom italienischen Klassiker Gaetano Donizetti.
Wer jetzt an La Grande Bellezza denkt, ist nicht ganz verkehrt. Immerhin geht es in dem zweiten deutschen Netflix-Film auch um eine Bohème. Allerdings spielt hier nicht ein alteingesessener Romer Adel eine Rolle, sondern Berliner Neureiche, die sich ihr Geld mit betrügerischen Geschäften gestohlen haben.
Das war es dann aber schon mit dem großen Kino-Vergleich. Ansonsten ist Betonrausch nämlich eher biederes deutsches Fernsehen. Die Statue wird übrigens während der Party platziert. Nur wenige Zuschauer werden ahnen, dass sie - Achtung: Spoiler - noch eine gewichtige Rolle im Film spielen wird.
Betonrausch bei Netflix in Kürze:
- Betonrausch schlägt in eine ähnliche Kerbe wie seine amerikanischen Kollegen Wall Street, The Wolf of Wall Street und The Big Short. Es geht um den großen Betrug.
- Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende. Das sagte angeblich Oscar Wilde. In dem Film ist es zudem ein Zitat und verweist bereits auf das Finale von Betonrausch.
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Worum geht es in Betonrausch?
Betonrausch erzählt die Geschichte von Viktor Steiner (David Kross). Mit viel Hoffnung im Blick macht er sich von der deutschen Provinz auf nach Berlin. Aber ohne Geld, Freunde und Seilschaften hat er es schwer, in der Hauptstadt Fuß zu fassen. Mit einer ersten Täuschung kann er eine Luxuswohnung mieten und vermietet diese gleich weiter. Dabei trifft er den Kleinganoven Gerry Falkland (Frederick Lau), der ihm wiederum die Bankangestellte Nicole Kleber (Janina Uhse) vorstellt.
Hier ist der Trailer zu Betonrausch
Gemeinsam erschwindeln sie sich Kredite wie Immobilien und kommen innerhalb kürzester Zeit zu enorm viel Geld. Partys, Drogen, Villen und Besuche bei Edel-Prostituierten inbegriffen. Aber irgendwann entwickelt sich eine trügerische Eigendynamik. Nach dem schnellen Aufstieg folgt der ungebremste Aufprall. Dabei geht jeder von dem Trio anders damit um.
David Kross, Frederick Lau & Janina Uhse: Das Betrüger-Trio
Wer deutsche Schauspieler in altbekannten Rollen sehen möchte, ist bei Betonrausch genau richtig.
David Kross gibt den jungen, sympathischen Mann, dem jeder vertraut. Er blickt seinem Gegenüber freundlich ins Gesicht. Letztlich funktioniert er nach dem Kleider machen Leute-Prinzip: Im Anzug mit Krawatte wird ihm jeder Betrug abgenommen.
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Frederick Lau spielt einmal mehr den Berliner Lümmel und Kleinganoven, etwas unterbelichtet, aber clever. Viel tun muss er nicht wirklich. Er kennt jemanden, der jemanden kennt und kann so alles heran schaffen, was dem Betrug dienlich ist. Zum Betrüger-Trio stößt Janina Uhse, die Klügste im Bunde. Sie kann die Ideen der zwei in harte Bankdaten verwandeln und damit
liefert letztlich sie die finanziellen Grundlagen für den Millionenbetrug.
Am Ende steht das biedere kleinbürgerliche Klischee
Nicole bringt aber auch das Trio zu Fall, denn als sie Mutter wird, will sie nicht mehr mitspielen. Nachvollziehbar gestaltet Betonrausch ihren moralischen Wechsel nicht wirklich, was sich als generelles Problem des Films herausstellt. Zu flach sind die Charaktere angelegt, zu gering ihre Hintergründe ausgelotet, zu viele Klischees - selbst ausländerfeindliche - werden bebildert.
In der Luxuswohnung, die Viktor mietet und wieder vermietet, feiern seine neuen Mieter ebenfalls eine Party. Die Schwarzarbeiter aus Südeuropa hausen dort mit Hühnern und Schafen, verschandeln die Wohnung und praktizieren ihren eigenen Fight Club. Alles Satire? Da Betonrausch sich nicht entscheiden kann, was es sein will, wohl eher nicht.
Erstaunlich ist, mit welcher simplen Sicht auf das Mensch-Sein sich die Macher um Regisseur
Cüneyt Kaya
(Blockbustaz)
begnügen. Das Betrüger-Trio organisiert sich hilfreiche Mitarbeiter, die in Oxford studiert oder im Bankengeschäft tätig waren. Alle sind sie mehr als bereitwillig, das System zu betrügen. Bestechlich sind sie sowieso, sei es die Berliner Beamtin oder der Ministerium-Angestellte auf Malta.
Dabei hat sich das Betonrausch-Team eine große Frage gestellt: Warum wird jemand wie Victor zum Betrüger? Seine Geschichte erzählt er nämlich in Rückblenden einer Journalistin. Er muss ein Trauma seiner Kindheit bewältigen, denn seinem Vater hat das Finanzamt übel mitgespielt. Seine Mutter ging zu einem reicheren Mann. Also will er selbst reich sein und wird dabei immer gieriger.
Bekannterweise kommt Hochmut vor dem Fall. Dies bebildert der Film mit viel Sex, Drugs und Rock'n'Roll, selbst Billy Elish' Bad Guy und Sophia Thomalla als Edel-Prostituierte werden aufgefahren, aber wirklich Neues hat der Netflix-Film über Betrüger nicht zu bieten.
Wer ins betrügerische Finanzgeschäft Deutschlands abtauchen will, dem empfehlen wir die Serie Bad Banks - eine ZDF-Produktion, deren 1. Staffel auch auf Netflix verfügbar ist.
Betonrausch ist eine deutsche Ufa-Produktion für Netflix. Seit dem 17. April 2020 ist sie bei dem Streamingdienst verfügbar.
Habt ihr euch den Film auf Netflix schon angeschaut: Was haltet ihr von Betonrausch?