Brutal & unerträglich - Kriegsfilm verstört Venedig

03.09.2014 - 14:29 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Shin'ya Tsukamoto in Nobi (Fires on the Plain)
Kaijyu Theater
Shin'ya Tsukamoto in Nobi (Fires on the Plain)
13
11
Den am schwersten erträglichen Film des Festivals hat Shinya Tsukamoto mit Nobi (Fires on the Plain) gedreht, zumindest wenn wir nach den Kritiken aus Venedig gehen.

Wenn die Kritiken für Shin'ya Tsukamotos Kriegsfilm Fires on the Plain eines gemeinsam haben, dann die Verstörung über die soeben gesehenen Bilder. Der Film, der im Wettbewerb des Festivals Venedig läuft, schildert den Dschungelkrieg auf den Philippinen während des Pazifikkrieges und steht zunächst einmal im langen Schatten eines Vorgängers. Denn Shin'ya Tsukamoto adaptierte den gleichnamigen Roman von Ooka Shohei, der schon Kon Ichikawas Klassiker Nobi - Feuer im Grasland aus dem Jahr 1959 als Vorlage diente. Nobi verfolgt einen an Tuberkulose erkrankten japanischen Soldaten in den letzten Monaten des Pazifikkrieges, der von seiner Einheit verstoßen wird und in einem Delirium ziellos über eine philippinische Insel wandert. Dabei schont Shin'ya Tsukamoto (Tetsuo, Nightmare Detective) als Hauptdarsteller, Regisseur, Drehbuchautor, Kameramann, Editor und Produzent in seiner Neuverfilmung den Zuschauer nicht. Im Gegenteil.

Thomas Abeltshauser sah für das Magazin ray  den "bislang schwer erträglichsten Film des Festivals":

"Tsukamoto macht aus der Geschichte eines japanischen Soldaten im philippinischen Dschungel gegen Ende des Zweiten Weltkriegs ein blutrünstiges Inferno, dessen Splatterelemente in ihrer Drastik pornografisch wirken. Nach dem desaströsen Einsatz ist jeder auf sich gestellt und kämpft ums schiere Überleben."

Peter Debruge von der Variety  geht mit Fires on the Plain hart ins Gericht. So vergleicht er das Projekt des "B-Film-Regisseurs" mit Uwe Bolls Auschwitz, kanzelt Shin'ya Tsukamoto schauspielerische Fähigkeiten ab und kritisiert das schwache Drehbuch. Genrefilmliebhaber dürfte Debruges etwas herablassendes Fazit jedoch eher neugierig machen:

"[...] Zu viel Lust scheint [der Regisseur] an all den abgeschlagenen Köpfen, aufgehäuften Leichen und von Maden übersäten Fleischwunden zu haben, um die Antikriegs-Botschaft des Films ernsthaft zu behandeln. Trotz der Glaubwürdigkeit, die so ein Platz im Wettbewerb von Venedig mit sich bringt, fühlt sich Fires eher wie Giallo denn Arthouse an."

Begeistert ist hingegen Xan Brooks im Guardian , der 4 von 5 Sternen für Fires on the Plain verteilt und den Film als "großartig verrückt" beschreibt: 

"Aber Tsukamoto verengt den Fokus, filmt auf kleinstem Raum und kocht das gesamte Theater des Pazifikkrieges auf eine intime Horrorshow herunter. [...] Tsukamoto gibt uns Die große Illusion über den Umweg eines Grindhouse-Films."   

Ebenfalls positiv fällt die Kritik von Deborah Young im Hollywood Reporter  aus:

"Vereinfacht gesehen, kann der Film als simpler Gore gelesen werden mit Non-Stop-Action und comicartigen Spezialeffekten, darunter spritzendes Blut, fliegende Gliedmaßen und madige Kopfwunden. In Venedig, wo der Film im Wettbewerb läuft, ist der Film ein Schocker, der die unbeschreiblichen Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung aufdeckt. Weil der Film seine Antikriegsbotschaft in einem nuancenlosen, dauerhaften Schrei ausdrückt, ist er keine leichte Erfahrung, aber eine absolut lohnende [...]."

John Bleasdale vergleicht Fires on the Plain bei CineVue  mit Der schmale Grat und Der Soldat James Ryan und vergibt 4 von 5 Sternen:

"Es gibt [in dem Film] plötzliche Szenensprünge (fast wie ein Zwinkern), als die Realität erschüttert wird, unangenehm nahe Großaufnahmen und eine hyperreale Direktheit. Das ist die Klarheit von jemanden, der die letzten Momente in einer Umwelt unerträglicher Gefahr erlebt. Farben sind leuchtender, Details stechen hervor und Geräusche sind lauter und die Verwirrung regiert. [...] Es ist ein Film, der Gewalt, Terror und Wahnsinn bewaffneter Konflikte so greifbar aufbereitet, dass er eine Grauen erregende und doch anregende Seherfahrung ermöglicht."

Reuters hat ein Interview  mit Shin'ya Tsukamoto geführt, in dem er Fires on the Plain als Weckruf beschreibt, unter anderem motiviert durch die aktuelle politische Situation in Japan.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News