Dark Souls auf der Schotterpiste

14.07.2015 - 15:00 Uhr
Achtung, die Kurve!
Codemasters
Achtung, die Kurve!
Rallyspiele sind ein Genre, das schon immer eine besondere Faszination auf mich ausübte. Ich war nie gut darin, aber ich spielte sie trotzdem gern. Und keines verdeutlichte diese Faszination so sehr wie die Colin McRae-Reihe von Codemasters.

Es war 2002 und mein Taschengeld als Schüler chronisch knapp bemessen. Irgendwann zog ich mit den hart ersparten 60€ – so viel muss es in etwa gewesen sein - vor das Regal mit den PlayStation 2-Spielen im MediaMarkt. Es war keine leichte Entscheidung, das hier würde für die nächsten Wochen oder sogar Monate mein einziges neues Spiel auf meiner einzigen Konsole werden. Trotz der großen Auswahl entschied ich mich für Colin McRae Rally 3 . 13 Jahre ist das her und rational betrachtet war es damals vermutlich eine Fehlinvestition. Ich kann mich nicht erinnern, den dritten Teil der Serie viel gespielt zu haben. Allerdings kann ich mich immer noch an daran erinnern, wie es war, auf den verschneiten Waldwegen und zugefrorenen Seen Skandinaviens um die Kontrolle über den Ford Focus zu kämpfen oder mich steile Serpentinen emporzukämpfen. Ich glaube es war Wales und es regnete in Strömen.

...schöne Aussichten.

Die Rally ist für mich die puristischste Form des Rennspiels: Ein Auto, eine Straße und der Versuch, möglichst effektiv die gegebene Strecke zu meistern. Andere Rennspiele verbringen viel Zeit mit Dingen abseits des reinen Fahrens. Es geht um Höchstgeschwindigkeit oder darum, alle Gegner zu überholen und zu Gewinnen. Mit Unterbodenbeleuchtung und Neonfarben Eindruck zu schinden, in Verfolgungsjagden vor der Polizei zu flüchten oder den spektakulärsten Crash zu provozieren.

Neuer Name, gleiches Spiel

Kürzlich habe ich mir Dirt Rally  gekauft. Ich leide nicht mehr ganz so unter Geldmangel wie als Teenager und dank Steam Sale musste ich nicht einmal den vollen Preis bezahlen. Die Entscheidung fiel mir entsprechend um einiges leichter als damals. Der 2007 verstorbene Rennfahrer Colin McRae  ist inzwischen nicht mehr Namenspate, aber sein Geist ist noch zu spüren. Es ist ein Rally ebenso fokussiert wie das letzte Mal als ich einen Blick auf Codemasters Serie warf. Nach den ersten paar Runden, die immer wieder im Graben endeten, überlegte ich kurz, ob ich die neue Refund-Funktion von Steam nutzen sollte und die 20€ besser andersinvestiere. Dabei bin ich gar nicht frustriert. Ich stehe nur ganz unten am Berg und schaue hoch. Und so wird auch Dirt Rally in meinem virtuellen Spieleregal seinen Platz finden. Ab und zu werde ich es starten und versuchen den Berg zu erklimmen.

...und Abflug.

Für echten Motorsport habe ich mich nie interessiert und zwischen 2002 und 2015 habe ich wenig Zeit mit anderen Rallys- oder Offroad-Rennspielen verbracht. Dennoch sind die Bilder dieser Rennstrecken tief in meinen Kopf gebrannt, weil ich sie nicht einfach nur Strecken waren, sondern meine Gegner und jede Kurve war ein Miniboss. Und auch Jahre später will jeder Streckenabschnitt Stück für Stück erarbeitet werden. 100 right 2, 50 caution jump, 200 square left, don't cut ... die Handbremse im falschen Moment betätigt, das Heck bricht aus, der Wagen streift den kleinen Stein am Straßenrand und schleudert in den Straßengraben. Schon ein Fehler macht jeden vorherigen Erfolg zunichte. Zu früh gefreut, Pech gehabt.

Rückkehr zum Stützrad

Nach den ersten paar Stunden mit Dirt Rally schaffe ich es inzwischen einigermaßen souverän an den Berghängen Griechenlands vorbeizufahren und die scharfen Kurven auf den vereisten Straßen in Monte Carlo zu nehmen. Ich habe auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad sogar einen dritten Platz bei einem Turnier erkämpft! Mit diesem Erfolg im Rücken kaufte ich stolz ein Fahrzeug der nächst höheren Fahrzeugklasse... und bin mit dem deutlich stärkeren Gefährt plötzlich wieder bei Null. Beschämt wechselte ich nach der ersten Probefahrt ins Menü und aktivierte die zuvor selbstbewusst ausgeschalteten Fahrhilfen. Nach einigen Totalschäden rette ich den Wagen das erste mal über die Ziellinie – oder zumindest das, was von ihm nach den unzähligen Kollisionen noch übrig geblieben ist.

Es sind noch alle vier Räder dran!

Die Mechanismen hinter Spielen lassen sich als Metaphern lesen und das ist bei Rennspielen nicht anders. In der Formel 1 geht es immer im Kreis, bis jemand gewonnen hat. Beim 24-Stunden-Rennen geht es um Taktik und Ausdauer. Bei einer Verfolgungsjagd muss ich die Konkurrenz abhängen und bei einem Drift-Wettbewerb eher effektvoll als effektiv um die Hindernisse kommen. Und bei der Rally geht es darum, den Berg zu erklimmen. Ich fahre nicht, um zu gewinnen, sondern um mir selbst zu beweisen, dass ich diese Strecke bis zur letzten Kurve meistern kann. Dass ich es noch 10 Sekunden schneller schaffen kann. Dass ich es auch mit einem anderen Wagen schaffen kann. Dirt Rally ist mein Dark Souls  – und ich weiß, ich kann es besiegen.

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