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Das neue Bond-Lied analysiert

26.09.2015 - 01:11 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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Sony Pictures
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Das Stück "Writing's on the Wall" lässt viele Interpretationsansätze zu. In dieser literaturwissenschaftlichen Analyse setze ich mich intensiv mit dem kryptischen Werk auseinander, in dem der Held vor eine wichtige Frage gestellt wird: Karriere oder Familie?
I've been here before
But always hit the floor
I've spent a lifetime running
And I always get away
But with you I'm feeling something


That makes me want to stay

Das lyrische Ich, vermutlich ein britischer Geheimagent um die 50, hier allerdings verkörpert von einem britischen Gesangskünstler um die 20 legt seine gesamte Lebenserfahrung in diese Worte. Jahre der Mühsal, der verpassten Chancen, enden sie womöglich damit, dass der sich immer in Bewegung befindliche Schürzenjäger endlich einen Grund findet, sich häuslich niederzulassen, eine Idee, die ihm zuvor noch nie in den Sinn kam?

Der Autor macht es uns nicht einfach, eine klare Antwort auf diese Frage zu finden. Auf bewusst subtile und unverbrauchte Art deutet er an, dass es etwas gibt, das ihn vom Job abhält. Aber was ist dieses "something that makes [him] want to stay"? Ist es Liebe? Ist es ein mieser Tarifvertrag? Die Antwort findet sich wohl irgendwo zersplittert in den Scherben des Titelbilds.

I'm prepared for this

I never shoot to miss

Anders als bei den meisten Geheimagenten üblich, schießt das lyrische Ich nicht etwa einfach nur so in der Gegend herum, sondern hat jedes Mal ein bestimmtes Ziel vor Augen. Doch was ist jenes Ziel wohl hier?

But I feel like a storm is coming
If I'm gonna make it through the day
Then there's no more use in running

This is something I gotta face

Wie schon im Vers zuvor stellt der Künstler sein Talent für außergewöhnliche Bildsprache unter Beweis. Das Motiv des Rennens wird wiederholt, diesmal jedoch um das eines heraufziehenden Sturm ergänzt. Aber ist dieser Sturm wörtlich zu nehmen oder nicht? Sollte das lyrische Ich seinen Regenschirm mitnehmen oder irgendwas anderes, vielleicht irgendwas, was mit der Seele zu tun hat oder so? Uns bleibt nur Rätselraten, doch die Zeilen sitzen tief. Schwer vorstellbar, dass sie in nur 20 Minuten entstanden  sein sollen.

If I risk it all
Could you break my fall?
How do I live? How do I breathe?

When you're not here I'm suffocating

Nun wird es etwas schwammig in der Bedeutungsgeladenheit des Textes. Das lyrische Ich hat offensichtlich den angekündigten Sturz unternommen und bekommt nun keine Luft mehr, doch wieder ist unklar, wie man diese Zeilen auffassen soll. Wortwörtlich? Schließlich sollten Stürze aus höchsten Höhen für einen Geheimagenten nichts Ungewöhnliches sein. Oder doch metaphorisch, für eine Art Ersticken der Seele? Was für Implikationen!

Das lyrische Du kommt zur Rettung und assistiert dem lyrischen Ich beim Atmen. Doch wie? Mithilfe einer Sauerstoffmaske? Oder gar Liebe? Dass der Autor uns darüber im Unklaren lässt, ist nur ein weiteres Indiz für die schiere Kraft der Ambiguität, die im Nichtgesagten und Zwischen den Zeilen liegenden dieses Meisterwerks liegt.

I want to feel love, run through my blood

Tell me is this where I give it all up?

Okay, also doch Liebe, hm. Vergesst mal den letzten Absatz.

For you I have to risk it all

Cause the writing's on the wall

Nach umfassender Recherche  habe ich auch diesen Teil entschlüsseln können. Im Wesentlichen ist es nochmal das mit dem Sturm von vorhin. Aha. Bin mir mittlerweile nicht mehr so sicher, ob das Stück dem enormen Niveau standhält, dem ich es zu Beginn ausgesetzt habe.

A million shards of glass
That haunt me from my past
As the stars begin to gather
And the light begins to fade
When all hope begins to shatter

Know that I won't be afraid

OMG. Glas, Scherben, Sterne, Geister, verschwindendes Licht, zerbrochene Hoffnung. Ich kann nur wiederholen: OMG!!! Ich bin baff. Thom Yorke kann seine Koffer packen, das hier ist ein Meisterwek der Wortgewalt, eine Zelebration ewiger Schönheit und gleichzeitig immerwährender Trauer, ein lyrischer Exzess von Ausmaßen, die das menschliche Gehirn zu prozessieren kaum imstande ist. Musik wurde erfunden, um diese Worte gen Himmel zu tragen, die Menschheit hat ihren Platz im Universum darin gefunden, Heimat für sie zu sein und Sam Smith hat bestimmt einen gigantischen Penis.

If I risk it all
Could you break my fall?
How do I live? How do I breathe?
When you're not here I'm suffocating
I want to feel love, run through my blood
Tell me is this where I give it all up?
For you I have to risk it all
Cause the writing's on the wall

The writing's on the wall

Auch wenn es im ersten Moment etwas enttäuscht, dass das Stück von hier an nur noch eine Wiederholung der bisher interpretierten Zeilen beherbergt (dieses Phänomen ist in der Fachwelt auch als "Refrain" bekannt), tut das der Euphorie keinen Abbruch. Writing's on the Wall ist als Lied so übermenschlich, dass man ein neues Wort erfinden müsste. Lüd vielleicht? Hm, ich werde wohl noch etwas darüber nachdenken müssen. Oder vielleicht frage ich den Künstler einfach auf Twitter, ob ihm was einfällt.

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