Der Saloon - Abenteuerspielplatz für Männer

06.08.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Die Freibeuterin
Universal Pictures
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Die zentrale Rolle des Saloons in der Realität der Grenzstädte verdichtete und vereinfachte Hollywood zu einer Art Abenteuerspielplatz für Männer und schuf so eine eigene Ikonographie des Saloons.

Der Western ist das Filmgenre für echte Kerle. Harte Jungs, die sich irgendwo in den frontier towns der USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Outlaws, Sheriffs, Indianern, Rinderbaronen, Goldsuchern, den widrigen Umständen (zu heiß, zu kalt, zu staubig, zu nass) Bodenspekulanten, äußeren Feinden (vorzugsweise Mexikanern) und einer zumeist unfähigen wenn nicht gar korrupten Regierung herumschlagen und dabei in wenigen Jahrzehnten einen ganzen Kontinent besiedeln. Was ein echter Kerl ist, will aber auch ab und zu und eigentlich so oft wie möglich Spaß haben. Für den Spaß brauchen die echten Kerle des Westens eines von drei Dingen und am besten alles drei auf einmal: Alkohol (Whiskey oder Bier), eine Zockerrunde (Poker oder Faro) und eine Frau (nicht die eigene, sondern eine zum Hingucken in gewagter Kleidung und mit flexiblen Moralvorstellungen). All dies fand der Westerner im Saloon. Und deshalb war der Saloon in vielen frontier towns das erste feste Haus, das errichtet wurde. Vor dem Hausbau boten umtriebige Saloonkeeper die gewünschten Annehmlichkeiten direkt vom Planwagen oder im eilig aufgebauten Zelt. Die zentrale Rolle des Saloons in der Realität der Grenzstädte – es ging eben nicht nur um Schnaps, Karten und weibliche Gesellschaft, sondern um die Organisation von Gemeinschaft – verdichtete und vereinfachte Hollywood zu einer Art Abenteuerspielplatz für Männer und schuf so eine eigene Ikonographie des Saloons.

Der Saloon war bereits Ort der Handlung in einer Szene in Der große Eisenbahnraub von Edwin S. Porter aus dem Jahr 1903, der in zehn Minuten einen klassischen Western Plot erzählt: Raub-Verfolgung-Shoot Out. Die Saloon-Szene zeigt Cowboys und ihre Gals, die zunächst einen ausgelassenen Square Dance hinlegen, dann aber einen armen Saloon-Gast mit Pistolenkugeln tanzen lassen. Bei dieser Posse handelt es sich keineswegs um Ganoven, im Gegenteil: Kurz nachdem sie ihren Spaß mit dem Greenhorn gehabt haben, stürzt der zuvor überfallene Bahnhofswärter herein, die Cowboys satteln ihre Pferde und verfolgen die Banditen bis zum großen Show Down.

Von der Bretterbude zum Tanzpalast
Der Film-Saloon von 1903 war dabei nicht mehr als eine Bretterwand mit aufgemalten Fenstern und zwei Musikern im Edison Studio in New Jersey. Von Western Flair konnte also nicht wirklich die Rede sein. Hollywood schuf in seinen späteren Western-Epen den Leinwand-Saloon mit den Filmfans wohlbekannten Zutaten: Swing Doors, einer langen Bar mit Spiegeln, Spieltischen, Kronleuchtern und einer Galerie. Dieser klassische Saloon ist wie eine opulent ausgestattete Bühne, auf der sich die Protagonisten des Westerns – Sheriff und Outlaw, Held und Bardame, Rinderbaron und einfacher Cowboy – treffen. Dabei ist diese Luxusversion eines Saloons keineswegs nur der Phantasie der Traumfabrik Hollywood entsprungen. Ein besonders extravagantes Exemplar ist in Die Freibeuterin von 1942, für den das Art Director-Team eine Oscar-Nominierung in der Sparte Interior Design erhielt. Der Saloon ist das Reich von Cherry Malotte (Marlene Dietrich) und eher Ballsaal als Kneipe. Die Dietrich sieht in ihren spektakulären Kleidern aus, wie die sündhafte Alaska-Ausgabe einer K.u.K.-Gräfin. Selbstverständlich wird in ihrem Ballsaal nicht nur getanzt. Er ist zudem der perfekte Ort für eine Schlägerei zwischen dem heldenhaften Goldgräber (John Wayne) und dem gerissenen Politiker McNamara (Randolph Scott). Spiegel, Stühle, Tische gehen zu Bruch und natürlich fehlt auch der Kampf auf Galerie und Treppe nicht.

Der Saloon ist in Die Freibeuterin eine Arena für die Konfrontation zwischen Männern, und das ist auch seine wichtigste Funktion auf der Leinwand. Im Saloon haben alle Helden gekämpft, von Gregory Peck bis Bud Spencer, mit Blicken, Fäusten und dem Colt. Glauben wi Hollywood, so war der Tod im Saloon ein durchaus häufiges Ereignis. In einem der berühmtesten Western aller Zeiten, Zwei rechnen ab, beobachtet Doc Holliday (Kirk Douglas) im Spiegel, wie der Ganove hinter seinem Rücken ziehen will, und kommt ihm mit einem gezielten Messerwurf zuvor. Ein Moment ist Totenstille, das Piano hat aufgehört zu spielen. Dann scheucht der Saloonbesitzer seine Mädchen rein und ruft free drinks on the house - der Tod, so suggeriert Hollywood, ist business as usual.

Die Trink- und Spielhalle des Wilden Westens wird als Ort männlicher Rituale, Gewalt und Glamour inszeniert. Im Leinwand-Saloon gibt es Action mit Stil. Aber wie nah sind die Regisseure und Setdesigner damit eigentlich an der Realität? Unbestreitbar ist, dass der Saloon beim großen Treck nach Westen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert ein zentraler Ort war. In den Camps der Arbeiter, die in den Silber- oder Goldminen schufteten, war der Saloon oft nicht mehr als ein Planwagen oder ein Zelt mit dem notwendigen Alkoholvorrat. Mit den Siedlern, die auf der Suche nach Reichtümern folgten, vervielfachte sich die Anzahl der Saloons rasant. Ein Zensus von 1879 in Leadville, Colorado, eine Stadt in der 1877 der große Silber Boom einsetzte, ergab folgende Zahlen: Vier Banken, vier Kirchen, zehn Gemischtwarenläden, 31 Restaurants, 19 Bierhallen, 120 Saloons sowie 118 Spielhallen und Privatklubs, die Alkohol ausschenkten.

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