Der Thron des Teufels - Das Klo im Hollywoodfilm

19.11.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Der Dude und sein Klo
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Der Dude und sein Klo
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Die meisten von uns gehen jeden Tag aufs Klo, da die Verdauung nun einmal zum Leben dazugehört. Im Hollywoodkino waren Toiletten aber lange Zeit alles andere als gern gesehen. Wir schauen, woran das wohl gelegen hat, und wie es heute aussieht.

Anlässlich des heutigen Welttoilettentages widmen wir uns einem Thema mit einer ebenso verblüffenden wie ungewöhnlichen Geschichte: dem Klo im Film. Bis in die Anfangszeiten des Tonfilms ging es in Hollywoodproduktionen gerne recht zügellos zu: Im Hinblick auf Sex und Gewalt erlegten sich die Studios wenig Zurückhaltung auf, erlaubt war, was gefiel. Allerdings hatte nicht das gesamte Publikum Spaß daran, denn meist religiös motivierte Interessengruppen liefen gegen derartige Filme Sturm. So kam es, dass sich die Studios 1930 schließlich selbst einen Maulkorb verpassten, um nicht letztendlich von staatlicher Seite zensiert zu werden: den Motion Picture Production Code . Diese ab 1934 mit Nachdruck durchgesetzten Richtlinien regelten sehr genau, welche Themen und Darstellungen tabu waren, hauptsächlich in den Bereichen Sex, Gewalt und Verbrechen. Leitgedanke war es, die moralischen Standards leicht zu beeindruckender Zuschauer nicht zu senken.

Das Klo, der Thron des Teufels

Aber nicht nur lustvolle und gewalttätige Triebe wurden in der Folgezeit auf der Leinwand beschränkt, auch eine gänzlich unvermeidbare Konstante der menschlichen Existenz wurde totgeschwiegen: die Verdauung, oder genauer gesagt die Vorrichtung, in der ihre Endprodukte entsorgt werden, die Toilette. Explizit wurde vom Production Code im Hinblick auf bestimmte Räumlichkeiten und deren Einrichtung zwar nur verlangt, Schlafzimmer mit "gutem Geschmack und Zartgefühl" zu behandeln, allerdings sollten auch "niedere, abstoßende, unangenehme" Themen ebenso mit Rücksicht auf die Gefühle der Zuschauer dargestellt werden, auch wenn diese Sujets selbst nicht "böse" wären.

Mehr: Selbstzensur in Hollywood

So kam es dann auch zustande, dass Jahrzehntelang kein Klo in Hollywoodfilmen zu sehen war, um die Zuschauer nur ja nicht durch dessen Anblick zu verschrecken. Es entstand geradezu der Eindruck, beim WC handele es sich um den Thron des Teufels persönlich, weswegen es aus Sorge um das Seelenheil des Publikums unter keinen Umständen gezeigt werden dürfe. Über die Einhaltung des Codes wachte bis 1954 Joseph Breen, dessen eigenwilliges Verhältnis zu Toiletten und Badezimmern schon Zeitgenossen wie der Produzent zurückhaltender Horrorfilme Val Lewton kommentierten, den das Alfred Hitchcock Wiki  zitiert:

Breen geht jeden Morgen ins Badezimmer. Er streitet nicht ab, dass er dies tut, oder dass es einen Ort wie das Badezimmer gibt, aber er glaubt, dass weder seine Handlungen noch das Badezimmer geeignete Themen für Leinwandunterhaltung sind.

Ins Bewusstsein gespült

Es war an Alfred Hitchcock, diese toilettenlose Zeit zu beenden. Hitchcock, der sich schon immer einen Spaß daraus gemacht hatte, die Zensoren an der Nase herumzuführen, und in seinen Filmen allerlei Geschehnisse unterbrachte, die dem Geist des Production Code zuwiderliefen, brach 1960 mit Psycho nämlich auch das Toiletten-Tabu, wie Jim Emerson  ausführt. In der Szene, in der Marion Crane eine Zettel zerreißt und im Klo herunterspült, war nicht nur erstmals in einem Mainstream-Hollywoodfilm ein WC zu sehen, sondern zudem noch in Aktion zu erleben, auch wenn es lediglich etwas im Abfluss verschwinden ließ, das auch genauso gut in einem Papierkorb hätte entsorgt werden können (wer Psycho tatsächlich noch nicht kennt, möge nach dem Runterspülen aufhören zu gucken):


Psycho-Drehbuchautor Joseph Stefano beschrieb den Sinn der Klo-Szene (in Stephen Rebellos Alfred Hitchcock and the Making of Psycho, via Emerson) folgendermaßen:

Ich dachte, wenn ich damit anfangen könnte, die Zuschauer aus dem Gleichgewicht zu bringen, indem ich eine spülende Toilette zeige [...] wären sie zum Zeitpunkt des Duschmordes so neben der Spur, dass es ein absoluter Hammer wäre. [...] 'Dies ist der Punkt, an dem ihr anfangen werdet, zu erfahren, worum es bei der Menschheit geht. Wir beginnen damit, euch die Toilette zu zeigen, und es wird nur noch schlimmer.'

Auch im Fernsehen waren Klos tabu, ein Umstand, der wie einige andere Seltsamkeiten aus dieser TV-Zeit 1998 in der Fantasy-Dramödie Pleasantville thematisiert wurde, indem es dort in einer Diner- Toilette tatsächlich keine WCs gab.

Kein Klo in Pleasantville

Wie /Film  erwähnt, sollte schon 1957 in der eigentlichen Pilotfolge der Sitcom Leave It to Beaver eine Toilette ihren großen Auftritt haben, letztendlich durfte aber nur der Spülkasten gezeigt werden, in dem ein Baby-Alligator versteckt wurde; etwas, das seltsamerweise als weniger verstörend angesehen wurde. Erst 1971 war in All in the Family, ebenfalls eine Sitcom, ebenfalls in der Pilotepisode, schließlich das Spülen einer Toilette zu hören.

Weggelacht und fortgeschockt

Aber woran lag es nun, dass Toiletten jahrzehntelang ebenso ein Tabu im Film waren wie Hinrichtungen auf dem elektrischen Stuhl (noch ein besonderes Sitzmöbel), Folter oder das Brandmarken von Menschen? Einerseits erinnert natürlich auch eine gerade nicht in Benutzung befindliche Toilette daran, dass sie korrekt lediglich "unten ohne" zu verwenden ist, und ruft damit die Vorstellung von Nacktheit hervor, die den Hütern des Production Codes zuwider war; andere nicht vermeidbare Tätigkeiten wie Essen und Schlafen können hingegen voll bekleidet durchgeführt werden. Zudem gilt die Ausscheidung von Verdauungs-Endprodukten auch noch heutzutage nicht als ein Thema für alle Lebenslagen. Emerson wirft zudem die Frage auf, ob die biologische Notwendigkeit des Stuhlgangs und die Tatsache, dass wir uns dafür schämen, nicht auch mit dem Konzept der Ursünde verwandt sei, ebenfalls ein Thema, das den Vätern des Production Codes nicht geeignet für Unterhaltung schien.

Als der kinematische Bann aber erst einmal gebrochen war, war der Vormarsch der Klo-Szenen im Kino nicht mehr aufzuhalten. Allerdings werden Toiletten und ihre Benutzung bis heute trotzdem nur äußerst selten so normal und gewöhnlich dargestellt, wie sie wohl meistens im Alltag auftreten dürften. Im Gegensatz zu anderen unvermeidbaren Bedürfnissen wie Essen oder Schlafen tritt alles, was mit einer Toilette und der Verdauung zu tun hat, im Film zumeist in komischer oder schrecklicher Art und Weise auf:

Da wird der Dude in The Big Lebowski kopfüber ins Klo gesteckt, Anwalt Gennaro in Jurassic Park von der Schüssel weg verspeist, Frank Drebin vergisst in Die nackte Kanone, sein Mikrofon auszuschalten, in Lethal Weapon 2 - Brennpunkt L.A. ist ein Bombe mit von der Partie, Harry Caul fördert in Der Dialog beim Spülen Grausames zutage, von den Erlebnissen Rentons in Trainspotting ganz zu schweigen. Die Beispiele sind so zahlreich wie eine Kanalisation lang.

Wie Emerson anmerkt, wird alles, was zum großen Kreis der Ausscheidung gehört, wie viele Tabus zumeist als Horrorgeschichte oder als Komödie behandelt, manchmal sogar beides. Nur so scheint es zu gelingen, den Dämon zu bannen, auch wenn seine porzellanene Manifestation inzwischen zumindest nicht mehr totgeschwiegen wird.

Welches ist eure liebste Klo-Szene?

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