Community

Deutsche Krimiserien - ein spezieller Fall

13.09.2014 - 12:20 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Oberinspektor Stefan Derrick
ZDF
Oberinspektor Stefan Derrick
2
1

Irgendwie sind sie überall. Ein bisschen wie Hausstaubmilben, kaum kann man ihnen entfliehen.

Deutsche Krimiserien machen sich beinahe überall breit. Nicht nur der unsterbliche Tatort (obwohl es da in Plot und Besetzung schon so ein paar versuchte Tötungen gab, fahrlässig und mit Vorsatz).

Wirklich überall. Abend, Nacht, Vorabend, Youtube....

Als Kind der 80er waren die ARD/ZDF Krimiserien quasi mein erster bewusster Kontakt außerhalb der Kinderserien.

Mitfiebern mit dem Fahnder, mitleiden, wenn Matula wieder was auf die Fresse bekam. Mitfahren in Derricks BMW, wenn es zum Tatort ging und sich über Klaus Doldingers Supermelodie für den Tatort Vorspann und für "Ein Fall für Zwei" freuen.

Später dann fummelte nahezu jeder Sender mit unterschiedlichem Erfolg irgendeine Krimireihe zusammen, wenn einem gerade nichts besseres einfiel. Auch die Privaten.

RTL machte bei "Alarm für Cobra 11" das mit dem Krimigenre, was Michael Bay später mit jedem Genre machte, nämlich Bummzischknall. Aber es gab auch anderes, "Die Cleveren" war ok, "Im Namen des Gesetzes" lag irgendwo zwischen dem alten "Dragnet" und dem aktuelleren "Law &Order". Pro7 war mit "Alles außer Mord" geradezu liebenswert.

Überhaupt schien das meiste irgendwo geklaut, meist natürlich aus den USA.

In der DDR hingegen reagierte man auf höchsten Befehl mit der Einführung von "Polizeiruf 110" und "Der Staatsanwalt hat das Wort". Rückblickend waren da schon echt lächerliche Fälle dabei, weil viele Skripts eben politisch motiviert waren.

Überhaupt war oftmals die Spannung nicht vordergründiges Thema deutscher Krimis, beiderseits des eisernen Vorhangs. Vielmehr ging es um die jeweiligen Persönlichkeiten der Figuren, soziale Hintergründe, Politik und und und.

Die Masse an Kriminalfallmöglichkeiten und der Ideenraub aus den USA brachte eine immer größere Masse an Krimiserien auf den Markt. Subgenres bekamen eigene Serien, plötzlich redete man von Profiling und so Kram.

Bei den Öffentlich/Rechtlichen zeigte man sich davon unbeeindruckt. "Der Alte" war immer noch der alte, auch wenn es nicht mehr der alte Alte war. Matula hatte bei "Ein Fall für Zwei" schon den vierten Rechtsanwalt als Auftraggeber verschlissen, fuhr aber wenigstens wieder Alfa statt Audi und beim "Tatort" gabe es hinsichtlich der Ermittler weiterhin zwischen Supernova und schwarzem Loch absolut alles.
Manne Krug trällerte mal ein Liedchen und im Team wurde gekalauert und gegrantelt, Max Ballauf wurde in Köln mit nicht ganz offenen Armen willkommen geheißen und bei RTL machte man einfach weiter Autos kaputt, hatte aber mit Krapp und Balko ein Duo in einer anderen Serie, das Sympathien sammelte.

Von irgendwelchen dritten Programmen liefen nachts alte Folgen von "Stahlnetz", "Der Kommissar", "Graf Yoster" oder eben quasi Vintage "Tatort", Sat1 brachte mit "SK Kölsch" einen der wenigen Gründe auf den Tisch, Köln nicht zu atomisieren, aber Spannungskrimis blieben weiter selten. Der Täter wurde geschnappt, das vermisste Kind/die gekidnappte Ehefrau gefunden, ob nun tot oder lebendig.

Hatte man ab und zu dann mal doch das kurze Gefühl von Spannung, waren es zumeist nur Momentaufnahmen, Verfolgungsjagden in dunklen Lagerhallen, ein tickendes Ultimatum oder der ermittelnde Beamte wartete auf seinen neuen Dienstwagen.

Warum also war der Kram so erfolgreich? Und ist es noch?

Ist deutscher Krimi der neue Biedermeier? Es ist alles unaufregend genug, damit man am Sonntagabend oder wann auch immer was zum Gucken hat, ohne dass man aber vor lauter Adrenalin dann nicht einschlafen kann. Eigentlich recht rücksichtsvoll vom deutschen Krimi.

Aber es ist ganz sicher nicht diese Rücksichtnahme, die ihn erfolgreich macht.

Ich glaube, es ist zu einem nicht unerheblichen Teil simple Treue und Verlässlichkeit. Man könnte jetzt sagen, der deutsche Krimi sei wie ein VW Golf, man weiß, was man bekommt, aber ich komme aus der Automobilbranche und weiß daher, dass das vielleicht etwas viel der Ehre für den Golf wäre. Aber egal.

Seit Dekaden bietet der deutsche Krimi, und das ist wohl der Unterschied zum Golf, einen komplett fairen Deal. Er fordert kaum Aufmerksamkeit und bietet fast immer zumindest solide Berieselung.
Man hängt normalerweise nicht nägelkauend vor der Glotze und ich bezweifle, dass man das früher gemacht hat. Man hat das Ganze früher sicher anders zelebriert, aber Gänsehautunterhaltung war es sicherlich nie.

Was für mich aber diesen Reiz ausmacht, der dafür verantwortlich ist, dass ich einfach nicht vom deutschen Krimi loskomme (und ich habe es zeitweise wirklich versucht), sind diese kleinen Perlen.

Ein Rosenkranz an Reizpunkten quasi.

Ob nun Dinge wie "KDD", Episoden von "Nachtschicht", die bare Tatsache, dass Josef Matula eine coole Sau ist, dass man bei manchen Formaten sehr stilvoll klaut ("Flemming" bei "Lie to me") oder sich der "Tatort" in manchen Erzählsträngen immer wieder durch nahezu organisch wirkende Teams auszeichnete (Stoever/Brockmöller, Börne/Thiel, Ballauf/Schenk, Ehrlicher/Kain, Borowski/Brandt). Dazu gab es Lichtblicke, wenn man mal ganz ausbrach. Komme, was wolle, ich finde "Tatort - Das Dorf" ist eine der besten Ideen der ARD seit Erfindung der Sportschau.

Daneben gibt es auch außerhalb der groß bekannten Serien immer wieder kurze Ausflüge in die Coolness. Joachim Król als Ruhrpottbulle "Lutter" ist mitsamt seines sozialen Umfeldes nahezu eine Offenbarung. Oliver Stokowski ist in "Der Ermittler" ebenfalls viel sympathischer als die austauschbaren Geschichten der Serie.

Außerdem gab/gibt es ja auch noch Dinge wie "Doktor Psycho", "Inspektor Rolle" (Rufus Beck hat es eifach richtig drauf), "Der letzte Zeuge", "Mord mit Aussicht", "Heiter bis tödlich", "Eva Blond" und vieles, das ich jetzt noch vergessen habe.

Lange Rede, kurzer Sinn: Bei der Masse an Output (und allein "Derrick" kam auf 281 Folgen) ist einfach zwangsläufig ein Prozentsatz Gutes dabei.

Deutsche Krimiserien sind wie eine bequeme Decke. Damit verlässt man nicht das Haus, sähe echt dämlich aus.

Aber zuhause. Auf der Couch. Entspannend und gemütlich.


Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Aktuelle News