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Die "besten" Argumente für „The Last Jedi“ (revisited)

26.12.2019 - 20:00 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Star Wars 8: Die letzten Jedi
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Star Wars 8: Die letzten Jedi
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Episode VIII von Rian Johnson ist seit der Veröffentlichung ein kontroverses Thema unter Star Wars Fans. Nun starteten die Anhänger des Films kurz nach dem Kinostart von Ep. IX eine erneute Kampagne. Dieser Artikel entkräftet einige der Argumente.

Kurz vor und an Heilig Abend geisterte der Hashtag „ThankYouRianJohnson“ durch Twitter, mit dem die Fans der achten Episode nochmals ihre Liebe für Rian Johnson und dessen Film „The Last Jedi“ artikulierten, offensichtlich getriggert durch die Enttäuschung des aktuellen Films „The Rise of Skywalker“. Obgleich Lucasfilm‘s neuster Star-Wars-Streifen bei den Zuschauern gemischt, aber tendenziell eher positiv aufgenommen wird, bekam er von den Kritikern ein teils sehr harsches Urteil. Das führte letztlich dazu, dass die Debatte über den kontroversen „The Last Jedi“ wieder entfacht wurde, in der sich der eine Pol des Lagers dazu veranlasst fühlte, der Welt mitzuteilen, wie viel besser und tiefgründiger Rian Johnsons Eintrag ins Star-Wars-Franchise sei, jetzt wo J.J. Abrams mit seiner ernüchternden Fortsetzung die Saga abgeschlossen hat (obwohl schon seit zwei Jahren abzusehen war, dass aus Episode IX kaum etwas werden kann und das lag nicht an J.J., sondern an Rian Johnson…). Über Twitter durften wir nun dennoch nochmal davon Teil werden, was denn eigentlich so besonders an „The Last Jedi“ ist. Welche Genialität sehen diese ominösen Fans? Welche Argumente sprechen für den Film? Das Ergebnis fällt, nicht überraschend, sehr dünn aus:

https://twitter.com/GoonWave/status/1209456559643922432?s=20

1. Das Besenkind

Dieses Kind am Ende hat viele Fans von Episode VIII inspiriert und daran ist nichts falsch. Der Film stärkt die Niemanden („empowering the nobodies“). Das Problem daran ist jedoch die Oberflächlichkeit dieses Gedanken und die Metaebene dahinter. Diese Botschaft existiert quasi in jedem Disney Film. Und in „The Last Jedi“ wird es plötzlich so hingestellt, als sei dies die völlig neue Errungenschaft innerhalb „Star Wars“ und der innovative Einfall des Rian Johnsons. Jedes Kindsprodukt enthält dies seit 100 Jahren und steckt seit 1977 auch in „Star Wars“. Rian Johnson sieht in „Star Wars“ kein Galaxie-überspannendes Abenteuer, sondern sich selbst, als den kleinen Jungen, der die Heldentaten des Luke Skywalkers „erzählt“ bekommt. Und diese Metaebene zieht sich durch den ganzen Film. Es ist nichts aufregend Neues, keine Innovation, sondern schlicht ein Fan, der seine Kindheit mit „Star Wars“ auf die Leinwand projiziert. Und das zieht sich ohnehin durch die gesamte Sequel-Trilogie: Die Filme werden von Fans gedreht, die glauben zu wissen, was „Star Wars“ ist und etwas Star-Wars-Mäßiges inszenieren, ohne auch nur eine Ahnung von der Lore zu haben. Es kommt noch besser. „Star Wars“ war nie als Geschichte über einen Niemand gedacht. Die heutigen Regisseure sind mit der Original-Trilogie aufgewachsen und übertragen nun ihre Einschätzung davon auf die neuen Episoden; eben der Irrglaube, dass es in Episode IV um den Nobody Luke Skywalker ging, der per Zufall in diese Abenteuer gerissen wurde. Das verkörpert „Star Wars“ für manche Menschen und das ist völlig in Ordnung. Es entspricht jedoch nicht dem Konzept von George Lucas:

It's all about generations and it's about, you know, the issues of fathers and sons and grandfathers; it's a family soap opera. I mean, ultimately. We call it a space opera, but people don't realize it's actually a soap opera. And it's all about family problems — it's not about spaceships.

In „Star Wars“ ging es immer, schon immer, um Familie und Verwandtschaft. Die Skywalker-Saga ist eine Familiensaga. Es geht um Mütter und Töchter, um Väter und Söhne. Das ist „Star Wars“ und es ist schade, wenn ihr es anders verstanden habt (daher auch völlig richtig, dass J.J. Abrams Rey zu einer Enkelin von einem Jemand gemacht hat).

2. Luke Skywalkers Porträt

Dieser Punkt geht sozusagen mit dem Vorigen einher: Das Bedürfnis sich mit etwas identifizieren können zu müssen und deswegen hat es Qualität sowie künstlerischen Anspruch. Ich kann mich überhaupt nicht mit Anakin und Luke Skywalker identifizieren und dennoch sind es großartige Geschichten. Wo kommt dieses Verständnis auf einmal her? Luke Skywalker ist in Episode 8 ein deprimierter Trottel und plötzlich äußern sich Menschen, wie sehr sie sich damit verbinden können. Überraschung! Es ist ganz natürlich, dass sich 90 % der Menschheit vermeintlich mit deprimierten Nobodys identifizieren kann, aber das ist keine große Erzählkunst. Ich gehe ins Kino, weil ich den Helden Luke Skywalker sehen möchte und wie er mit menschlichen Konflikten zu kämpfen hat. Ansonsten kann ich auch zu Hause bleiben und mich selbst bemitleiden. Ganz davon abgesehen, ist dieser Luke Skywalker in Episode 8 nicht Luke Skywalker (unter Fans auch liebevoll Jake Skywalker  genannt). Es spricht nichts dagegen Luke eine eigene Arc zu geben, nicht weniger habe ich von den Sequels erwartet. Nur eben sollte sie im logischen Zusammenhang mit Episode 6 stehen und nicht die Momente wiederholen, mit dem Ergebnis eines weit weniger rational und „out of character“ denkenden Luke Skywalker. Und auch hierbei treffen wir wieder auf diese Metaebene: Es wird immer von dem Mythos geredet, „the modern myth“. Was soll das überhaupt konkret bedeuten? Für Rian Johnson ist Luke Sykwalker dieser Mythos und genauso inszeniert er es. Er inszeniert nicht Luke Sykwalker, sondern wie er ihn jetzt und als Kind gesehen hat. Deswegen schaut das Besenkind am Ende in den Nachthimmel. Es existiert dieses Verständnis, dass man den Mythos wieder neu beleben müsste. War der Sturz des Imperators nicht Heldentat genug? Hat das nicht Millionen Menschen in der Galaxie inspiriert? Nein, Episode 8 schreibt die Geschichte Lukes einfach nochmal neu, an dessen Ende sich urplötzlich alle Geschöpfe in der Galaxie von Lukes Tat auf Crait inspiriert fühlen sollen. Wie diese Tat überhaupt in der Galaxie verbreitet werden soll, bleibt dabei eines der vielen Plotholes. Die Erste Ordnung wird davon wohl kaum berichten und die ca. 20 übriggebliebenen Rebellen im Millennium Falken sind dazu kaum imstande. Es existiert keine Republik mehr. Aber klar, der kleine Junge aus dem Stall wird davon sicherlich zwei Tage später erfahren haben… als Luke Sykwalker zwanzig Leute gerettet hat… das ist natürlich kein Vergleich zum Sturz des Imperiums…

https://twitter.com/danaCreative/status/1207876825529114625?s=20


3. Ein Star Wars Film, der endlich auch für Frauen ist (?)

Das ist kein Scherz, sondern ernsthaft ein öfter fallendes „Argument“. Egal, wie man diese Ansichten jetzt bewerten möchte (heutzutage geht in der Unterhaltungsindustrie leider immer mehr um die Befriedigung von vermeintlichen Randgruppen und Minderheiten und weniger um qualitativ hochwertig erzählte Geschichten), sie entspricht schlicht falscher Tatsachen. Oftmals macht es den Eindruck, als wäre die Sequel-Trilogie das erste „Star Wars“, das diese Fans überhaupt gesehen haben und schreiben den Filmen deswegen Attribute zu, die bereits seit Jahrzehnten vorhanden sind. „Star Wars“ hat faktisch seit 1977 starke Frauenfiguren, am auffälligsten manifestiert durch Leia und Padme. Wer meint, dass Padme keine starke Frau ist, der schaue bitte nochmal Episode II und wie sie Anakin permanent diktiert, was zu tun sei. Hinzu kommt Ahsoka aus „The Clone Wars“, im Jahre 2008 erschaffen von George Lucas und Dave Filoni. Sie ist der Star dieser Serie und hat sich für eine Vielzahl an Fans zum Lieblingscharakter etabliert. Aber TLJ-Fans kennen vermutlich noch nicht mal die Serie. Das Gleiche gilt für „Rebels“ mit mehreren großartigen Frauen-Figuren. Dasselbe gilt für dutzende weitere Nebenfiguren aus den Prequels, Videospielen und Serien. Dieses „Argument“ ist einfach der größte Witz.

4. Der Film sieht gut aus

Überraschung, ein 250 Millionen Dollar Film von Lucasfilm und Disney sieht gut aus. Wer hätte das gedacht…? Ja, Episode 8 hat ein paar großartige Bilder, aber dahingehend unterscheiden sich die neuen Filme nun wirklich kaum. Auch Episode 7 wurde hervorragend gefilmt, gleiches gilt für den hochwertigen neunten Teil. Wann sahen Star-Wars-Filme nicht gut aus? Klar, das Auge vieler Fans wird jetzt vermutlich auf die Prequels und das mittlerweile mittelmäßige CGI fallen. Aber selbst diese Filme verfügen über großartige Shots. Das Podrennen ist auch noch heute überragend gefilmt und konzipiert; die Schlacht auf Geonosis sieht großartig choreografiert aus; die ersten Minuten aus Episode 3 sind nicht weniger als atemberaubend, ganz abgesehen von den tollen Welten und Lichtschwertkämpfen der Trilogie. Über die Original-Trilogie muss ich hoffentlich gar nicht erst sprechen. Für mich beinhaltet „The Last Jedi“ nichts, was ich so auch nicht schon in den anderen Filmen gesehen habe. Tatsächlich ist die Kinematografie eines der wenigen Dinge, die mit den beiden anderen Episoden von J.J. Abrams harmoniert und zusammenspielt. Rian Johnson macht hier keine Experimente, geht keine unerwarteten Wege. Es ist der gleiche Mischmasch aus realen und digitalen Sets, mit der gleichen flachen, Blockbuster-konformen Optik, die uns Disney seit Jahren beschert. Das CGI erfüllt seinen Zweck (mal gut, mal weniger gut), die Hintergründe und Designs sind ganz dem Vorbild, der Original-Trilogie, entsprechend. Jedoch erfüllt der Film in Actionszenen nicht den Standard eines Star-Wars-Films. Die Raumschlacht zu Beginn ist träge und ohne Spaß in Szene gesetzt. Die Lichtschwertkämpfe sind fehlerhaft und langweilig (dazu unten mehr). Und das Holdo-Manöver bleibt so oder so auf ewig kanonbrechend, egal wie nett es anzusehen ist.

5. Rian hat eine mutige Geschichte erzählt

So wie jeder genannte Punkt, lässt dich auch dies wieder auf subjektive Empfindungen herunterbrechen. Wer in „The Last Jedi“ eine mutige Geschichte sieht, dem sei das gegönnt. Meiner Meinung nach haben bewusste und erzwungene unterwanderte Erwartungen („subverted expectations“ ) jedoch nicht mit Mut zu tun, erst Recht nicht auf dem Level eines George Lucas‘. Es ist nicht mutig, das Fundament des Vorgängers zu ignorieren und sein eigenes Süppchen zu kochen. Es ist nicht mutig, im Mittelteil einer Trilogie unverfroren jeden Handlungspunkt in die eigene Hand zu nehmen und aufzulösen bzw. ins Leere laufen zu lassen. Ohnehin kann „The Last Jedi“ genauso wenig neue, ikonische Momente, Schauplätze und Ideen schaffen, sondern muss sich auf Vorhandenes aus der Original-Trilogie bedienen. Es wird sich gezielt an mehreren Elementen aus Episode V und VI bedient, sei es die Eröffnungsschlacht aus Empire, die generelle Dominanz des Imperiums, das Jedi-Training, die Thronsaal-Szene aus Episode VI usw., nur um diese dann auf unvorhergesehene Weise aufzulösen, was einzig und allein darauf abzielt den Zuschauer zu brüskieren. Rian Johnson könnte diese Momente in anderen, innovativ erdachten Sequenzen einbauen, aber es geschieht nicht. Auch hier fällt im Zusammenhang wieder oft der ominöse Mythos, der angeblich durch diesen Film geehrt wird. Wie wäre es stattdessen eine originelle Geschichte zu schreiben? Nein, auch „The Last Jedi“ kann sich wie Episode 7 und 9 nur auf Altbekanntes stützen.

6. Kylo Ren (und die Action)

Kylo Ren alias Ben Solo ist unbestritten der beste Charakter der Sequel-Trilogie; dazu haben sich auch nach Episode 9 wieder viele Stimmen geäußert. Dennoch geht diese Behauptung durchs Netz, dass „The Last Jedi“ daran einen besonders großen Anteil hat. Tatsächlich aber hat dieser Film der Figur kaum neue Facetten zugesprochen, sondern baut lediglich auf das auf, was in Episode 7 längst etabliert wurde. Schlimmer noch: Johnson wiederholt den Handlungsbogen von Kylo Ren, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dem Protagonisten den Weg zu ebnen, der ihn in Episode 9 wieder zu hellen Seite kommen lässt. Stattdessen wirkt seine Wandlung nun völlig unvorbereitet und überhastet, da Ben Solo mangels gescheiter Vorbereitung des Vorgängers nahezu urplötzlich die Seiten wechselt, ohne tiefergehende Begründung (ihm flammt eine Erinnerung Han Solos auf...). Episode 7 handelt davon, wie ein zerrissener Kylo Ren, getrieben von der dunklen Seite, aber herausgefordert von seinem inneren Guten, letztendlich seinen Zwiespalt überwindet und mit der Ermordung seines eigenen Vaters den finalen Schritt zur dunklen Seite absolviert. Episode 8 baut darauf nicht auf, sondern erzählt erneut (!) davon: Kylo Ren ist wieder zerrissen, er steht wieder im Zwiespalt, er tötet wieder eine Mentorfigur und wird schließlich zum einzig bösen, großen Anführer. Kylo Ren ist am Ende von „The Last Jedi“ exakt an der gleichen Stelle, wie am Ende von Episode 7. Keine Entwicklung, keine neuen Ideen, keine kreativen Einfälle. Johnson kocht erneut sein eigenes Süppchen und interpretiert Figuren kurzerhand um, damit sie in sein (!) Star Wars passen. Man kann Kylo Ren in diesem Film toll finden, keine Frage. Er bleibt ja trotzdem die interessanteste Figur. Das täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass in Episode 8 keine neuen Wege mit dieser Figur beschritten werden. Wer anderes behauptet, verfolgt diese Geschichte nicht aufmerksam und ignoriert die Handlung von Episode 7. Ein weiterer, kleiner Punkt ist die Actionszene im Thronsaal. Anfangs von vielen als einzige aufregende Action dieses Films bezeichnet, offenbarten sich wenig später rasch die Details. Diese Szene ist unfassbar schwach choreografiert, wenn man sich nicht blenden lässt und einmal Aufmerksamkeit zeigt. Und das ist keine Meinung, sondern objektiv von einem professionellen Stuntman verbrieft. Wem so etwas egal ist, kann gerne weiterhin gefallen an der Szene finden. Sie ist jedoch offensichtlich kein qualitatives Merkmal des Films:

https://www.youtube.com/watch?v=OL83p4GxAvw&t=254s


7. „It was challenging, brilliantly written, and better than we deserve“ etc.

Nein… Punkt.
Dass Leute überhaupt so etwas behaupten können, zeugt von mangelnder Aufmerksamkeit und jeglichem Verständnis von Star Wars. Die Prequels waren herausfordernd und brillant konzipiert. Ein Großteil der Fans hat bis heute weder diese Filme, noch grundlegende Kernaspekte der Handlung verstanden. Das fängt bei den Midi-Chlorianern an und hört bei den tiefgründigen historisch-mythologischen Auseinandersetzungen auf. „The Last Jedi“ ist plötzlich der bedeutsame, tiefe Film („meaningful, deep“), der über Versagen und fehlerhafte Helden erzählt („flawed heroes“). Die ganze Prequel-Trilogie verhandelt exakt das. Und zwar in gut. Anakin Sykwalker ist der fallende Engel, verführt vom Teufel; der Jedi-Orden ist eine Geschichte der Arroganz und Uneinsichtigkeit; Luke Skywalker ist derjenige, der diesen Missständen und falschen Verheißungen trotzt und seinen Vater rettet (eben das Gegenteil aus Episode 8). Die Prequels erzählen von dem Scheitern einer Demokratie, welche durch eine innere Bedrohung und legitimiert durch die eigene Bevölkerung in eine Diktatur mündet, basierend auf Geschichte und realpolitischen Ereignissen. Sie ergeben bildsprachliche eine bewusste Spiegelung zur Original-Trilogie  und verarbeiten die Tragödie des fallenden Helden auf außergewöhnliche Weise, basierend auf klassischen sowie fantastischen Erzählungen. Die Filme arbeiten in ihrer Veranlagung gegen die gewohnten Blockbuster-Konventionen, in denen ein experimenteller Filmemacher  eine Trilogie schreibt und inszeniert, welche pures Kino auf die Leinwand bringt, worin kein einziger Shot zufällig ist. Die Prequels  sind mutig, anders und unkonventionell, dass was Star Wars schon 1977 ausmachte und immer sein sollte. Und diese Herausforderung wurde von vielen bis heute nicht gemeistert, erst recht nicht von „The Last Jedi“.

https://www.youtube.com/watch?v=k-kxklMSEc4


#ThankYouGeorgeLucas 

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