Die Faszination einer Idee im Test zu Uncanny Valley

29.04.2015 - 18:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Uncanny Valley
Cowardly Creations
Uncanny Valley
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Uncanny Valley wirkt auf den ersten Blick wie eine Mischung aus Lone Survivor und The Stanley Parable. Die perfekte Grundlage für Entwickler Cowardly Creations, um einen neuen Indie-Überraschungshit abzuliefern, oder?

Wie oft wünschte ich mir schon eine Speicherfunktion für mein Leben: Dem Vater zu Weihnachten die falsche Krawatte geschenkt (oder überhaupt eine Krawatte, ich bitte euch)? Neustart! Die vermeintliche Ferienoase entpuppt sich als Bruchbude, in der das vielbeinige Getier unter dem Kopfkissen appetitlicher als das Buffet aussieht? Zurück ins Reisebüro! Oder endlich einmal den allmorgendlichen Kampf mit der Snooze-Taste dank dem imaginären Quickload gewinnen!

Doch Uncanny Valley  will mir zeigen, wie viel Reiz darin liegt, mit meinen (zumindest virtuellen) Fehlern und Schwächen zu leben. Schließlich peitscht das Survival-Adventure seine Geschichte genau dort voran, wo andere Spiele mein Scheitern mit einem Game Over-Bildschirm quittieren.

Nächtlich grüßt das Murmeltier

Als Nachtwächter Tom bleibt es mir überlassen, was ich während meiner Schicht in einer stillgelegten Forschungseinrichtung anstelle. Nur hätte ich das früher merken müssen, denn meine ersten Abende bestanden schlicht darin, brav die langen Flure rauf und runter zu patrouillieren. Um mich deutlicher auszudrücken: Die letzten Sekunden auf dem einblendbaren Timer herunterticken zu sehen, glichen mitunter dem Blick auf die Uhr kurz vor dem Ende einer Mathe-Doppelstunde am Freitagnachmittag.

Uncanny Valley

Immerhin brachten Toms Albträume meinen Murmeltiertag-Rhythmus ins Wanken und ließen ihn in die Richtung von wohligem Grusel taumeln. Die Ausflüge in den Kopf des Protagonisten nehmen nicht nur seine Vergangenheit, die ihn dazu brachte, ins verschneite wie abgelegene Exil zu wandern, unter die surreal gefärbte Lupe. Sondern deuten auch das Hauptthema von Uncanny Valley an: Das sogenannte Consequence System. Verletzt mich etwa ein Gegner zu sehr, kann ich anschließend nicht mehr kriechen, weswegen ich mir neue Wege überlegen muss, um an meinen Feinden vorbei zu kommen. Selbst wenn sie mich besiegen, endet Uncanny Valley nicht — ich muss nur eben die Konsequenzen tragen.

Uncanny Valley

Dieser unglaublich interessante Ansatz frustrierte mich an einzelnen Stellen sehr. Einmal musste ich beispielsweise unter Zeitdruck einen Stromkasten reparieren: Zum einen geizte das Spiel mit wichtigen Hilfestellungen sowie Erklärungen, zum anderen missfiel mir der negative Ausgang in diesem konkreten Fall derart, dass ich im Steam-Forum nach einer Lösung suchte und anschließend einen kompletten Neustart wagte.

Mehr Walkthroughs, mehr Probleme

Mit einem besserem Verständnis davon, wie Uncanny Valley funktioniert, nutzte ich meine Zeit, um die Forschungsanlage oder die nahe gelegene Wohnanlage zu erkunden. Während ich E-Mails der ehemaligen Angestellten durchstöberte oder Tonbänder hörte, konstruierte Uncanny Valley sorgsam eine sich im Hintergrund entfaltende Suspense-Atmosphäre. Diese entlädt sich aber leider zu spät und dafür zu plötzlich in den finalen Survival-Abschnitten, die, abgesehen vom unbedarften Erzähltempo, große Spannung erzeugen.

Uncanny Valley

Trotzdem wächst Uncanny Valley bis zu gewissem Grad mit jedem weiteren Spieldurchgang, da ich wissen möchte, wie weit das System der ständigen Konsequenzen reicht und welche Alternativen ich bisher verpasst habe. Allerdings führt dieses Konzept ab einem bestimmten Punkt auch zu mehreren Problemen. So ändert sich zwar, was ich mit Tom erlebe, die Orte bleiben jedoch in der Regel dieselben, wodurch ich mich zu schnell an den Abschnitten satt sehe — zumal ich immer erst den Prolog bewältigen muss, bevor das Consequence System im vollen Umfang greift. Im Vergleich zu Uncanny Valley präsentiert sich The Stanley Parable , das eine ähnliche Erzählstruktur besitzt, einfach pointierter sowie kurzweiliger. Außerdem gelingt es Cowardly Creations nicht immer, meine Entscheidungen nahtlos in die Handlung einzuweben, weshalb manche Spieldurchgänge an einen Flickenteppich erinnerten.

Uncanny Valley

Aus diesen Gründen langweilt Uncanny Valley in seiner Gesamtheit sicherlich nicht annähernd so wie der am Anfang erwähnte Matheunterricht. Nach mehreren Spielstunden entspricht es aber hin und wieder der Vorbereitungsphase auf eine Geschichtsprüfung.

Fazit

Ich würde an dieser Stelle liebend gern schreiben, dass Uncanny Valley ein Kleinod ist, das selbst die Leere ausfüllt, die der Abgang von Silent Hills  zurückließ, so sehr begeistert mich sein Grundgedanke sowie einige seiner Spielabschnitte. Leider bleibt letztlich zu viel von dieser Faszination an den Ecken und Kanten der Umsetzung hängen.

Uncanny Valley ist seit dem 23. April via Steam für Windows-PCs erhältlich und kostet rund 10€. Zum Erstellen dieses Reviews wurde eine privat gekaufte Version genutzt.

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