Die große Leere nach Avengers 4: Das MCU fängt jetzt ganz von vorne an

28.07.2019 - 15:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
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Das Gerüst für das MCU nach Avengers 4: Endgame steht. Aber so richtig spannend wird es erst danach: Wie erfindet sich das erfolgreichste Filmuniversum nach Jahren des Rauschs neu?

Kevin Feige wirkt wie jemand, der es liebt, sein Schlafzimmer komplett neu einzurichten. Am vergangenen Samstag bei der Comic-Con in San Diego präsentierte der MCU-Innenarchitekt seine neu möblierte Phase 4. Er ließ dabei nie den Gedanken aufkommen, dass in diese ausgetüftelten Fahrpläne literweise Schweiß, Blut und Tränen geflossen sind. Und dass das alles milliardenschweren Disney-Erwartungen standhalten muss.

  • Die Infinity-Saga hat die Messlatte unerreichbar hochgelegt.
  • Anstatt direkt wieder in die Vollen zu gehen, wagt das MCU einen sanften Neustart.
  • Dieser Prozess geht mit Einschnitten und Unwägbarkeiten einher.

Das MCU, so scheint es gerade, schreibt sich wie von alleine fort. Ermüdungserscheinungen sind weder bei den Gestaltern im Hintergrund noch beim Publikum zu erahnen. Eher noch geht die Tendenz nach oben. Spider-Man: Far From Home knackt als erster Spider-Man-Film die Milliarde, und das obwohl er bei vielen Kritikern als einer der schwächsten MCU-Filme gilt.

Das MCU erfindet sich neu - und doch bleibt alles beim Alten

Tatsächlich befindet sich das MCU nach Avengers 4: Endgame in seiner kritischsten Phase seit den Einführungen von Thor und Captain America im Jahr 2011, an denen die MCU-Formel erst so richtig festgezurrt und erprobt wurde.

In den nächsten Jahren muss das MCU sich selbst beweisen, dass seine Formel ohne die herangezogenen Gesichter von Tony Stark und Captain America stark genug ist. Greifen die Zahnräder der Maschine auch mit ausgetauschten Ersatzteilen widerstandslos ineinander?

Shang-Chi

Der größte Einschnitt im MCU-Fahrplan: Es gibt in Phase 4 keinen Avengers-Film. Damit fehlt der gemeinsame Zielpunkt, auf den sich die einzelnen Helden seit 2008 regelmäßig zubewegen. Die Avengers-Filme waren Zwischenetappen, an denen sich die Horden an Regisseuren und Drehbuchautorinnen orientierten.

Dem vermeintlich perfekt organisierten Blockbuster-Kino fehlt die erzählerische Zentrale. Was der Wegfall für die innere Mitte des Filmuniversums bedeutet, lässt sich jetzt noch nicht absehen. Das mag etwas esoterisch klingen, aber Fan-Religionen brauchen ihre Rituale.

Der Neustart aus dem Kleinen heraus: Das Modell Iron Man 2.0

Vielversprechend wirkt indes das verkündete Line-up. Der Weg von Phase 4 ist gepflastert mit einer Mischung aus Fortsetzungen und Origin-Storys, die Räume schafft für weitere diverse Geschichten im meistgeschauten Filmuniversum der Gegenwart.

Erprobte Helden wie Thor, die von verlässlichen Regisseuren verwirklicht werden, stehen neben spannenden Fragezeichen wie Eternals, von denen höchstens eingefleischte Marvel-Fans mal gehört haben. Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings wird der erste MCU-Film mit einer asiatischen Hauptfigur, Black Widow der zweite mit einer weiblichen Hauptrolle. Mahershala Ali verkörpert derweil Blade in einem Reboot, voraussichtlich aber erst in Phase 5.

Überdies wird die Genre-Palette bunter; Doctor Strange 2: In the Multiverse of Madness soll der erste MCU-Film mit Horror-Note werden. Bei Shang-Chi und den Eternals dürfen sich die Indie-Regisseure Destin Daniel Cretton und Chloe Zao verewigen und hoffen, dass ihre Handschrift nicht von der Marvel-Schwammtechnik verwischt wird.

Dieser Teil von Phase 4 erinnert noch am ehesten an die ersten Schritte des MCU, als es jung, unschuldig und am aufregendsten war. Kaum jemand kannte vor Mai 2008 Iron Man.

Das MCU braucht Natalie Portman und Angelina Jolie

Eternals

Filmisch backt Kevin Feige zwar kleinere Brötchen. Dafür holt er sich Mega-Stars an Bord. Das ist neu, aber nicht unbedingt überraschend. Marvel weiß, dass nach dem Ausscheiden von Robert Downey Jr. und Chris Evans zwei der wichtigsten Gesichter aus dem MCU-Mount Rushmore brechen. Von den Ur-Avengers bleiben jetzt noch Scarlett Johansson mit ihrem Black Widow-Film, Chris Hemsworth als Thor, Mark Ruffalo als Hulk, der immer noch etwas blasse Jeremy Renner und Maskottchen Samuel L. Jackson.

Marvel greift deshalb erstmals auf Großschauspielerinnen zurück, die nicht organisch im MCU-Garten gewachsen sind. Evans und Hemsworth waren vor 11 Jahren unbeschriebene Blätter. Selbst Scarlett Johansson verdankt dem Franchise einen großen Karriere-Boost.

Chris Hemsworth wurde für den ersten Thor-Film mit einer Witzgage im 100.000er-Bereich abgespeist, Robert Downey Jr. bekam um die 2 Millionen Dollar für den ersten Iron Man - weniger als Terrence Howard für eine Nebenrolle im gleichen Film. Für Natalie Portman (in Thor 4: Love and Thunder) und Angelina Jolie (in Eternals) muss Disney mehr auf den Tisch legen.

MCU-Infos für zwischendurch

Die Rückkehr der Oscarpreisträgerin Natalie Portman ist ein Coup für Disney und Marvel. Natalie Portman verschafft dem MCU mehr Ansehen als das MCU Natalie Portman. Dasselbe gilt für Angelina Jolie, die ein ganz neues Publikum einem Marvel-Film zuführen wird. Gerade Jolies Verpflichtung erscheint notwendig und zeigt, dass die Wette auf die unbekannten Eternals selbst Disney etwas zu heiß ist - und wir sprechen hier von dem Studio, das eine Figur wie Ant-Man vergoldete.

Thor: Love and Thunder

Hat Marvel das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten verloren oder sind die Eternals womöglich so langweilig, dass Angelina Jolie sie interessant machen muss? Das führt uns zu den Abwesenden auf der Phase 4-Party.

Die Fantastic Four und die X-Men bleiben auf der Ersatzbank

Der Verzicht auf die durch den Disney-Fox-Deal für viel Geld erstandenen Marken X-Men und Fantastic Four wirkt wie eine Art Plan B, auf den Kevin Feige zurückgreift, falls Plan A mit den unbekannten Helden in die Hose geht.

Marvel will in der Sache wahrscheinlich einen Schnellschuss vermeiden, der mühsam errichtete Ruf der Allesrichtigmacher ist fragil. Gerade die filmgerechte Entwicklung der verzweigten X-Men-Comics braucht Zeit. Außerdem ist die Marke nach Dark Phoenix verbrannt. Das Studio wartet wohl, bis Gras über das Desaster gewachsen.

Die MCU-Karte wird kompliziert genug in Phase 4. Mit Black Widow, der nach Civil War spielt, steht das erste Inbetwequel an - ein Sequel, das zwei bereits existierende Filme verknüpft, quasi das Rogue One von Marvel.

Die neuen Serien wie Falcon and the Winter Soldier fungieren künftig als Vehikel für MCU-Filme, bereiten Handlungsstränge vor und werden für den Fan, der wirklich ALLES sehen will, unverzichtbar. Die Zeit, die verschmerzbare Versäumnisse wie bei Agents of S.H.I.E.L.D. zuließ, ist vorbei. Jede Serie ist bald ein Trailer für den nächsten MCU-Film und umgekehrt.

Das MCU wächst nach Endgame unaufhaltsam weiter. Die Infrastruktur ist ohnehin die beste und komplexeste aller Cinematic Universes und für die Konkurrenz kaum noch einholbar. Die Marktmacht des Studios wird nicht abnehmen. Doch wir werden in den nächsten 2 Jahren ein MCU erleben, das Wagnisse eingeht und die Mindestbereitschaft aufbringt, auch mal zu scheitern. Marvel verlässt die Komfortzone, in der es sich viel zu lange eingerollt hat.

Wie gefällt euch der Plan für Phase 4 des Marvel Cinematic Universe?

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