Die Jagd nach dem DLC-Monster im Test zu Evolve

17.02.2015 - 20:00 Uhr
Evolve
2k Games
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2k Games und Turtle Rock Studios fahren dicke Werbe-Geschütze auf: Nach einer spielbaren Alpha und Beta ist die Multiplayer-Jagd namens Evolve nun erhältlich, aber dank DLC-Politik weit weg von "fertig". Ich habe für euch an der wilden Jagd teilgenommen.

Die ältesten und drängendsten Fragen der Menschheit passen in zwei Fragezeichen: Wer sind wir? Und wohin gehen wir? Ein Blick in den Spiegel schlägt in meinem Fall folgende Antwort vor: Ich bin 1,90 m groß, rothaarig und -bärtig, trage gerne und oft Kapuzenpullover, Marke egal. Regelmäßig habe ich vom Spülen kleinere Schnittwunden an den Fingern und verlaufe mich in fremden Städten noch direkt am Hauptbahnhof.

Kaum zu glauben, dass ich — wie übrigens ihr alle auch — in unserer DNA das Preisschildchen "Homo Sapiens" trage, das uns als Gewinner der Evolution auszeichnet: Wir haben vor Millionen Jahren zuletzt dem Neandertaler bewiesen, dass wir nach etlichen totgewürgten Mammuts und Säbelzahntigern den ersten Platz des Überlebenskampfes verdient haben.

Mehr: Mit unserem Guide nie wieder sterben in Evolve! Also, fast nie wieder.  

Evolve , das neueste Spiel aus den talentierten Händen von Turtle Rock Studios, ist also wie für uns gemacht: Vier Jäger machen sich auf die Suche nach einem Monster, das sich irgendwo auf der Spielwiese des Planeten Shaer versteckt und allmählich immer mächtiger wird. Verloren hat, wer zuerst stirbt. Dieses grundlegende Konzept, das im Detail noch einige Finessen bietet, möchte unseren natürlichen, über Millionen Jahre gefestigten Jagdtrieb ansprechen — doch dieser scheint in tiefen Winterschlaf verfallen zu sein, denn seit Release schlagen Spieler weltweit nicht triumphierend Speere an Schilde, sondern ihre Hände über dem Kopf zusammen.

Blaue Flecken im Fünferpack

Das liegt allerdings zu unserer Verteidigung auch daran, dass sich seit der prähistorischen Jagd einiges getan hat: Vier verschiedene Jägerklassen, die ihrerseits je drei verschiedene Charaktere bieten, pirschen durch die digitale Prärie. Auf der Seite des Monsters dürft ihr aktuell in der Haut von drei verschiedenen Monstern durch das Gebüsch schleichen und eifrig kleinere Wildtiere fressen, um euch in bester Pokémon-Manier bis Stufe 3 weiterzuentwickeln. Die Jäger hingegen werden von den kleineren Tieren lediglich abgelenkt und im schlimmsten Fall verspeist. So löste sich in meinen ersten Evolve-Runden das komplette Jägerteam bereits nach mehreren Metern gänzlich auf, nachdem wir in die wilde Flora und Faune von Shaer vorgedrungen waren.

Wenn ihr das Monster nicht vor Stufe 3 aufspüren könnt, erwartet euch ein harter, harter Kampf.

Nach einigen Runden mehr auf dem Tacho beginne ich und einige meiner zufälligen Mitspieler allmählich, das Spielprinzip besser zu verstehen: Jeder der Jäger besitzt verschiedene Fähigkeiten, die von Giftgranaten über Schallsensoren bis hin zu mobilen Geschütztürmen und Luftangriffen reicht. Diese müssen möglichst gewinnbringend eingesetzt werden, sobald das Monster idealerweise vor der überstarken Stufe 3 eingekesselt und unter Beschuss genommen werden kann.

Als Monster hingegen ist je nach gewählter Rasse die Spielweise immer ein wenig unterschiedlich, läuft aber im Grunde auf das gleiche Muster hinaus: Rennen, verstecken, fressen, Stufe 2. Rennen, verstecken, fressen, Stufe 3, Jäger-Nacken klatschen. Und tatsächlich ist es für die Jäger extrem schwierig, diesen Ablauf zu durchbrechen: Evolve bietet viel Potenzial für spannende Verfolgungen und kurze, schnelle Gefechte, bis sich das Monster wieder von der Gruppe lösen kann — in Wirklichkeit aber ist das Urvieh wortwörtlich immer ein paar Schritte voraus. Die wilde Jagd verkommt zum Ententanz. Doch dafür kann man den Entwicklern kaum die Schuld geben, richtig? Das stimmt, so bieten sie uns Spielern doch in großzügigem Ausmaß die Werkzeuge, die wir zur Spielspaß-Bastelei brauchen. Doch ein wesentliches Feature, das meiner Meinung nach die Freude zu Boden ringt, geht auf die Kappe von Turtle Rock Studios: Freischaltbare Inhalte, kurz: Unlockables.

Freiheit? Lieber Freischaltbares!

Kurz nach der Ankündigung von Evolve hagelte es reichlich Vergleiche mit dem ehemaligen Koop-Shooter Giganten Left 4 Dead 2  auf internationale Überschriftenzeilen: Und der Vergleich liegt nicht einmal besonders fern, so steckt hinter beiden Spielen das Team von Turtle Rock Studios. Doch heute, Monate nach dem ersten spielbaren Material, ist der illusorische Schleier von den Spieleraugen gefallen: Evolve erinnert mehr an Titanfall  als an den Zombie-Shooter und demonstriert diese Tatsache durch die Unmengen freischaltbarer Gadgets, Charaktere und Fähigkeiten, die offenbar aus AAA-Spielen nicht mehr wegzudenken sind.

Was in der Theorie für Motivation und stetige Erfolgserlebnisse sorgen soll, verursacht in der Praxis eine spielerische Massenkarambolage: Viele Spieler sind so versessen auf die nächste Freischaltung, dass sie kopflos mit der Giftgasgranate um sich werfen, um die begehrten Punkte zu sammeln — das taktisch gesehen eine andere Strategie viel sinnvoller gewesen wäre, geht in der Achievement-Stimmung völlig unter.

Wie in alten Zeiten: Gemeinsam mit Freunden macht die Jagd deutlich mehr Spaß!

Diese Schwächen kann Evolve allerdings überwinden und sein volles Potenzial ausschöpfen, sobald ihr mit euren Freunden gemeinsam auf die Jagd geht: Über Teamspeak könnt ihr einander zur Ordnung brüllen, wenn der Gedanke an die nächste freischaltbare Waffe zu stark werden sollte oder eine gemeinsame Marschroute ausarbeiten. Ja, die Monsterjagd macht mit einem kommunizierenden Team, das weiß, was es tun muss, wirklich Spaß. Fähigkeiten und Charakterklassen greifen ineinander, wie die Fugen eines sorgsam renovierten Altbau-Wohnzimmers und bald stellt sich eine angenehme Atmosphäre ein, die sich irgendwo zwischen LAN-Party und Adrenalinrausch bewegt.

Mehr: Ach Evolve, was soll dieser DLC-Wahnsinn? 

Wer keine Lust auf die einfache Jagd hat, darf sich in den Kampagnen-Modus wagen, der verschiedene Spielmodi aneinanderreiht und etwas Abwechslung zum Kern-Spiel von Evolve bietet — allerdings auch das Balancing der Klassen ordentlich durcheinanderbringt. Ohnehin fehlt dem Spiel das nötige Etwas, um den Sprung in die eSport-Arenen dieser Welt wirklich zu schaffen. Zwar lassen sich krasse Unterschiede in Stärken und Schwächen der einzelnen Klassen noch patchen, doch lässt die Wahl der Monster und Jäger, die ohne Wissen über die Entscheidung des Gegnerteams abläuft, kein strategisches Vorgehen zu. Glück und Zufälle spielen in Evolve ein viel zu große Rolle, während eSportler feste Regeln und gleichbleibende Bedingungen schätzen, um allein spielerisches Können über Sieg und Niederlage entscheiden zu lassen. Das kann in seinem aktuellen Zustand Evolve noch nicht bieten und muss sich mit der Rolle als guter Party-Shooter für Zwischendurch zufrieden geben.

Fazit

Evolve, ich wollte dich mit einem riesigen Feuerwerk abfeiern, Nacht um Nacht deine Server durchforsten und an meinem Spieldauerrekord kratzen, den ich einst mit Left 4 Dead 2 aufgestellt hatte. Stattdessen aber laufe blase ich nur in Luftschlangen, stolpere kopflos durch das hohe Gras, kämpfe mehr mit meinem zufällig zusammengewürfeltem Team als dem oft etwas überstark erscheinenden Monster und frage mich, wie die Welt aussieht, die sich nach dem letzten freischaltbaren Avatar-Bild ausdehnt — die Diskussion und Aufregung rund um die DLC-Flutwelle, die dich begleitet hat, ist schließlich der ultimative Spielspaßdämpfer.

Auf der anderen Seite erinnere ich mich schon jetzt an zahlreiche Momente zurück, in denen ich mit meinen Freunden über Teamspeak gelacht, geweint, gejubelt und geflucht habe. Evolve ist kein Koop-Shooter, sondern ein Freunde-Spiel. Je mehr du von ihnen in deine Lobby locken kannst, desto mehr Potenzial werdet ihr aus der wilden Jagd herauskitzeln können.

Zur Erstellung dieser Review hat uns der Publisher mehrere PC-Keys zur Verfügung gestellt.

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