Die letzte Vorstellung: Der deprimierendste aller Coming-of-Age-Filme

11.09.2018 - 08:50 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Die letzte VorstellungSony
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Kein anderes Werk fängt die erdrückende Melancholie eines Amerikas der Nachkriegszeit so treffend ein wie Die letzte Vorstellung. Peter Bogdanovichs Klassiker ist der wohl deprimierendste Coming-of-Age-Film überhaupt.

Die Kleinstadt Anarene irgendwo in Nord-Texas ist wohl das, was man als verschlafenes Provinznest bezeichnen würde. Wenn die ersten Bilder aus Die letzte Vorstellung erscheinen, wirkt der Schauplatz des Films von Peter Bogdanovich allem voran wie eine Geisterstadt, in der die Seelen des Vergangenen und des Gegenwärtigen immer wieder aufeinander zutreiben. An diesem trostlosen Schauplatz entwirft der Regisseur das Porträt einer Jugend, die auf eine perspektivlose Zukunft zusteuert, während sich die älteren Bewohner unentwegt in eine nostalgische Starre flüchten, um dem Hier und Jetzt zu entgehen. Die letzte Vorstellung ist ein Klassiker der Filmgeschichte und der wohl deprimierendste Coming-of-Age-Film aller Zeiten.

In Die letzte Vorstellung ist das Schwarz-Weiß noch trister als sonst

Die Handlung von Die letzte Vorstellung spielt im Jahr 1951, 20 Jahre vor der Veröffentlichung von Peter Bogdanovichs Film. Mit dem Jahrzehnt hat sich der Regisseur bewusst einen Zeitraum ausgewählt, der ein lethargisches Amerika des pessimistischen Stillstands zeigt. Um seinen großen Vorbildern wie John Ford und Howard Hawkes zu huldigen, drehte der Regisseur seinen Film in Schwarz-Weiß, was in den damaligen 1970er-Jahren eine ungewöhnliche Entscheidung darstellte. Dabei sind die Schwarz-Weiß-Bilder in Die letzte Vorstellung noch trister als sonst. Anstelle eines bloßen Stilmittels spiegeln die verschiedenen Schwarz-, Weiß-, und Grau-Abstufungen in Bogdanovichs Film vielmehr das Innere der Figuren wider, die in der Kleinstadt eher anwesend sind als leben.

Die letzte Vorstellung

Ausgerechnet hier in Anarene, wo den Einwohnern bis auf ein Café, einen Billard-Raum und ein kleines Kino keinerlei Möglichkeiten der Gemeinschaftlichkeit zur Verfügung stehen, widmet sich Bogdanovich denjenigen, die sich ohnehin in einer der schwierigsten Phasen ihres Lebens befinden. Die Hauptfiguren in Die letzte Vorstellung sind Sonny (Timothy Bottoms), Duane (Jeff Bridges) und Jacy (Cybill Shepherd), die nicht mehr weit von ihrem Schulabschluss entfernt sind. Während Sonny und Duane beste Freund sind, ist Jacy das schönste Mädchen der Stadt, die sich im Verlauf des Films als Objekt der Begierde zwischen den beiden Jungs bewegen wird, wobei sie selbst in Gedanken schon wieder bei einem anderen ist.

Die letzte Vorstellung: Sehnsucht, Leidenschaft und Orientierung

In seinem Film ergründet Peter Bogdanovich die Befindlichkeiten der adoleszenten Figuren in erster Linie über ihre Sexualität. In diesem Zusammenhang lässt sich Sonny auf eine Affäre mit der älteren Frau Ruth seines Highschool-Sportlehrers ein, während Duane anfangs mit Jacy zusammen und fest davon überzeugt ist, die Frau fürs Leben gefunden zu haben. Nebenbei richtet Bogdanovich seinen Blick gelegentlich auf die Erwachsenen in Anarene, die allesamt wirken, als seien sie Relikte einer Zeit geworden, die zugleich Trauma-Verarbeitung und bevorstehendes Unglück bedeutet. Das Amerika des Jahres 1951 in Die letzte Vorstellung ist ein Land, das sich noch nicht einmal von den Folgen des Zweiten Weltkriegs erholt hat, während der Koreakrieg zwischen 1950 und 1953 längst Realität geworden ist.

Die letzte Vorstellung

4 Jahre vor der Veröffentlichung von Die letzte Vorstellung schuf Regisseur Mike Nichols mit Die Reifeprüfung bereits ein einflussreiches Meisterwerk, das eine ganze Generation junger Heranwachsender vor dem Übertritt in den nächsten bedeutenden Abschnitt ihres Lebens mit der existenziellen Frage konfrontierte, was denn jetzt überhaupt noch kommen sollte. Peter Bogdanovich geht in dieser Hinsicht noch einen Schritt weiter und zeigt in seinem besonders dunklen Coming-of-Age-Film eine Bevölkerung, in der Sehnsucht, Leidenschaft und Orientierung an den Klippen des Nachkriegsamerikas zerschellen. Besonders intensiv schimmert die melancholische Stimmung von Die letzte Vorstellung in jener Szene durch, in der Sonny von dem älteren Sam (Ben Johnson) mit zum Fischen an ein Wasserbecken in der Nähe von Anarene genommen wird.

Zu Sam, der von den Jugendlichen auch „der Löwe“ genannt wird, schauen die jungen Figuren des Films auf. Ihm gehören das Café, der Billard-Raum und das Kino, wodurch der ehemalige Cowboy für viele zum Ersatzvater wird. In dem Moment, wo Sam neben Sonny am Wasser sitzt, lässt der Regisseur die vom Leben gegerbte Ausstrahlung des älteren Mannes hingegen auf ein sensibel-verlorenes Mindestmaß schrumpfen. Wehmütig erzählt Sam Sonny von einer Jugenderinnerung, in der er unsterblich in eine 22-Jährige verliebt war, die zum damaligen Zeitpunkt vergeben und unerreichbar für ihn war. Wieder existieren die stärksten Gefühle in Bogdanovichs Film lediglich in einer Zeit, die außerhalb der Schwarz-Weiß-Bilder lange verblasst ist.

Die letzte Vorstellung

Die letzte Vorstellung: Aussterbende Kinos führen in eine pessimistische Zukunft

Auch wenn sich in Die letzte Vorstellung ein handfester Streit zwischen besten Freunden schließlich doch noch in ruhiger Versöhnung auflösen kann, führt Peter Bogdanovich seine Figuren in eine ungewisse Zukunft, die überwiegend Ratlosigkeit, Frustration und Einsamkeit hervorbringen dürfte. Ähnlich wie die Szene, in der Jacy bei einer Poolparty am Beckenrand steht und nur zögerlich all ihre Kleider auszieht, bevor sie zu den anderen Nackten ins Wasser springt, steht der Film selbst ständig an diesem Beckenrand, ohne den entscheidenden Sprung wagen zu können.

Gegen Ende finden sich die Figuren zur titelgebenden letzten Vorstellung im Kino ein, nachdem Sam der Löwe wie aus dem Nichts schon lange davor an einem Herzschlag gestorben ist. Ein letztes Mal sehen sie sich den Howard Hawks-Western Red River an, bevor das Kino aufgrund der stetigen Ausbreitung des Fernsehens geschlossen werden muss und als aussterbendes Symbol in eine pessimistische Zukunft führt. Selbst die letzte Szene, in der sich die Hände von Sonny und der verbitterten Ruth noch einmal zärtlich berühren, wird von Bogdanovich im selben Moment mit einem Blick auf das ausgestorbene Anarene überblendet, in dem die Klänge der Country-Songs von Hank Williams kaum noch zu hören sind.

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