Die neue Abhängigkeit der Indie-Spiele

14.01.2015 - 15:00 Uhr
Von Verlockungen und Zwängen
Yacht Club Games
Von Verlockungen und Zwängen
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Eigentlich sollen Indie-Spiele dafür sorgen, dass innovative Spielideen auch abseits der großen Studios eine Chance erhalten. Doch immer öfter stehen andere Dinge im Mittelpunkt unabhängiger Produktionen. Wie unabhängig sind Indie-Spiele eigentlich noch?

Die Entwicklung von Videospielen ist ein komplexer Prozess, der sich aus verschiedenen Aspekten zusammensetzt. Das fertige Produkt entsteht sowohl aus kreativen, handwerklichen als auch wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen. Eine gute Konzeptidee reicht nämlich nicht aus, denn ohne das nötige Know-How und die entsprechenden finanziellen Mittel lässt sich ein Projekt nur sehr schwer verwirklichen.

Aufgrund dieser Anatomie von Videospielen hat sich die Industrie auf eine Methode geeinigt, die das kreative Potenzial der Entwicklerstudios mit der monetären Schlagkraft großer Publisher zusammenbringt. Das hat sich oft bewährt, führt aber leider auch dazu, dass Innovationen und experimentelle Ideen als Risikomaterial eingestuft werden und von den Geldgebern, mit Blick auf den breiten Markt, aus wirtschaftlichen Gründen abgetötet werden.

Eine Möglichkeit sich dieser Einflussnahme als Entwickler zu entziehen, ist der Versuch sich unabhängig zu machen und mit einfachen Mitteln sowie digitaler Vertriebswege in der Branche zu behaupten. Der allgemeine Trend zum Online-Shopping und bequeme Angebote wie Steam haben im letzten Jahrzehnt dazu geführt, dass Videospiele wie selbstverständlich von zu Hause aus gekauft werden. Die hohen Presskosten der CDs fielen damit weg und in Verbindung mit den unzähligen Tools, die die eigentliche Entwicklerarbeit vereinfachten, wuchsen die kleinen Achtungserfolge von Indie-Spielen in den letzten Jahren zu einem regelrechten Hype heran. Nicht nur die Masse unabhängiger Veröffentlichungen nahm zu, auch die tradierte Konkurrenz der AAA-Titel kam durch Phänomene wie Minecraft in Schlagdistanz.

Minecraft überflügelt selbst die großen Titel

Die romantische Sichtweise der Fans ist eindeutig: Indie-Spiele sind in der Regel innovativer, besitzen mehr erzählerische Tiefe und sind zudem fast befreit von unverhältnismäßigen finanziellen Interessen. Schon längst sind Indie-Spiele keine Randerscheinung mehr, sondern sind mittlerweile, zu einem gewissen Maß, fester Bestandteil des Mainstreams.

Mit der ID@Xbox -Initiative treibt Microsoft die Rekrutierung von unabhängigen Entwicklern voran, die ihre Spiele (Below, Ori and the Blind Forest) auf der Xbox-Familie veröffentlichen und somit neue Kaufargumente schaffen. Auch Sony praktiziert dies beispielsweise mit den Entwicklern von Thatgamecompany (Flower, Journey) schon länger. Indie-Titel existieren nicht mehr nur parallel, es gibt immer mehr Wechselbeziehungen mit der klassischen Industrie, deren Antithese Indie-Spiele eigentlich sein wollen.

Gruppenzwang und fremde Federn

Doch sind Indie-Spiele wirklich so unabhängig, wie wir das oftmals annehmen? Reicht es aus, sich dem goldenen Käfig der Publisher zu entziehen? Die Unabhängigkeit bezieht sich in der nüchternen Definition nur auf den wirtschaftlichen Aspekt, aus dem dann möglicherweise kreative Freiheiten erwachsen. Aber selbst diese Freiheiten sind nicht endlos, denn auch Indie-Titel sehen sich Erwartungshaltungen ausgesetzt, von stilistischen Zeitgeistern ganz zu schweigen.

Egal, ob es nun 8-Bit- und 16-Bit-Optiken wie Terraria und Starbound, NES-orientierte Platformer wie Shovel Knight und Super Meat Boy oder knochenharte Roguelikes wie Rogue Legacy und Don't Starve sind – Ästhetik wie auch Gameplay sind gegenwärtigen Konventionen unterworfen. Der Erfolg von Minecraft signalisiert beispielsweise den Bedarf an komplexen Craftingsystemen, Limbo hingegen forciert eine melancholische Atmosphäre. Beide Elemente sind seitdem verstärkt bei der jüngeren Konkurrenz zu finden.

Auch unabhängige Entwickler sehen sich Trends und erfolgreichen Konzepten gegenüber, die zwangsläufig die eigene kreative Arbeit beeinflussen. Immerhin erreicht die Szene trotz des quantitativen Wachstums nur bedingt inhaltliche Vielfalt. Das liegt auch zum Teil daran, dass die neuen Methoden der Finanzierung ebenfalls Einschränkungen unterworfen sind.

Wer beispielsweise auf Kickstarter erfolgreich sein möchte, fährt am besten mit Retro-Grafiken und Spielkonzepten, die das Herz auf nostalgische Art und Weise ansprechen. Zudem baut sich auch hier ein wirtschaftlicher Druck auf, der teilweise noch stärker wirkt als bei einem Publisher. Denn wer in aller Öffentlichkeit mit dem Projekt scheitert, braucht sich für das nächste Spiel keine allzu großen Hoffnungen auf Unterstützung durch die Community machen.

Child of Light steht im krassen Kontrast zu den restlichen Ubiosoft-Projekten

Zudem wird der grundsätzlich positive Ruf, den sich die Indie-Szene erarbeitet hat, immer öfter instrumentalisiert. Wie oben bereits erwähnt, bedienen sich Microsoft und Sony der sympathischen Außenwirkung von Indie-Spielen und stellen sich ebenfalls als vermeintlich progressiv und innovativ dar. Große Publisher wie Ubisoft geben sogar Projekte in Auftrag, die sich eindeutig an dem vagen Stil von unabhängigen Produktionen orientieren. Child of Light bietet beispielsweise eine auffällige Aquarell-Optik, bleibt aber hinter der Erscheinung, vor allen in erzählerischer Hinsicht, blutleer. Obwohl ein großes Budget und viele Entwickler hinter dem Projekt stehen, suggeriert Child of Light oberflächlich eine Indie-Attitüde, die wohl mehr dem Image als dem Geldbeutel von Ubisoft zuarbeiten soll.

Indie-Spiele haben sich zwar von tradierten Finanzierungsmethoden lösen können, bleiben aber weiterhin den Gepflogenheiten der Branche ausgesetzt. Sobald die Arbeit produktorientierter wird und aus dem Hobby eine berufliche Perspektive entsteht, sind auch unabhängige Entwickler kreativen sowie wirtschaftlichen Zwängen unterworfen. Desweiteren wird die Szene bereits von der klassischen Industrie assimiliert und die einstmals klaren Abgrenzungen verwischen zusehends.

Das ist kein Abgesang auf die inhaltliche Wertigkeit von Indie-Spielen, denn auch trotz dieser Entwicklung entstehen hier viele neue Impulse. Aber die nächste Welle der Indie-Entwickler muss sich mit diesem Status quo auseinandersetzen und die eigene Unabhängigkeit vielleicht wieder etwas stärker hinterfragen, anstatt sie allein auf die überwundene An-die-Hand-Nahme durch Publisher zu reduzieren.

Wie seht ihr den gegenwärtigen Stand der Indie-Szene?

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