Die neue Netflix-Regel für Haushalte ergibt überhaupt keinen Sinn und macht mich einfach nur wütend

08.06.2023 - 15:00 UhrVor 11 Monaten aktualisiert
Netflix schadet mit der Haushalte-Regelung letztlich auch sich selbst
Netflix
Netflix schadet mit der Haushalte-Regelung letztlich auch sich selbst
0
4
Bei Netflix ist nur noch ein Haushalt erlaubt, so lautet die grobe neue Regelung. Damit wird der Streaming-Dienst nicht nur teurer. Er untergräbt seine größte Stärke.

"Unbegrenzter Zugang zu werbefreien Filmen, Serien und Mobile Games" – so beschreibt Netflix die Vorzüge seines Premium-Abos, die teuerste Angebots-Stufe der Streaming-Plattform. Vier Personen können hier auf vier verschiedenen Geräten individuelle Profile anlegen und gleichzeitig Filme streamen. Das Problem: Ganz so "unbegrenzt" ist der Zugang seit kurzem nicht mehr.

Was genau hat Netflix geändert? Netflix setzt seit Ende Mai in Deutschland eine strengere Regelung zum Passwortteilen durch. Das Unternehmen hatte die Weitergabe von Zugangsdaten nie erlaubt, aber lange gebilligt. Damit ist es vorbei. Ihr seid von der Änderung betroffen, wenn ihr das Premium-Abo oder das Standard-Abo von Netflix nutzt und nicht mit der Person in einem Haushalt lebt, die jeden Monat die Mitgliedsbeiträge an Netflix überweist. Wenn ihr das tut, hat Netflix euren Zugang womöglich schon mal blockiert. Wollt ihr nun langfristig ungestört streamen, braucht ihr ein Extra-Konto. Es kostet 4,99 Euro pro Monat, zusätzlich zum Grundpreis von 17,99 Euro.

Einfacher ausgedrückt: Für alle, die sich ihr Konto bislang mit Menschen teilten, die sie zwar gut kennen, die sie aber nicht jeden Tag vor der Badtür treffen, ist Netflix auf einen Schlag teurer geworden. Und komplizierter. Und nerviger.

Warum die Haushalte-Regel von Netflix vollkommen sinnlos ist

Ich bin etwas gereizt, denn ich bin persönlich davon betroffen, die Änderung greift tiefer in mein Netflix-Erlebnis ein als jede zuvor. Ich nutze einen Premium-Account gemeinsam mit meinen drei Geschwistern. Wir wohnen in verschiedenen Städten und dürfen das Konto künftig nicht mehr nach den alten Regeln teilen. Eine anonyme Zweck-WG dürfte es.

Ein großer Teil der Netflix-Nutzenden befand oder befindet sich wahrscheinlich in einer ähnlichen Parasiten-Konstellation in einem 2er- oder 4er-Account. Na klar, warum auch nicht? Es war einfach und es war günstig, es bot sich schlicht an: Einen Account, in dem vier Leute gleichzeitig streamen und vier Profile anlegen können, nutze ich mit vier Leuten, die ich sehr gut kenne. Mit denen ich vielleicht aber nicht (mehr) unter einem Dach wohne. Und wie gesagt: Netflix hatte bislang nichts dagegen, zumindest nicht ausdrücklich.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Externe Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Ich kann schon verstehen, dass das Unternehmen irgendwo eine Grenze ziehen muss. Aber warum unbedingt um ein 60 Quadratmeter-Areal? Wie kann ein Unternehmen, das in den wolkigen Freiheiten des Internets gewachsen ist, auf einer derart starren Haushalts-Definition beharren? Ich verstehe einfach nicht, wieso in der Netflix-Welt zwei gleichzeitig im Abstand von ein paar Metern streamende Personen offenbar so viel üblicher sind als zwei Freund:innen, die ihr Konto parallel in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz nutzen.

Netflix bricht Versprechen und verrät seine DNA

Ein geteilter Haushalt sollte nicht die einzige Bedingung für ein geteiltes Konto sein. Sonst kann sich Netflix das mit den vier gleichzeitigen Streams gleich sparen. Zumal die Plattform mit der neuen Haushaltsregelung komplizierter wird als eine Steuererklärung. Ihr braucht einen Beweis? So, äh, einfach erklärt Netflix auf seiner Service-Seite  die Technik hinter den nun notwendigen Zusatzkonten:

Ein Zusatzmitglied verfügt über ein eigenes Konto und Passwort. Die Mitgliedschaft wird jedoch von der Person bezahlt, die das Zusatzmitglied zur gemeinsamen Nutzung eingeladen hat. Ihr Abo bestimmt, wie viele Zusatzmitgliedsplätze Sie hinzufügen können.

Also, folgendes Szenario: Ich will an einem Freitagabend meine Lieblingsserie streamen. Ich werde aber gesperrt und komme nicht mehr in meinen Account. Meine acht Stunden gekochte Bolo wird kalt. Dann muss ich den kafkaesken Prozess oben durchstehen. Und erst dann darf ich Selling Sunset weiterschauen. Sofern ich denn so glücklich war und nicht aus meiner einstigen Netflix-Vierergruppe ausgeschieden bin. Denn es sind nur zwei Zusatzkonten erlaubt, also insgesamt drei Haushalte, warum auch immer. Ich habe irgendwie das Gefühl, eine simple Preiserhöhung wäre erträglicher gewesen.

So wird Netflix nicht nur teurer, sondern vor allem ziemlich uncool. Der Witz ist inzwischen alt und ich will ihn hier eigentlich nicht wiederholen. Aber er beschreibt die Wandlung der Plattform einfach zu schön. Dieser Tweet flog Netflix letztens vollkommen zurecht um die Ohren:

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt von Twitter, der den Artikel ergänzt. Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Twitter Inhalte zulassenMehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Frei übersetzt: Liebe bedeutet, ein Passwort zu teilen. Es war ein augenzwinkerndes, vertrauenslehrerhaftes Zwinkern: "Macht ihr mal ;-)" Es tut ja keinem weh, außer einem milliardenschweren Medienunternehmen, das selbstverständlich auf Einnahmen angewiesen ist, ja ja. Aber um seinen Aktienkurs zu stabilisieren, sollte man vielleicht nicht die Kernerfahrung seines Geschäftsmodells aushebeln. Das könnte nach hinten losgehen. Denn Netflix war auch bei wachsender Konkurrenz stets der Streaming-Dienst mit der einfachsten Benutzererfahrung. Das Unternehmen wirft dieses hohe Gut gerade weg.

Sechs Jahre nach dem Tweet oben hat sich Netflix vom Vertrauenslehrer in einen Spielverderber verwandelt. Der Streaming-Dienst hat es geschafft, dass sich Passwortteilen anfühlt wie Falschparken oder Schwarzfahren.

Das könnte dich auch interessieren

Schaue jetzt Stranger Things

Kommentare

Aktuelle News