Die Preisdebatte um The Order: 1886 nervt mich

19.02.2015 - 16:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
The Order: 1886
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The Order: 1886
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Nachdem die angebliche Spielzeit des PS4-Exklusivtitels The Order: 1886 bekannt wurde, hat das Internet laut aufgeschrien. Ich erkläre, warum mich so ein Verhalten in diesem Fall besonders nervt.

Dass das Internet nicht der beste Ort für fundierte Diskussionen ist, dürfte jedem bekannt sein, der über die Startseite seines Browsers hinwegkommt. Sobald es um Videospiele geht, gesellt sich zu blankem Unwissen dann auch noch exzessives Fanboytum, was dazu führt, dass sich Forenthreads und Kommentarbereiche regelmäßig im Kreis drehen. Das ist ganz sicher nichts Neues, das aktuelle Beispiel The Order: 1886  bewegt mich allerdings dazu, die Thematik selbst neu aufzugreifen.

Der Exklusivtitel für die PS4 wurde im vergangenen Jahr angekündigt, sofort fiel das Augenmerk auf die bombastische Grafik, die Spieler (zurecht) skeptisch machte. Nach Eskapaden wie Assassin's Creed Unity  und Watch Dogs , deren Grafikdowngrades schlicht Betrug waren, haben Gaming-Fans allen Grund dazu, nicht blind jedem PR-Trailer zu trauen. Jetzt steht The Order kurz vor dem Release und von einer Abschwächung der grafischen Qualität ist weit und breit nichts zu sehen. Zeit für einen neuen Anlass, wütend zu sein: Die Spielzeit oder viel mehr das Preis-/Leistungs-Verhältnis.

Der Titel kostet bei Release 70 Euro – heutzutage Standard, zumindest auf Konsolen. Der Auslöser für die Wut der Community war Anfang dieser Woche ein YouTuber, der einen kompletten Playthrough des Spiels auf die Videoplattform hochgeladen hat, der nur etwas länger als fünf Stunden  dauert. Damit war für viele potenzielle Käufer klar, dass die Vorbestellung um jeden Preis storniert werden muss. Viel wichtiger war es jedoch, Ready at Dawn, dem Entwickler von The Order: 1886, Beleidigungen an den Kopf zu werfen, sodass dieser sich im Anschluss mehrfach rechtfertigte .

Das zeugt nicht nur von jeder Menge ungezügeltem Temperament, sondern vor allem von Ignoranz, denn wenn jemand keine Schuld an der Preispolitik von The Order: 1886 trägt, dann ist das Ready at Dawn. In den letzten Community-Fragen (hier  und hier ) habe ich bereits erklärt, dass Phänomene wie DLCs und der unfertige Zustand vieler Spiele nur ein Symptom dafür sind, dass hinter großen Projekten kalkulierende Publisher stehen und der Third Person-Shooter macht hier keine Ausnahme. Sony ist es völlig egal, wie lang das Spiel ist. Sony ist es auch egal, dass es nur einen Singleplayer-Modus gibt. Ein NeoGAF-User  hat vor einigen Tagen aus meiner Sicht perfekt zusammengefasst:

Die Preispolitik ist nicht [Ready at Dawn]s Fehler. Sie haben das Spiel gemacht, das sie machen wollten, dann hat Sony ein Preisschild raufgedrückt.

Dieser Zustand sollte eigentlich jedem bekannt sein, schließlich werden Produktionskosten von Spielen immer häufiger offen kommuniziert und sind kein Geheimnis mehr. Wer mehrere Millionen in Spiele steckt, will daraus noch mehr Millionen Gewinn schlagen.

Unabhängig vom Preis stellt die Debatte rund um die Spielzeit für mich noch ein weiteres Problem dar: Wann ist es zum Standard geworden, dass Videospiele nicht kürzer als zehn Stunden sein dürfen? Wann haben Spieler beschlossen, dass es völlig okay ist, AAA-Titel künstlich zu strecken, damit sie nicht als zu kurz zu gelten? In jüngster Vergangenheit haben mich etliche Spiele schon nach den ersten beiden Stunden genervt, weil die Charaktere uninspiriert daherkamen und ich anfangs dazu verdonnert wurde, drei verschiedene Sorten von Wildtieren zu töten, um dann in nerviger Klickarbeit eine neue Tasche aus dem Fell herstellen zu können.

The Order: 1886 hält sich mit solchem Schnickschnack gar nicht erst lange auf und bietet mir stattdessen fünf bis sechs Stunden kompromisslose Unterhaltung, in der mich allein die Handlung motiviert. Keine Rollenspielelemente, keine Wiederholungen, kein Schauplatz-Recycling. Die Bewertung von Spielen sollte nicht davon ausgehen, über welchen Zeitraum hinweg ich unterhalten werde, sondern viel mehr einen Blick auf das das Gesamtwerk werfen.

Die Inbetrachtnahme eines solch mechanischen Faktors degradiert das Medium wieder zum Produkt, tut im Prinzip also genau das Gegenteil von dem, was wir Spieler wollen. Wenn Videospiele als Kunst angesehen werden sollen, dann wird es auch Zeit, sie dementsprechend zu behandeln. Wer ernsthaft mit der Länge (oder eben Kürze) argumentiert und dabei andere Faktoren außer Acht lässt, sollte vielleicht lieber Mikrowellen oder Staubsauger testen. Die unterhalten dann auch mehr als fünf Stunden.

Meinen Test zu The Order: 1886 findet ihr hier. 

Disclaimer: QWER ist eine Kolumne der gamespiloten. Die hier getroffenen Aussagen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der gesamten Redaktion wider, sondern beziehen sich auf den jeweiligen Autor selbst. Erst lesen, dann kommentieren.

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