Als Tearaway vor zwei Jahren für PS Vita erschien, beeindruckte das digitale Papierspiel von Media Molecule vor allem damit, dass es zeigte, zu was der von Gamern stiefmütterlich behandelte Sony-Handheld eigentlich in der Lage ist. Aber obwohl das Jump'n'Run der LittleBigPlanet-Macher Media Molecule die Herzen von Gamern und Kritikern gleichermaßen erobern konnte, blieb der kommerzielle Erfolg aus. Zum Glück bedeutete das nicht das Ende für Atoi und ihre Papierwelt, denn mit Tearaway Unfolded findet eine erweiterte und überarbeitete Version des ehemaligen Vita-Exklusivtitels ihren Weg auf PS4.
Schon der erste Blick auf Tearaway Unfolded macht deutlich, dass es von denselben Entwicklern ist, die uns einst LittleBigPlanet bescherten. Aber wo Sackboys Abenteuer auf Stoff und auf eine an eine Bühne erinnernde 2,5D Präsentation setzt, nutzt Tearaway Unfolded Papier in einer etwas freieren 3D-Welt. Es ist also weniger die Optik und mehr das Spielgefühl, die Atmosphäre und die Liebe zum Detail beider Titel, die deutlich machen, dass sie denselben kreativen Köpfen entsprungen sind.
Die komplette Welt von Tearaway Unfolded besteht aus Papier, sowohl ihre Umgebung als auch ihre Bewohner. Dieser Traum eines jeden Bastlers wird auch in quasi jedem Element des Gameplays aufgegriffen. Das lässt euch nicht nur zeichnen, schneiden, knüllen oder fotografieren, sondern schickt euch auch in den Kampf gegen kleine, kastenartige Faltmonster, die der Welt ihre Farbe rauben und sie mit langweiligen Buchstabenströmen versehen.
Ähnlich wie in der Vita-Version nutzt Tearaway Unfolded alle Möglichkeiten, die der Controller zulässt und bindet auch (völlig optional) die PlayStation Kamera und via App eure mobilen Geräte mit ein. So wird das Licht des Controllers wie eine Taschenlampe verwendet, die wie die Sonne die Welt erblühen lässt, und mit dem Touchpad lasst ihr Atoi (oder ihr männliches Äquivalent Itoa) auf Trommeln springen oder erschafft Windböen, die neue Wege eröffnen.
Die Nutzung des Controllers bleibt dabei kreativ und fügt nach und nach immer mehr Möglichkeiten hinzu, mit dem Gelernten die Welt zu erkunden und zu gestalten. Ein Handgriff kann in einer Situation eine völlig andere Wirkung haben als in der nächsten, was das Gameplay überraschend frisch hält und bis zum Ende es Spiels immer wieder für Neuerungen sorgt.
Während ihr durch die Papierlandschaften wandert (oder auf einem Papierschwein durch sie reitet), sammelt ihr Konfetti ein, mit dem ihr dann ähnlich wie in LittleBigPlanet Gestaltungselemente für eure Heldin kauft. Egal, ob ein neues Paar Augen oder vielleicht eine Blume für's Haar, eure kleine Botin kann nach euren Vorstellungen angepasst werden.
Allerdings muss sich Tearaway Unfolded hier einmal mehr den Vergleich zu LittleBigPlanet gefallen lassen, das in Sachen Customization viel mehr Möglichkeiten bietet. Nicht nur, durch herunterladbare Kostüme, sondern auch durch die Sammelgegenstände im Spiel selbst bietet sich hier ein optischer Mehrwert, der in Tearaway so leider nicht zu finden ist.
Dafür habt ihr immerhin kreativere Möglichkeiten, die Umwelt zu gestalten. Ihr verwendet keine Sticker, sondern zeichnet und bastelt selbst. Sei es nun der Eichhörnchenkönig, der eine neue Krone braucht oder Schmetterlinge, die mit von euch gezeichneten Flügeln durch die Lüfte fliegen, Tearaway Unfolded gibt euch das Handwerkszeug, um euer Erlebnis noch persönlicher zu machen. Und wem das digitale Basteln nicht reicht, der kann sich über 60 Papiervorlagen aus dem Spiel ausdrucken und auch zur analogen Schere greifen.
Kreativität spielt in Tearaway Unfolded eine so große Rolle, dass es unverständlich ist, warum sie nicht in der Lösung von Aufgaben gefragt ist. Hier gibt es nur einen Weg, wie ihr ein Problem angehen könnt und das wird euch auf dem Silberpapiertablett serviert. Es gibt quasi keine Herausfoderungen, egal, ob es um kleine Rätsel oder um Jump'n'Run-Aspekte geht.
Ist das nun wirklich schlecht? Nicht unbedingt. Es kommt schlicht darauf an, was ihr von Tearaway Unfolded erwartet. Schnelligkeit, Geschick und Strategie mögen vielleicht keine Rolle spielen, dafür bietet Tearaway etwas, das nur sehr wenige Spiele bieten: Entspannung.
Ich habe schon lange kein Spiel mehr gespielt, das mich so entspannt hat wie Tearaway Unfolded. Das lag nicht nur am angenehm ruhigen Gameplay, sondern auch an dem stimmungsvollen Soundtrack und dem liebevollem Design. Jedes Papierblatt reagiert auf euch und trägt dazu bei, eine reiche, lebendige und abwechslungsreiche Atmosphäre zu schaffen, die euch vom Anfang bis zum Ende gefangen nimmt.
Obwohl die Handlung sehr simpel ist – Atoi/Itoa muss eine individuelle Nachricht an euch übermitteln – fühlt sie sich dennoch durch die detailverliebte Umsetzung und die vielen quirligen Charaktere ein wenig magisch an. Im Kern ist Tearaway Unfolded wie ein spielbares Pop-up-Buch, das nicht nur Kinder anspricht, sondern auch ältere Spieler mit seiner Unschuld in seinen Bann ziehen kann.
Fazit
Tearaway Unfolded ist ein charmantes und magisches Abenteuer, das hohen Wert auf Kreativität und Individualität legt. Egal, ob ihr auf einem Schwein kleine Kastenkreaturen über den Haufen reitet, Selfies macht, Schneeflocken bastelt oder mit Eichhörnchen plaudert, Tearaway Unfolded ist ein Spiel, das euch zum lächeln bringen will und wird.
Es als PS4-Port zu bezeichnen würde dem liebevoll neu gestalteten Spiel nicht gerecht werden. Allerdings liegt der Vergleich zur PS Vita-Version natürlich nahe. Obwohl die Konsolenversion sehr gut durchdacht ist und als Beispiel für gelungene Adaptionen/Remakes gesehen werden kann, schafft sie es nicht ganz, an den Anfass-Charme des Originals heranzukommen, der Atois Abenteuer so persönlich und unvergesslich macht. Das ist allerdings ein recht kleiner Kritikpunkt an einem sehr guten Spiel, das von Anfang bis Ende Abwechslung bietet und dabei nie an Kreativität und Detailverliebtheit verliert.
Tearaway Unfolded für PS4 wurde uns in Form des Papiermodell-Media-Kits von Sony zur Verfügung gestellt.