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Dingo's Musikecke #7

26.09.2016 - 14:59 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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Dark Fantasy Records, Warner Bros., Sheffield, Cheyenne
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Viel verschenktes Potenzial gibt es in dieser Ausgabe zu bewundern, aber auch ein echtes Meisterwerk und eine spaßige Techno-Party.

Blood on the Dance Floor - Evolution

Jahr: 2012

Genre: Crunkcore

Anspieltipps: Unforgiven, Hollywood Tragedy, Incomplete and All Alone

Nachdem ich zuletzt über ihr Album "Bad Blood" eine durchwegs positive Rezension verfasst habe, möchte ich mich auch der anderen Seite des Schaffens von Blood on the Dance Floor widmen, und somit reviewe ich ihr ein Jahr zuvor erschienenes Werk "Evolution". Ja, das Albumcover ist genau so schlecht wie das des anderen Albums, leider ist es aber nicht genau so gut. Denn diesem Album wohnt inne, was ich auf der Kritik von "Bad Blood" schon angeschnitten habe: während Jayy von Monroe (der rechte) ein geeigneter Leadsänger und passabler Rapper ist - er hat keine außergewöhnliche Stimme, aber sie entspricht der Qualität eines durchschnittlichen Rocksängers - wirkt Dahvie Vanity (der linke) auf den Songs fast wie nachträglich hinzugefügt, was vor Allem daran liegt, dass er nicht nur unterdurchschnittlich gut singt sondern auch ab und an den Takt komplett verpatzt. Beides verbessert sich zwar mit dem Nachfolgealbum "Anthem of the Outcast" enorm, auf "Evolution" jedoch wird die Hälfte der Lieder dadurch leider schwer hörbar.

Beginnen wir bei "Unforgiven". Wie ihr oben vermutlich gelesen habt, der von mir am Meisten empfohlene Anspieltipp des Albums. Das liegt daran, dass das Lied einfach ein Mördertrack ist, der alles hat, was man sich von Popmusik wünscht: er geht extrem ins Ohr, hat einen stampfenden und bombastischen Beat, der selbst einen Skrillex noch harmlos aussehen lässt, und einen Drop nach dem 2. Refrain, den man ohne schlechtes Gewissen als Ohrgasmus bezeichnen kann. Und weil der Song einfach zeigt, warum ich Blood on the Dance Floor so sehr gewünscht habe, dass Dahvie Vanity sich verbessert. Trotzdem gibt es hier schon ein paar Patzer zu hören. Den Einstieg in dem Song macht Von Monroe, der den ersten Teil der ersten Strophe rappt, und es harmoniert einfach wunderbar mit dem Beat. Klar, er ist kein 2Pac, aber er hält locker mit Rap-Rockern wie Fred Durst mit, wobei im gesungenen Refrain noch deutlicher wird, dass er der bessere Vocalist der beiden Bandmitglieder it. Nach seinem Part folgt Vanity und man merkt sofort, dass da jemand am Mikrofon ist, der noch viele Stunden üben sollte; man hört ihn förmlich außer Atem kommen. Da Vanity für die Instrumentals zuständig ist und diese mit Bravour produziert, hätte er es auch nicht nötig gehabt, selbst ans Mikro zu gehen, um etwas zum Projekt beizutragen. Dennoch, auf "Unforgiven" ist das noch kaum stören, da in diesem Song der Beat deutlich dominiert, problematisch wird es dann bei Liedern, in denen der Gesang im Mittelpunkt steht, wie beim ersten Song des Albums, "Rise and Shine", ein sehr gut geschriebener und komponierter Track, welcher als Ballade beginnt und in einem fulminanten Dubstep-Drop endet, welcher dennoch nichts von seiner Emotionalität einbüßt, und ansonsten locker das Highlight des Albums sein könnte. Allerdings kann man hier auch noch darüber hinwegsehen, er singt zwar angestrengt, aber nicht wirklich schief, das Lied kann man sich trotzdem noch gut anhören. Es wird noch deutlich schlimmer. So tun sich auf "Frankenstein + the Bride" neue Abgründe auf (wobei Gastsängerin Haley Rose Vanity in Sachen schlechten Gesangs sogar noch den Rang abläuft), "Revenge Porn" tut sogar richtig weh, sodass man es, spätestens wenn der Refrain einsetzt, kaum mehr aushält, wenn der von Vanity falsch gesungene Ton sogar noch geloopt wird. Beide Lieder sind in ihrer Umsetzung sehr schlecht, wenngleich ich die furiosen und an japanische Eurobeat-Songs erinnernden Beats loben muss, aber wie gesagt, produzieren kann Dahvie Vanity exzellent. Es schmerzt so sehr zu wissen, dass "Evolution" das Potenzial hätte, ein geniales Album zu sein, es aber durch die gesangliche Leistung dermaßen zunichte macht. Trotzdem sind nicht alle der 18 Tracks (davon 4 Skits) misslungen, tatsächlich kann sogar eine Vielzahl an Lieder des Albums komplett überzeugen, beispielsweise der direkt nach dem oben besprochenen rockigen Song "Mercy" oder das ziemlich bombige "Hollywood Tragedy". Vanity trifft jeden Ton und bleibt auf dem Takt, die Stimme ist deutlich leichter, die Melodien und Beats sind gänsehautverdächtig. Nach den ersten paar Liedern, die teilweise grottig interpretiert werden, und schon jegliche Hoffnung auf ein tolles Hörerlebnis nehmen, bricht der Mittelteil mit einer unglaublichen Kraft und Gefälligkeit herein. Und wow, ist da eine Wucht, wie ich es selten gehört habe! Das komplett überproduzierte Elektrostück "Incomplete and All Alone" (in welchem es übrigens um Edward mit den Scherenhänden geht) fetzt selbst die Größen im Genre so dermaßen an die Band, bietet ein richtig hammermäßiges Keyboardsolo und einen absoluten Mega-Refrain, "The Last Dance" ist im Kontrast dazu ein Happy Song mit Guilty Pleasure-Faktor, der richtig Spaß macht . Das darauf folgende Lied "Deja Vu" mischt akkustische Klänge mit Elektronik und macht dies fast noch kunstvoller als Madonna auf ihrem "American Life"-Album, wobei sich der Song von einer Indie-Rockballade bis zu einem vollkommenen Dance-Spektakel wandelt. Vanitys Stimme flattert ebenbürtig neben Von Monroes über das Instrumental, man fragt sich hier wirklich, wie er diese massive Steigerung innerhalb der letzten Viertelstunde vollbracht hat. Der Mann hat sich von Karaoke Party zu professioneller Studioqualität entwickelt. Und gerade, als man meint, versöhnlich, oder gar beeindruckt aus dem Album herauszugehen... endet es wie es beginnt: mit zwei dünn gesungenen Songs, welche von dem durchwegs gelungenen "Loveotomy" und einem Skit getrennt werden.

"Evolution" zeigt das Beste sowie das Schlechteste von BOTDF, und steht und fällt dabei mit der Gesangsleistung von Dahvie Vanity. Dieses Album stellt das Zwischenstück dar zwischen den Alben, die bis zu diesem hier erschienen sind - da gibt es noch ein paar mehr, diese sind jedoch nicht regulär im Handel erschienen, sondern nur über ihre Website zu bestellen, sowie komplett auf YouTube zu finden - und ihren nachfolgenden Werken. Auf den späteren Werken - "Anthem of the Outcast", "Bad Blood" und das neue und laut Ankündigung letzte Album der Band, "Scissors" - schafft es das Duo, harmonisch und rund zu klingen, was in absoluten Überalben resultiert, wenn man sich mit diesem wuchtigen Electro-Rock-Genre anfreunden kann. Die Band hat in dieser Zeit den Sprung von der Amateuerklasse in die Meisterliga geschafft. Und dieses Album ist die Brücke.

PS: Ursprünglich wollte ich dieses Album mit 2 1/2 Sternen bewerten, da es ein unrundes und qualitativ ENORM schwankendes Werk ist. Andererseits liefen die genialen Lieder der CD seit ein paar Tagen in Endlosschleifen. Das führte dazu, dass ich mich mit einigen Nummern anfreunden konnte, die ich zuvor verrissen habe ("Rise and Shine" ist zum Beispiel trotz der unterdurchschnittlichen Gesangsleistung von Vanity ein geniales Lied), und immer wieder etwas in der Review ergänzt hatte, weshalb sie auch Überlänge erreichte. In Anbetracht dieser Lieder erschien mir die niedrige Bewertung etwas hart, also habe ich etwas für mich ungewöhnliches gemacht: ich habe alle Songs einzeln bewertet und kam auf einen Schnitt von 3 1/2 Sterne. Da ich jedoch noch wahnsinnig viel Luft nach oben sehe und einige Tracks sogar kaum anhörbar finde, habe ich auf 3 Sterne abgerundet. Es tut mir leid, dass diese Kritik dermaßen lang wurde, aber ich habe mir selten mit einer Bewertung so dermaßen schwer getan.

PPS: Tja, vor ein paar Tagen haben sich Blood on the Dance Floor getrennt, und planen nach ihrem noch erscheinenden Album "Scissors" (welches jedoch schon auf YouTube zu finden ist) zwei Solokarrieren. Ich müsste die Review nachträglich in die Mitvergangenheitsform setzen... aber bin zu faul.

★★★☆☆


Linkin Park - Hybrid Theory

Jahr: 2000

Genre: Nu-Metal

Anspieltipps: Crawling, One Step Closer, Forgotten

Ich kenne Linkin Park nun schon ziemlich lange, nämlich habe ich sie entdeckt, als sie gerade ihr Album "Minutes to Midnight" veröffentlicht hatten. Seit ich dieses gekauft habe, war ich wahnsinnig großer Fan der Band, hatte alle Alben, einige Compilations und sogar ein Live-Album und hörte viele der Songs auf und ab. Es verwundert mich rückblickend ziemlich, dass ich dermaßen verrückt auf die Gruppe war. Nicht, weil ich sie schlecht fand, sondern weil sie nicht in meinen damaligen Geschmack gepasst hat, da ich zu dieser Zeit für Rock kein Bisschen interessierte. Der Zustand hielt an, bis Linkin Park 2012 ihr Album "Living Things" veröffentlichten. Dieses war für mich eine ziemliche Enttäuschung und konnte mich bis zum heutigen Tag nie wirklich überzeugen. Was mich etwas verwundert, ist, dass ich danach komplett vom LP-Zug abgesprungen bin und die Gruppe in den folgenden Jahren so gut wie gar nicht mehr gehört habe. Ich war weder sauer auf die Band, noch fand ich das Album dermaßen furchtbar, dass mir der musikalische Appetit auf sie vergangen wäre. Irgendwie sind sie bei mir aber doch in der Hintergrund gerückt, auch, wenn ich sie in mehreren Diskussionen über Musik sehr wohlwollend erwähnt habe.

Nun, vor ein paar Wochen wurde die Band im Zuge meiner neuen Musikreview-Reihe in den Kommentaren erwähnt, worauf ich die alten CDs ausgegraben habe. Und ich muss sagen: Linkin Park und ich haben eine innige Liaison gestartet und das Feuer ist neu entflammt. Ich kommentiere darum ihr Debütalbum "Hybrid Theory", welches für viele als ihr Meisterwerk gilt und unter Anderem Hits wie "In the End" und "One Step Closer" enthält. Das Album wird dem Nu-Metal-Genre zugeschrieben, wobei ich wenig Ahnung habe, was genau diesen Stil ausmacht, da ansonsten sowohl Limp Bizkit als auch Evanescence diesem zugerechnet werden, und sich diese für mich an komplett entgegengesetzten Polen des Rockgenres ansiedeln, wobei die hier reviewte Band wohl irgendwo dazwischen liegt. Die Musik, die Linkin Park auf "Hybrid Theory" zum Besten geben, hat in meinen Augen bzw. Ohren jedenfalls neben den harten Metal-Riffs auch einige klare Anleihen aus den Hip-Hop- und Emo-Genres (wobei ich, bevor die spaßbremsende Musikpolizei wieder aktiv wird, einmal klarstellen will, dass ich, wenn ich Emo sage, IMMER von der Variante spreche, die der gleichnamige LIfestyle des 21. Jahrhunderts zelebriert, NICHT von der älteren Musikrichtung Emocore). Die von Weltschmerz und Masochismus, Angst und Paranoia handelnden Texte machen das Album zu einem der mir lyrisch am Meisten imponierenden CDs meiner Sammlung. Leadsänger Chester Bennington schreit sich auf den Tracks die Seele aus dem Leib, über seine Wunden, seine zermürbenden innersten Zerrissenheiten und quälenden Seelenschmerzen. Dabei hat er die ALLERBESTE Screamo-Stimme die es gibt, weil er wirklich der einzige Sänger ist, bei dem mir dieses Stilelement wirklich gefällt. In jedem Kratzen, das durch seine voll und ganz in Schwingung versetzten Stimmbänder erzeugt wird, liegt eine gewisse Verzweiflung, und vor Allem: es klingt harmonisch zur Musik und ist Teil der Melodie, er ist in jedem Moment perfekt zu verstehen und verfällt nie ins Gröhlen. Es ist immer ein Moment absoluter Emotion. "Crawling in my skin" brüllt er, "This wounds they will not heal!" Seine Texte, Darbietung und die gesamte vermittelte Gefühlslage sind die oben von mir angesprochenen Emo-Elemente. Mike Shinoda, der Rapper der Band, fungiert dagegen oftmals als Ich-Erzähler. Er bedient sich anders als sein singender Kollege selten Direktheit und überschäumender Wut, Depression oder Schmerzensschreie. Wenngleich seine Darbietung immer wahnsinnig packend ist, ist er deutlich gefasster und baut auf einen erzählerischen Höhepunkt auf, wobei seine Stimme immer lauter und höher wird (und meist in Benningtons Screamo-Ausbrüchen endet). Wo sich Chester immer unmittelbar an seinen Peiniger richtet, diesen (also uns) anfleht und -schreit, holt Shinoda weiter aus, schildert mit einer dichterischen Beobachtungsgabe, versucht durch seinen Storytelling-Rap ein Ambiente zu schaffen und einen Monolog zu halten: "There’s a place so dark you can’t see the end / Skies cock back and shock that which can’t defend / The rain then sends dripping acidic question / Forcefully, the power of suggestion". Die beiden Komponenten ergänzen sich genial, die Ungezügeltheit Chesters mit der Poesie Shinodas, was von den extrem starken Instrumentalen und Melodien der gesamten Band perfekt untermauert wird. Diese bedienen sich sowohl harten Gitarren und Schlagzeug, als auch Drum Machines, Scratchings oder Soundeffekten, was einen sehr eingängigen, poppigen und richtig geilen Klang erzeugt, der sich quer durch das Album zieht und es aufregend und packend macht.

★★★★★ (5 von 5)


Scooter - Mind the Gap

Jahr: 2004

Genre: Techno

Anspieltipps: One (Always Hardcore), The Chaser, My Eyes are Dry, Jigga Jigga (nur auf Deluxe Edition)

Dass die Technoband Scooter um H.P. Baxxter ziemlich polarisiert ist ja durchaus bekannt, kaum eine Band hat das Genre in den letzten Jahrzehnten derartig kommerzialisiert und sich mit schamlos eingesetzten Samples von Klassikern mehr Feinde unter sogenannten ernsthaften Musikliebhabern gemacht, trotzdem können sie eine große Fangemeinde verzeichnen, die sich oft genau dort findet, wo man sie am Wenigsten erwartet. Scooter ist zwar keine meiner Lieblingsbands, trotzdem besitze ich mit ganzen 12 Alben die zweitmeisten von irgendeinem Musiker (nur geschlagen von Madonna). Warum ist das so? Zum Einen weil sie mir, ähnlich wie bei Linkin Park in der obigen Review, in meiner Kindheit sehr gut gefallen haben, zum Anderen, weil es einfach sehr viele Nummern des Projekts gibt, die einen riesigen Spaßfaktor aufweisen. Ich muss sagen, dass Scooter etwas sehr Individuelles haben, was sich von anderen Vertretern des Technogenres abhebt, der Einsatz von Samples ist zumeist derartig Ungewöhnlich und geschickt, sodass die verwendeten Stellen einen ganz neuen Anstrich bekommen und sich perfekt in das Gesamtkunstwerk des Songs einordnen, dass man hier durchaus von den Kanye Wests des Technos sprechen kann, das ist immer perfekt auf den Punkt produziert, genauso gibt es auch nur einen H.P. Baxxter, der sich durch sein lyrisches Mosaik durch das elektronische, stampfende Dickicht der Beats kämpft wie der Prinz aus Dornröschen. Dagegen wirken andere Genremusiker wie gewöhnliche Durchschnittskost.

"Mind the Gap" gilt als Fan-Favorit und wird ab und an als ihr bestes Album bezeichnet. Zweifelsfrei gehört es zu ihren besten, meinem Geschmack nach wird es noch von "The Ultimate Aural Orgasm", "The Stadium Techno Experience" und "No Time to Chill" geschlagen, die sich um einiges voller, bombastischer und melodischer anhören, was am exzessiven Einsatz von Trance-Synthesizern liegt. Dagegen wirkt "Mind the Gap" oft ziemlich hart elektronisch, so beginnt "All I Wanna Do" mit einem ausgedehnten Drum-and-Bass-Gewitter und ungewöhnlich schnellen Kicks, wie man sie seit ihrer Anfangszeit nicht mehr gehört habe, ehe es im Refrain vollkommen umschlägt und mit hochgepitchten Stimmen, schnellen Piano-Spielereien und einer Spieluhr komplett gegenteilig überfröhlich wird. Auch die Hitsingle "One (Always Hardcore)" funktioniert auf diese Weise, in dem auf eine sehr statische Strophe eine überaus ohrwurmige Hook folgt, wobei diese von Baxxter selbst gesungen wurde. Trotzdem sind die meisten Songs des Albums nicht schablonenhaft, "Jigga Jigga", das Highlight des Albums, leider nicht auf der regulären Version erhalten, erinnert an "The Stadium Techno Experience", und wird wie dieses von melodischen und bombastischen Trance-Sound charakterisiert, ehe es im Refrain komplett stoppt, um ungefiltert ein ruhiges und nur von Streichern begleitetes Enya-Sample einzuspielen. "My Eyes Are Dry" klingt, trotz der alleinigen Verwendung von elektronischen Instrumenten (und Vocals) ziemlich rockig, auf eine Prodigy-artige Weise. "Shake That" basiert auf dem Kulthit "(Shake, Shake, Shake) Shake Your Booty" und hat einen entsprechenden Disco-Sound. Auf dem Instrumental "Trance Atlantic" präsentieren sie nahezu 8 Minuten lang träumerischen Electrosound im titelgebenden Stil, was einen gelungenen Kontrast zur partyhaften Stimmung des resltlichen Albums bietet. Scooter konnten es sich freilich nicht nehmen lassen, die obligatorische Coverversion außerhalb des Technogenres zu veröffentlichen, und so performen sie "Stripped" von Depeche Mode quasi nach Zahlen. Es ist eines der besseren Cover (man denke an das grauenhafte "Summer Wine" oder "Sex Dwarf"), aber trotzdem im Vergleich zum Original nicht unbedingt zu empfehlen. Generell baut das Album nach "Trance Atlantic" etwas ab. Wo "Suavemente" in der Video Version noch ein klasse Track in bester Scooter-Tradition ist, findet sich hier lediglich ein öder Club-Mix, der HP's Strophen vermisst lässt und sich trotz der länge von 3:38 zieht. "The Chaser" ist, ähnlcih wie "Jigga Jogga" ein fantastischer Trance-Song mit mystischen Einlagen, im Stil des Vorgängerslbums, und überzeugt zur Gänze, "The Avenger's Back" stellt leider einen Bruch da, hier versucht sich die Band erstmal im Jumpstyle, was meiner Meinung nach ja ihren Abstieg begründet hat, aber das ist nur meine Meinung. Alles in Allem bietet "Mind the Gap" einige coole Nummern, der den Irrsinn von Scooter perfekt widerspiegelt, und nur wenige Tiefpunkte, wobei selbst diese glimpflich ausfallen und nie wehtun. Es ist einfach ein Album, das bockt und Spaß macht. Und merkt euch: "Life without knowledge is death in disguise".

★★★★☆ (4 von 5)


Tic Tac Toe - Comeback

Jahr: 2006

Genre: Pop-Rap

Anspieltipps: Spiegel, Das ist Lee, Lass los

Auch wenn die Gruppe in Anbetracht der vielen Skandälchen, der plakativen Provokationen und der allgemeinen Poppigkeit ihrer Songs einen polarisierenden Ruf hat, so finde ich, dass Tic Tac Toe doch definitiv ihren Platz in der deutschen Musikgeschichte haben, und auch nicht zu unrecht. Sie gehörten zu den ersten kommerziell erfolgreichen deutschsprachigen Rap-Acts und sprachen in ihrer Musik, wenngleich auf recht reißerische Weise das ein oder andere wichtige Thema an, etwa Drogensucht, Kindesmissbrauch oder Safersex. Dazwischen auch gern mal ein paar sexuell aufreizende oder mit Vulgärsprache hantierende Songs für kleine Kontroversen. Und vor Allem: diese Beats. Die richtig tollen, man kann schon sagen optimalen Beats. Man kann viel meckern, teils auch berechtigt, oder man lässt sich fallen und hat viel Spaß. Neben den 3 Hauptalben der Band, die zwischen 1995 und 2000 erschienen sind, gab es 2006 eine kurzlebige Wiedervereinigung mit einem neuen und wie sich herausstellen sollte letzten Album, namens "Comeback". Nun mag einer denken, dass Jazzy, Ricky und Lee Kinder ihrer Zeit sind und nur in die 90er und ganz frühen 00er Jahre passen. Und was soll ich sagen, das stimmt. Der Gruppe kommt in die Quere, dass Rapper wie Bushido oder Sido inzwischen das deutsche Hip-Hop-Genre revolutioniert und kommerziell um Einiges erfolgreicher gemacht haben. Tic Tac Toe versucht nun, die neuen Rap-Elemente mit altbewährten Bauteilen ihrer 90s-Zeit sowie komplett neuen Experimebten zu kreuzen. So gibt es auf dem Album einige Kuriositäten zu hören: eine dubiose Coverversion von "Hit the Road Jack", die zwar nicht wirklich schlecht ist aber in etwa so deplatziert wie ein Thrash Metal-Song auf einem Kollegah-Album, oder einige Versuche, auf den in ihrer Abwesenheit populär gewordenen Brag-Hip-Hop aufzuspringen, was nicht selten in unfreiwillig komischen Fehlversuchen endet. Alleine die folgenden Zeilen aus dem Song "Tic Tac Toe" sind an Peinlichkeit kaum mehr zu überbieten (die eingeklammerten Stellen sind in der Tat so im Song zu hören und werden im Hintergrund gerufen): "Habt ihr jetzt verstanden (Was?) / Warum die Hits hier landen? (Aaaaahhh...) / Wieso wir wieder rappen (Warum?) / Wir sind nicht wegzudenken! (Achso!) / Wir können nicht anders, setzen die Standards / Noch eleganter, wortgewandter (Aaaiiiight!) / Wir komm'n in den Club, machen Rabatz (Tanzbar!) / In eurer Stadt geh'n alle ab! (Ganz klar!)" - ich glaube, dass mir diese billigen Haus-Maus-Reime oder das teilweise komplette Fehlen derselben nicht einmal so unangenehm aufgefallen wären, würden sie hier nicht mit ihrer lyrischen Gewandtheit protzen. "Tanzkillah" und "After Show" sind richtig peinliche Partynummern, die klingen, als würde eine Gruppe Mütter versuchen, vor ihren Kindern als cool durchzugehen.

Nichtsdestotrotz existieren doch einige Lichtblicke: "Spiegel" ist als Storytelling inszeniert, und spielt in einer Selbsthilfegruppe, wobei Tic Tac Toe viel ernster zu Werke gehen als in früheren Songs, auf "Abgrund" versuchen sie sich an extremster Kritik an Weltpolitik und greifen im großen Stil Klassengesellschaften, Konzerne und den Umgang mit Drittländern an. Es überrascht wenig, dass dieser Song der Einzige ist, den die Band nicht selbst geschrieben hat (neben "Hit the Road Jack"), dennoch ist er als erster Song am Album positioniert. "Das ist Lee" macht dagegen MEGAMÄSSIG Spaß. In diesem Solosong von Lee macht die Rapperin einen auf Slim Shady und liefert andauernd provokante Zeilen und Seitenhiebe auf deutsche Promis, eben ganz wie der gute Eminem in den USA, nur nicht so qualitativ hochwertig, wobei sie hier teils mit recht langen Reimketten aufwartet, wo man sich doch fragt, warum man diese nicht auf "Tic Tac Toe" anwendete, wo es explizit um ihre lyrischen Skills ging. Schade, dass es zum darin angekündigten Soloalbum nie kam, wobei sie mit Abstand die Rapperin mit den besten und meisten Verses ist. Bei "Lass Los" fühlt man sich sofort in die 90er gebeamt, als über einen verstorbenen Freund gerappt wird. Ist der erste Eindruck noch, dass es einer ihrer altbekannten melodramatischen und überzogenen deepen Songs a la "Warum?" werden würde, welche die Gruppe gewiss auch ausmachen, erreicht das Lied neue Dimensionen, als Lee auftritt. Wenn man weiß, dass ihr Mann Selbstmord beging, sieht man ihren Verse ganz anders, und auch ihr Heulkrampf in der Mitte der Strophe wirkt plötzlich nicht mehr wie ein überkitschtes Stilmittel, sondern durchaus echt. Wobei es der technisch beste Song ihrer ganzen Karriere ist. Der nächste Track "Brief" rechnet mit der Familie Lees ab, es hört sich wesentlich aufrichtiger an als der vorangegangene Track, wobei ich nicht weiß, wie authentisch die Darstellung ist, welche sowohl vorwurfs- als auch respektvoll gehalten ist.

Wir kennen die Prozedur ja schon von der ersten Review dieses Konvoluts: das Album hat einige Highlights, welche wirklich sehr gelungen sind, und Fans der Band einen wunderbaren Abschied beschert hätten, während andere Lieder vollkommen deplatziert wirken und man sich richtig unwohl dabei fühlt, dass diese Gruppe sich dorthin verirrt hat - Tic Tac Toe waren weder Bushido noch Ray Charles und hätten sich auch nie dafür ausgeben sollen. Denn am Besten ist Tic Tac Toe eben als Tic Tac Toe - ein für die deutsche Pop- und Rapgeschichte nicht unwichtiges und einzigartiges Projekt.

★★★☆☆ (3 von 5)


Some & Any - First Shot

Jahr: 2009

Genre: Pop

Anspieltipps: -

Ich habe mir früher überaus gerne die deutsche Castingshow Popstars angesehen, wobei ich nachwievor finde, dass bei dieser Sendung, anders als bei Deutschland sucht den Superstar, ab und an ganz brauchbare Popmusik herauskam, beispielsweise Monrose oder die No Angels. Sie sind keine musikalischen Highlights, konnten aber doch einige Ohrwürmer verbuchen, waren gut produziert und hatten tatsächlich talentierte Sängerinnen. Klar haben diese Bands nicht das Format der Sugababes oder der Spice Girls, aber sind doch noch recht angenehm und spaßig. Offenbar hat man sich da noch etwas Mühe gegeben, immerhin hatten beiden Gruppen auch mehrere Alben und ein paar Jahre Erfolg, da lohnt es sich auch mal, sich wenigstens ein Bisschen Zeit mit der Produktion zu lassen. In den letzten Staffeln der Show, die sich offensichtlich schon am absteigenden Ast befanden, wurden die Alben der Gewinner aber regelrecht HINGESCHISSEN. Teilweise wurden sie noch WÄHREND des laufenden Castings veröffentlicht (in unterschiedlichen Ausführungen mit unterschiedlichen Bandmitgliedern), ab und an eine Woche danach. Die Alben klangen billig gemacht und einfallslos; es war absolut kein Wunder, dass sich schlecht verkauften und sich die Siegerbands sofort danach auflösten. Mir tun ja die Kandidaten leid. Anders als DSDS hat Popstars nämlich wirklich Bands hervorgebracht, die es zu etwas gebracht haben, weshalb die Hoffnungen, durch die Show den Durchbruch zu schaffen, gar nicht so weit hergeholt waren.

Das Schlechteste, das die Sendung geschaffen hat, war allerdings "First Shot" von Some & Any, die Sieger von 2009, und deren einziges Album. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich das einzige Siegerduo, bestehend aus den TeilnehmerInnen Leo und Vanessa. Bereits während der Show wurden die Kandidaten in Duos eingeteilt, die nur zu zweit oder gar nicht weiterkommen konnten. Das mag für die Sendung dramaturgisch sicher um einiges spannender gewesen sein, ist aber für die Musik letztlich ein Spiel mit dem Feuer. Denn nun bestand keine Garantie mehr, dass die besten 2 im Finale stehen, ein talentierter oder charismatischer Kandidat konnte einen untalentierteren mit sich in den Sieg ziehen. Und genauso ist es eingetroffen: Leo kann recht gut singen, ein RnB-Sänger eben, doch Vanessa zeigt sich, bei aller Sympathie, durchgehend komplett überfordert mit den sehr einfachen Arrangements, sobald sie die Stimme nur etwas erheben muss; man fragt sich, wie sie so weit kommen konnte. Das Ganze fällt insbesondere auf, als dass die Songs außer den Gesang GAR NICHTS bieten. Dahvie Vanity hat dasselbe Problem wie Vanessa, aber weil die Musik mit Leidenschaft und Kreativität aufwarten kann, fällt es weniger ins Gewicht. "First Shot" hingegen wurde lieblos produziert, greift auf einfachste Kniffe zurück, klingt hörbar billig und ist so schnell vergessen wie gehört. Es erschien eine Wiche nach der Verkündung der Sieger, wurde kein Bisschen auf deren Fähigkeiten abgestimmt und so wie es klingt ungefiltert nach dem ersten Take auf die CD gepackt. Das Album bietet keine herausstechenden positiven Eigenschaften, einige negative und bestenfalls neutrale, und ist für mich somit leider ein Totalausfall.

★☆☆☆☆ (1 von 5)

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