Doctor Strange 2-Regisseur Sam Raimi über den organisatorischen Albtraum, einen Marvel-Film zu drehen

30.04.2022 - 10:00 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Doctor Strange in the Multiverse of MadnessDisney
2
4
Mit seiner Spider-Man-Trilogie löste Sam Raimi den Hype um Comic-Verfilmungen aus. Mit Doctor Strange 2 ist er jetzt im MCU angekommen – und hat mit uns über stressige Drehs und den Wunsch nach Spider-Man 4 gesprochen.

Sam Raimi ist eine Legende. Mit der Tanz der Teufel-Reihe etablierte er sich in den 80er-Jahren als Kultregisseur ungewöhnlicher Horrorfilme. Mit seiner Spider-Man-Trilogie schaffte er Anfang der 2000er dann endgültig den Durchbruch und ließ bereits erahnen, dass Comicbuch-Verfilmungen die Zukunft des Mainstream-Kinos werden könnten. Wie groß die Marvel-Maschinerie irgendwann werden würde, konnte sich damals aber noch niemand vorstellen.

"Brückenbauer" im MCU: Sam Raimi über den sehr speziellen Job eines Marvel-Regisseurs

Aus großer Kraft folgt große Verantwortung gilt mittlerweile nicht mehr nur für Spider-Man, sondern auch für einen MCU-Regisseur. Und das musste Raimi beim Dreh zu Doctor Strange in the Multiverse of Madness am eigenen Leib erfahren. Mit uns hat er über die komplizierte Produktion des Films gesprochen, der ab dem 4. Mai 2022 in deutschen Kinos zu sehen ist. Und über einen Wunsch, der nicht nur Fans, sondern auch der Regisseur selbst umtreibt: Spider-Man 4.

Schaut den Trailer zu Doctor Strange 2

Doctor Strange in the Multiverse of Madness - Trailer (Deutsch) HD
Abspielen

Moviepilot: Marvel-Filme sind durch das MCU mittlerweile Teil einer größeren Erzählung. Bedeutet das, dass du auch als Regisseur an Doctor Strange 2 ganz anders herangehen musstest als an Spider-Man?

Sam Raimi: Es ist auf jeden Fall anders. Der wichtigste Job des Filmemachers ist es nicht länger, etwas Unerwartetes zu machen, das Publikum durchzuschütteln oder an einen Ort zu bringen, an dem sie vorher noch nie waren. Der Job ist es, diese Charaktere, deren Geschichten und den Respekt, den das Publikum vor ihnen hat, zu nehmen, und sie ausgehend von ihrem letzten Standort an einen neuen Punkt zu bringen, von dem aus der nächste Geschichtenerzähler weitermachen kann. Das Publikum soll schließlich Lust darauf haben, auch den nächsten Teil zu sehen.

Das klingt, als müsste man als Regisseur mehr an das große Ganze als die eigene Vision denken.

Das stimmt. Es geht darum, das eigene Ego zu unterdrücken. Es ist, als würden sie dich mit einem Helikopter auf einer halbfertigen Brücke über dem Fluss absetzen. Dein Job ist es, die nächsten 15 Meter der Brücke zu bauen. Einfach nur geradeaus bis zum nächsten Ufer. Du musst wissen, mit welchem Material der Brückenbauer vor dir gearbeitet hat und ähnliches Material verwenden. Du musst wissen, wie viel Gewicht diese Brücke tragen kann und wofür sie genutzt werden soll. Und du musst sie so zurücklassen, dass der Auftragnehmer nach dir den nächsten Teil der Brücke bauen kann. Das ist ein sehr spezieller Job.

Wie stellst du da sicher, dass ein Film trotzdem deine Handschrift trägt?

Indem ich all die kleinen Aufgaben, die in so einer Art Film stecken, verstehe und sie so gut mache, wie es mir möglich ist. Und hoffentlich bin ich darin besser als die Person, die vor mir kam, und die, die nach mir kommen. Meiner soll der beste Teil der Brücke sein – selbst wenn alle Teile aus dem gleichen Material gemacht sind.

Stolz und Ego: Sam Raimi sieht Parallelen zwischen sich und Doctor Strange

Doctor Strange 2

Was hat dich an Doctor Strange 2 als Film und ihm als Charakter gereizt?

Ich mochte Doctor Strange als Comicbuch-Charakter schon als Kind. Er war nicht mein Favorit, das ist Spider-Man. Er war nicht mal mein zweit- oder drittliebster Charakter. Ich glaube, für mich war er so auf Platz 4 oder 5. Aber ich fand es immer interessant, dass es da einen sehr mysteriösen Mann gab, der uns vor düsterer, kosmischer Magie gerettet hat, die unser Universum bedroht. Es war ein bisschen schwieriger, sich mit ihm zu identifizieren, weil er ein bisschen kalt ist, ein bisschen egoistisch, ein bisschen pompös. Diese Teile seiner Persönlichkeit mochte ich erst später, weil sie nicht direkt anziehend oder positiv sind. Aber wenn man ihn mit anderen Charakteren zusammenbringt, führt das zu spannenden Situationen.

Ich finde es interessant, dass du Filme über zwei so unterschiedliche Marvel-Charaktere gemacht machst. Spider-Man ist selbstlos, er will anderen Menschen helfen und muss dabei erwachsen werden. Doctor Strange hingegen ist dieser etwas selbstherrliche hochdekorierte Doktor, der erst lernen muss, nicht nur an sich selbst zu denken.

Das ist es auch, was dieses Pantheon an Marvel-Charakteren so interessant macht. Sie sind nicht alle gleich. Das sind echte Menschen mit unterschiedlichen Kräften und unterschiedlichen Problemen. Doctor Strange ist ein erwachsenerer Charakter, der aus einer anderen Position heraus als Spider-Man daran arbeiten muss, ein besserer Mensch zu werden. Er ist für mich jetzt besonders interessant, weil auch ich ein älterer Mann bin, der ein gewisses Maß an Stolz und Ego entwickelt hat, das er beiseite schieben muss, um ein besserer Mensch zu werden. Ich bin schon erwachsen geworden. Jetzt habe ich andere Probleme.

Der Dreh zu Doctor Strange 2 war kompliziert – wegen WandaVision und No Way Home

Wanda wird als Scarlet Witch die BÖSE, White Visions Schickal und Doctor Strange 2
Abspielen

Wie sah deine Recherche, deine Herangehensweise zur Vorbereitung auf den Film aus?

Für mich war die besondere und einzigartige Herausforderung, erstmal zu verstehen, wo sich diese ganzen anderen Figuren im Marvel-Universum gerade befinden. Wie war das nach Thanos und dem Fünfjahres-"Blip"? Ich wusste nicht, was der "Blip" überhaupt ist! Ich musste zurück in die Comicbuch-Schule und habe viele Marvel-Filme geguckt, die ich vorher noch nicht gesehen hatte – oder zumindest Ausschnitte. Aber das war nicht die einzige Schwierigkeit. Während wir schon gedreht haben, wurde WandaVision noch geschrieben. Andere Filme wie Spider-Man: No Way Home wurden auch gerade erst gedreht.

Ich wurde also während ich schon am Film gearbeitet habe, regelmäßig dazu geupdatet, was gerade mit Wanda passiert. Während des Drehs habe ich erst erfahren, was Doctor Strange überhaupt über das Multiverse weiß. Wir mussten ja darauf achten, dass wir nicht filmen, wie Benedict Cumberbatch gerade etwas über das Multiverse lernt, was er nach Spider-Man: No Way Home schon längst wissen müsste.

Also gab es einen permanenten Austausch zwischen dir und anderen Verantwortlichen, von wegen: “Das müssen wir dem Publikum nicht mehr zeigen, und das wiederum müsst ihr nicht zeigen, das erzählen wir denen dann”?

Absolut. Michael Waldron [der Drehbuchautor von Doctor Strange 2] hat oft seinen Bekannten bei WandaVision angerufen und wollte zum Beispiel wissen: “Moment, wie funktioniert das Darkhold, dieses schreckliche Buch?” Oder ich habe mit dem Regisseur von No Way Home gesprochen und gefragt: “An was genau erinnert sich Stephen Strange nach No Way Home bezüglich des Multiversums? Kannst du mir das ganz genau aufschlüsseln?” Es gab sehr viele solcher Unterhaltungen, damit das wirklich alles ineinandergreift.

Spider-Man 4? An Sam Raimi würde es nicht scheitern

Spider-Man und Doctor Strange

Apropos No Way Home: Wie hat es sich für dich angefühlt zu sehen, wie sehr sich die Leute über das Auftauchen von deinem und Tobey Maguires Spider-Man gefreut haben?

Ich habe mich geehrt gefühlt. Auch, dass etwas von mir überhaupt Teil des Films war. Ich habe Gänsehaut gekriegt, als Tobey auf der Kinoleinwand aufgetaucht ist und genau so laut gefeiert wie der Rest des Publikums. Die kreative Energie von über einem Jahrzehnt ist in die Filmversionen dieser Stan Lee-Charaktere geflossen. Was Details an den Kostümen angeht, über das Schauspiel zum Schnitt und Sound … Es fühlt sich an, als wären gute Freunde von dir vor 15 Jahren gestorben und jetzt wieder für einen kurzen Moment lebendig geworden. Du hattest die Chance, mit ihnen einen Nachmittag zu verbringen. Deswegen ist das für mich ein sehr emotionales Thema.

Gibt es eine Geschichte, die du mit “deinem” Spider-Man noch gerne erzählen würdest?

Ich arbeite gerne mit Tobey und ich glaube, er arbeitet auch gerne mit mir. Gerade gibt es keine Pläne in die Richtung, weil sie diese anderen Spider-Man-Reihen am Laufen haben. Aber das liegt nicht an mir. Das müssen die Leute bei Columbia Pictures und Marvel entscheiden.

Doctor Strange 2 startet am 4. Mai 2022 in den deutschen Kinos.

*Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.

Wollt ihr noch mehr Marvel-Filme von Sam Raimi sehen?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News