Durchschnittsware zum Davonfahren im Test zu Mad Max

03.09.2015 - 09:51 Uhr
Mad Max
Warner Bros.
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Max Mad Max tritt unfreiwillig in die Fußstapfen des Kassenschlagers Mad Max: Fury Road — doch auch ohne den direkten Vergleich ertrinkt das Spiel in beängstigender Durchschnittlichkeit.

Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, Stunde um Stunde in der befahrbaren Ödnis von Mad Max zu versenken, ohne dabei immer wieder an den fast gleichnamigen Kinoerfolg Mad Max: Fury Road zu denken, der ebenfalls dieses Jahr erschien.

Obwohl die Entwickler von Avalanche Studios nach eigener Aussage nur Minimalkontakt zum Filmteam pflegten und ihre ganz eigene Vision vom Mad Max-Universum verfolgten, muss sich das Team diesen Vergleich schlussendlich doch gefallen lassen – zu ähnlich sehen sich die beiden Welten, zu nahe liegen die gemeinsamen Inspirationsquellen beieinander.

Mad Max ist derart solide, dass ich weinen möchte

Doch bevor sich nach und nach die beiden Schablonen von Spiel und Film beginnen, sich in unseren Köpfen übereinander zu legen, fällt mir vor allem eines bereits nach kurzer Spielzeit auf: Mad Max ist derart solide, dass ich weinen möchte und lässt keine einzige Erwartungshaltung an ein Open World-Spiel des Jahres 2015 offen – erfüllt aber auch nicht mehr als das.

Die Spielwelt muss sich in ihren Ausmaßen weder vor Far Cry 4, noch The Witcher 3 verstecken und ist bereits nach rund einer Stunde von unzähligen bunten Icons und Symbolen übersieht, die die zahlreichen Nebenaufgaben markieren.

In erschreckender Regelmäßigkeit erobern wir einen Außenposten nach dem nächsten.

Ihr nehmt Aussichtspunkte in Form von Heißluftballons ein, erobert Außenposten und schwächt so den Einfluss der marodierenden Warlords. Im rhythmischen Nahkampf, der sich stark an dem Konzept der jüngsten Batman-Reihe orientiert, kloppt ihr euch betont gewalttätig und blutig von einer Schädeldecke zur nächsten und auch die immer wieder neuen Gegnertypen sorgen hier für nur wenig Abwechslung. In einem Talentbaum dürft ihr den gesichts- und charakterlosen Einheitsbrei-Helden Max schließlich noch nach und nach aufleveln und stärker werden lassen.

Kurzum: Avalanche Studios hat auf ihrer riesigen Checkliste kein einziges Feature übersehen, das für eine moderne 08/15-Spielwelt benötigt wird. Das Endergebnis bringt stattliche 30 Stunden Spielzeit auf die Waage, die sich immerhin auf ein großes Highlight des Spiels stützen können, das den grundsoliden Unterbau gehörig laut brüllend durchschüttelt: Das Magnum Opus.

Tausche Max gegen Einzelteile für mein Auto

Jedes Mal, wenn sich Max in sein Auto, das Magnum Opus, setzten durfte, stieg Spielspaß und Puls auf meiner Seite des Monitors in blumige Höhen: Mit brüllendem Motor wetzte ich über Stock, Stein und Gegnerkörper, während ich in Zeitlupe andere Fahrzeuge eckig rammte und anschließend deren Einzelteile aufsammelte. Mit diesen Baustücken dürft ihr euer Gefährt in 18 Ober- und noch mehr Unterkategorien individualisieren und nach persönlichem Geschmack formen. Damit besaß das Magnum Opus bereits nach einigen Aufrüstungen mehr Persönlichkeit als der fast durchweg stumme Max.

Das Aufrüsten und Steuern der Autos gehört zu den Highlights des Spiels.

Umso stärker schmerzte der Abschied, wenn mich das Missionsdesign mit erschreckender Regelmäßigkeit dazu zwang, das Auto zu verlassen und zu Fuß immer wieder die gleichen Quests hinter mich zu bringen: Kletter an den markierten Punkten zu Punkt X, besiege im Faustkampf Gruppe Y, berge Ersatzteile und schalte einen neuen Aussichtspunkt frei. Es mag dort draußen Leute geben, die sich mit einer riesigen "100%"-Marke vor Augen auf diese repetitiven Aufgaben stürzen, doch ich kann nicht anders, als mein Gehirn in spätestens fünf Spielstunden am Controller kleben zu sehen. Ein wenig mehr Abwechslung hätte bei der Fülle an Nebenaufgaben sicherlich nicht geschadet.

Es gibt einen Unterschied zwischen "stumm" und "nichtssagend"

Und diesen Unterschied scheint Avalanche Studios bis zur Fertigstellung ihres Spiels nicht verstanden zu haben. Der verrückte Max war nie der charismatische Redenschwinger, der einem William Wallace gleich auf einem Autodach stehend die Freiheit zu seinen Gefolgsmännern herunterbrüllte. Im Gegenteil: Mad Max ist ein stilles Wasser, in dessen Tiefen unglaubliche Konflikte toben, die aber nur selten bis an die mimische Oberfläche dringen. Die Geschichte von Mad Max ist gleichermaßen die Geschichte von Trauer, Verlusten, Ängsten und auch Wut – eine Fülle an widersprüchlichen Emotionen, die zuletzt Tom Hardy in Mad Max: Fury Road großartig inszenierte.

Treten statt reden: Im gesamten Abenteuer erfahren wir nur wenig von Max.

Der spielbare Gegenpart hingegen ist bis auf wenige Ausnahmen und Zwischensequenzen einfach nur stumm: Eine charakterliche Betonmauer, die Autos fahren und stumpfe Gegenstände auf andere Menschen hauen kann. Der Versuch der Entwickler, mit wahllos in der Welt verteilten Erinnerungsgegenständen dem Charakter so etwas wie emotionale Tiefe einzuhauchen, würde auch ohne den Kinofilm im Hinterkopf oberflächlich und fast stümperhaft wirken – sorgt angesichts des besagten Vergleichsbildes allerdings schließlich sogar für ein fast verzweifelndes Kopfschütteln.

Es ist ja nicht so, als wären wir dreitagesbärtige, braunhaarige Actionhelden im durchlöcherten Hemd und ohne Mehrwert gewohnt – doch gerade angesichts des potenten Franchises als Vorlage enttäuscht das Endergebnis noch so viel mehr.

Testosteron-Party mit "Mädchen verboten!"-Schild

Bevor nun einige Augenpaare um die Wette gerollt werden, möchte ich abschließend ganz naiv eine Frage in den Raum werfen, die sich an all jene unter euch wendet, die nichts mit "Feminismus" am Hut haben (wollen): Seid ihr es nicht allmählich leid, immer wieder die gleichen Actionhelden zu spielen, die seit fast 30 Jahren und drei Dimensionen ihre meterdicken Oberarme in gegnerische Körper rammen und am Ende die größte Testosteron-Spritze brüllend den Sieg davontragen?

Wollt ihr nicht irgendwann einmal mehr, als nur eine Frau am Ende des Tunnels aus ihrer misslichen Lage zu befreien oder als Dank für eure Taten mit körperlichen Gefälligkeiten belohnt zu werden? Nein? Dann werdet ihr zumindest in dieser Hinsicht nicht von Mad Max im Stich gelassen – alle anderen muss ich leider enttäuschen.

Statt starker Frauen gibt es nur starke Fäuste.Statt starker Frauen gibt es nur starke Fäuste.

Auch nach 15 Stunden Spielzeit blieb meine Begegnung mit Hope die einzige, die einer Frau im Spiel eine längere Sprechrolle zukommen ließ. Noch dazu enttäuschte sie die Hoffnung auf die Etablierung eines starken Frauenbildes, wie es der Film vorgemacht hat. Stattdessen liegt die junge Dame mit tief ausgeschnittenem Dekolleté in einem Käfig und ist im Grunde nur dafür da, uns immer wieder daran zu erinnern, wie böse die Bösen sind.

Ja, die Welt von Mad Max ist eine Welt des Stärkeren – das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass es auch nur eine Welt der Männer sein darf.

Fazit

Mad Max glänzt und enttäuscht gleichermaßen mit seiner Durchschnittlichkeit: Es bietet alles, was Spieler heutzutage von einem Open World-Spiel erwarten dürfen und setzt mit dem motivierenden Langzeitprojekt des Magnum Opus noch eine kleine Sahnekirsche auf die Ödland-Torte. In jedem Aspekt allerdings, der über die Standard-Schablone des Genres hinausgeht, enttäuscht das Spiel: Die Geschichte ist nicht sonderlich aufregend, sondern im Gegenteil sehr zielgerichtet.

Hin und wieder wird die Erzählgeschwindigkeit durch Story-Missionen ausgebremst, die ihr nur erledigen könnt, wenn ihr eine bestimmte Anzahl an optionalen Quests erledigt habt. So kommt ihr früher oder später nicht mehr um die Notwendigkeit drumrum, die immer gleichen Missionen abzuspulen, bis euch das Spiel voranschreiten lässt.

Hinzu kommen die blassen Charaktere: Der an den Rand gedrängte Sidekick und ein Auto besitzen mehr Persönlichkeit, als der Held selbst, der stumm und verbittert Quest um Quest hinter sich bringt, um irgendwann das Ende seiner Reise zu erreichen – und zumindest in diesem Punkt kann ich mich mit Max schließlich sehr gut identifizieren.

Dieses Review wurde mit Hilfe eines vom Publisher zur Verfügung gestellten PS4-Keys erstellt.

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