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»Ein Tag ohne Tod«

23.03.2016 - 16:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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Columbia Pictures, Sony
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»Am nächsten Tag gingen die Hohenpriester und die Pharisäer gemeinsam zu Pilatus; es war der Tag nach dem Rüsttag. Sie sagten: Herr, es fiel uns ein, daß dieser Betrüger, als er noch lebte, behauptet hat: Ich werde nach drei Tagen auferstehen. Gib also den Befehl, daß das Grab bis zum dritten Tag sicher bewacht wird. Sonst könnten seine Jünger kommen, ihn stehlen und dem Volk sagen: Er ist von den Toten auferstanden. Und dieser letzte Betrug wäre noch schlimmer als alles zuvor. Pilatus antwortete ihnen: Ihr sollt eine Wache haben. Geht und sichert das Grab, so gut ihr könnt. Darauf gingen sie, um das Grab zu sichern. Sie versiegelten den Eingang und ließen die Wache dort.« (Mt 27, 62-66)

Die Karwoche. Die letzte Woche der Fastenzeit, die in der Passion Christi, in seinem Leiden und Sterben am Kreuz auf der Schädelhöhe vor Jerusalem, ihren gleichsam grausamen wie erlösenden Höhepunkt findet, ist gemeinhin die Zeit, in der wir im Fernsehen und im Kino immer wieder auf die unterschiedlichste Art und Weise mit den Vorkommnissen von vor zirka 2000 Jahren konfrontiert werden. Dies geschieht dann in entweder sehr drastisch naturalistischer Weise, man denke an Mel Gibsons (*1956) »Die Passion Christi« (2004), oder in George Stevens (1904-1975) trivial verklärter Art, »Die größte Geschichte aller Zeiten« (1965).

Immer wieder wird uns dieselbe Geschichte erzählt, wie sie weitestgehend in den Evangelien des Markus, Matthäus, Lukas und Johannes Konsens findet. Erzählt wird sie uns als Synopse, als narrativ geschlossene Einheit der vier kanonischen, biographieähnlichen Schriften über das Leben Jesu des Neuen (Zweiten) Testaments. Bei vielen Menschen schleicht sich da eine gewisse Gewöhnung ein, wenn dieselbe Geschichte immer und immer wieder so erzählt wird, man stumpft ab gegen die Gewalt, die dieses Geschehen zeigt, und Langeweile breitet sich aus.

Mein Sitznachbar im Kino liest vor dem Film noch auf seinem Kindle die ZEIT, während ich mir Gedanken über die Uhrzeit mache: 23:15 Uhr. Ich schaue in der App meines Kinos nach und stelle fest, dass der Film die ganze Woche nur um diese Uhrzeit läuft. Da bekommt der Titel eine ganz andere Bedeutung: »Auferstanden«, oder sollte ich besser formulieren: »Aufgestanden«? Es ist eben mal wieder ein Bibelfilm, das kennen wir ja alles schon. – Aber tun wir das denn wirklich? – Um eine einigermaßen zufriedenstellende Antwort auf die Frage zu erhalten, bietet sich ein Perspektivwechsel, wie ihn der texanische Filmregisseur und Drehbuchautor Kevin Reynolds (*1952), im Übrigen ein ehemaliger US-amerikanischer Rechtsanwalt, in seinem neuesten Film unternimmt, geradezu an.

Im englischen Original heißt der Film »Risen«, die deutsche Übertragung »Auferstanden« ist also durchaus annehmbar, allerdings beinhaltet das englische Partizip Perfekt »risen« noch einige weitere Deutungsmöglichkeiten. »to rise« kann neben seiner ursprünglichen Bedeutung »(Auf)Steigen, Anwachsen, Anschwellen« auch noch viel mehr aussagen, u. a. »sich erheben, aufstehen, aufbrechen«, aber auch »Erhöhung, Zuwachs, Ursprung, Anfang«, »auferstehen« oder hier besser »auferstanden« ist da nur eine der vielen Übersetzungsmöglichkeiten.

Der römische Centurio Clavius im Rang eines Militärtribunen (Befehlshaber, Kommandeur), der von dem religionsfilmerfahrenen Joseph Fiennes (*1970) gespielt wird (man erinnere sich an seiner Darstellung des Kirchenreformators Martin Luther (1483-1546) in Eric Tills (*1929) gleichnamigem Film aus dem Jahr 2003), versieht seinen Dienst in Jerusalem unter der Präfektur von Pontius Pilatus (Peter Firth (*1953)). Es ist eine unruhige Zeit, in der sein Hauptarbeitsgebiet die brutale Niederschlagung von Aufständen und die Hinrichtung durch Kreuzigung ist. Clavius verehrt den römischen Kriegsgott Mars (Ares) und sein Ziel ist, wie er Pilatus im Bad erklärt, nach Rom zu kommen, dort ein hohes Amt zu bekleiden, viel Geld zu verdienen, sich ein schönes Haus auf dem Land leisten zu können und eine tolle Familie zu haben. Er strebt ein Ende aller Mühsal an, er sehnt sich nach einem Tag ohne Tod, einfach nach Frieden.

Eines Tages überwacht er die Hinrichtung von drei Verbrechern, von denen einer, nämlich der, der in der Mitte gekreuzigt wurde, bereits tot zu sein scheint. Clavius führt den Befehl des Pilatus aus, der besagt, er soll dem Schauspiel ein Ende bereiten und den Delinquenten die Beine zerschlagen, damit sie schnell sterben, denn der Kreuzestod ist dem Wesen nach ja ein Erstickungstod. Bei dem Mittleren jedoch befiehlt er dem Soldaten, ihm eine Lanze unter die Rippen zu jagen und so Herz und Lunge zu zerstören, damit der Tod absolut sicher ist. Die Toten werden in eine Grube befördert und mit Kalk überschüttet. Nur jener Mittlere wird, durch ein Schriftstück des Pilatus legitimiert, von dem »Arimathäaer« Joseph (Antonio Gil) in dessen Familiengrab beigesetzt.

Auf Wunsch des jüdischen Hohepriesters Kaiaphas (Stephen Greif (*1944)), der Pilatus politisch gekonnt unter Druck setzt, und auf dessen Befehl hin, lässt Clavius das Grab dieses Mannes, von dem er nur erfährt, dass er Jeschua (Cliff Curtis (*1968)) hieß und ein Messias gewesen sein soll, versiegeln und bewachen, da der dringende Verdacht besteht, dass seine Jünger, seine Schüler, seinen Leichnam rauben, um behaupten zu können, er sei von den Toten auferstanden.

Unter den Juden der damaligen Zeit war der Glaube an einen von Gott gesandten Erlöser, einen maschiach, einen Gesalbten, weit verbreitet, der sie vom Joch der Besatzungsmacht Rom befreien sollte. Gesalbt wurden damals allerdings nur Könige, so dass dieser »König der Juden« zum einen den israelischen König selbst und zum anderen den römischen Kaiser bedrohte.

Clavius hält das zwar für Unsinn, denn für ihn »war er tot«. Trotzdem wird das Grab mit einem schweren Stein, für den sieben Männer nötig sind, um ihn zu bewegen, verschlossen, dieser mit Stricken umwickelt und mit rotem Lack und dem Stempel des Pilatus versiegelt. Clavius stellt auch noch zwei Wachen ab. Am nächsten Morgen sind die Wachen verschwunden, der Stein liegt weit vom Grab weg und der Leichnam ist weg. Einzig und allein ein Schweißtuch mit dem Gesichtsabdruck des Gekreuzigten findet sich im Grab.

Und hier setzt die eigentliche Handlung des Films ein. Es wird das erzählt, was bisher nie Thema in einem Bibelfilm – war mit Ausnahme vielleicht von Henry Kosters (1905-1988) »Das Gewand« (1953) – nämlich das Geschehen nach der Kreuzigung über die Auferstehung bis hin zur Himmelfahrt. – Warum man es nie wirklich angepackt hat? Nun, vermutlich war man eher auf die Fakten aus: Man weiß – und man weiß das aus nichtchristlichen Quellen (Flavius Josephus in seinem Testemonium Flavianum und Sueton, Tacitus und Plinius der Jüngere in Randnotizen) –, dass es in etwa zur Regierungszeit des Kaisers Tiberius in Jerusalem einen Volksaufstand gegeben hat, den ein gewisser Chrestos (vgl. Sueton) anführte, der aber blutig niedergeschlagen wurde und dessen Rädelsführer man kreuzigte; und Chrestos klingt doch verdächtig nach dem griechischen christos, was wiederum die Übersetzung des hebräischen maschiah ist.

Die Theologie, und damit auch die Bibelwissenschaft, unterteilt sich in zwei große Bereiche. Der eine ist die Empirie, also alles, was wissenschaftlich exakt und einwandfrei nachweisbar ist. Das wären die Geschehnisse bis zur Kreuzigung. Alles was danach kommt, gehört in den Bereich der Offenbarung, des Glaubens, wofür es keine Beweise gibt. Deshalb ist die Auferstehung Christi, oder die Auferweckung, wie manche mit eindeutiger Akzentverschiebung sagen, ein so schwer zu fassender Teil der biblischen Geschichte, dass man sie wohl andeutet, selten aber wirklich ausführlich darstellt.

Die Juden interpretierten die Auferstehung als ausgemachten Schwindel, für sie war Jeschua, der Nazoräer, nicht der Sohn Gottes, sondern lediglich ein verwirrter Prophet und Gotteslästerer, der den Weg allen Fleisches gegangen war. Um die Auferstehung als Lehre dieser neuen Sekte der Christen zu etablieren, sei der Leichnam aus dem Grab gestohlen worden. Reine Propaganda also, da Leichendiebstähle dieser Art zur damaligen Zeit wohl öfter vorkamen.

»Auferstanden« entpuppt sich also zunächst als historischer Krimi. Eine Ermittlung beginnt. Wo ist der Leichnam Jeschuas abgeblieben? Wer sind seine Jünger, seine Schüler? Wer weiß etwas? Wer sagt etwas? Wer bringt Licht in die Angelegenheit. Clavius dreht buchstäblich jeden Stein um, er exhumiert jede in Frage kommende Leiche. Pilatus übt Druck auf ihn aus, da der Besuch des Kaisers Tiberius bevorsteht und er dem Kaiser eine befriedete Provinz demonstrieren will. Der Präfekt drängt auf rasche Erfolge.

Reynolds geht dabei teilweise sehr frei mit der biblischen Vorlage um, Barabbas zum Beispiel, wird gleich zu Beginn von Clavius bei einem Aufstand erschlagen, nachdem er sich eindeutig als Anhänger der Messiaslehre geoutet hat. Auf der anderen Seite ist er aber unglaublich bibeltreu, was die Geschehnisse nach der Kreuzigung betrifft.

Seine Hauptquelle ist ohne Frage das Matthäus-Evangelium, allerdings bringt er auch Inhalte der anderen Synoptiker, vor allem des Johannes, mit ein. Die Wachen, die bei Matthäus von den Frauen bestochen werden, erleben hier die Auferstehung als Blitz, der den Stein wegsprengt und als Sonne, die im Grab aufgeht. Allerdings haben sie vorher auch ordentlich getrunken, was die Möglichkeit zulässt, dass sich auch alles ganz anders zugetragen haben könnte und ihre Schilderung nur einer Alkoholphantasie entspringt, ganz ähnlich, wie es Lukas auch in der Pfingsterzählung in der Apostelgeschichte aufzeigt: »Andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken.« (Acta 2, 13).

Maria Magdalena (María Botto (*1974)), die stadtbekannte Prostituierte, die in nicht näher geklärter Beziehung zu Jeschua steht, und die die halbe römische Kohorte kennt, rät Clavius in der Befragung, er solle mit seinem Herzen sehen. Bartholomäus, herrlich einfältig dargestellt, erklärt ihm frink und frei, dass Jeschua, wenn er überlebt hätte, ihn als Bruder umarmen würde, obwohl er ihn getötet hat.

Clavius, wendet sich in seiner Verzweiflung, weil er mit der Suche nicht weiterkommt, vor der Statue des Mars stehend, an Gott Jahwe und verspricht ihm, wenn er sich ihm deutlich zu erkennen gäbe, ihm Tempel zu bauen. Dies ist eine herrliche Allegorie auf die Stelle im Buch Exodus, wo es heißt: »Über alle Götter Ägyptens halte ich Gericht, ich, der Herr.« (Ex 12, 12b). Nachts sieht Clavius dann sogar in einem starken Traumbild das Kreuz mit dem toten und durchbohrten Jeschua inmitten eines stürmischen Meeres.

Dann geschieht das Unfassbare und Clavius begegnet bei einer Hausdurchsuchung tatsächlich dem Auferstandenen, der ihn im Kreis seiner Jünger willkommen heißt. Er lässt demonstrativ das Schwert aus den Händen gleiten und sinkt zu Boden. Er hat zwei Dinge gesehen, die er nicht zusammenbringen kann. Er hat den Gekreuzigten sterben sehen, er hat ihn durchbohren lassen, so etwas überlebt niemand, dieser Mann war tot. Absolut tot. Und nun sitzt er lebendig vor ihm und präsentiert seinen Jüngern seine Wunden. Trotz gut gemeinter Absicht ist dieses Bild des vor dem Herrn, vor der Glaubenserkenntnis in die Knie sinkenden Sünders nicht neu und verliert daher hier ein wenig an Kraft. Ab diesem Moment kippt der Film ein wenig. Man hat das Gefühl, der Plot hat seinen Höhepunkt erreicht und was nun noch folgt, ist eher vertiefendes und leicht vorauszusehendes Beiwerk.

Clavius quittiert – natürlich – den Dienst und macht sich auf, diesem Jeschua zu folgen, diesem Propheten, diesem Sohn Gottes. Er zieht eine Weile mit den Jüngern, bewahrt sie vor der Vernichtung durch die römischen Soldaten und führt am Abend vor der Himmelfahrt ein sehr persönliches Gespräch mit Jeschua, der ihm verziehen hat, und ihn fragt, wonach er wirklich sucht. Jeschua weiß das vom Ende aller Mühsal, vom Tag ohne Tod, ein erneuter Schock für Clavius, denn das kann dieser Mann eigentlich gar nicht wissen, denn Clavius hat das Pilatus im Vertrauen gesagt.

Im Übrigen sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass die Namen hier ganz bewusst gewählt sind. Getreu dem lateinischen Grundsatz nomen est omen heißt Clavius eben Clavius, was eine seltsame Mischung aus dem lateinischen clavis für Schlüssel, Riegel oder Treibstock und clavus für Nagel, Steuerruder u.a. ist. Im Zusammenklang kling da das gladius, das Schwert mit. Ebenso sein junger Adjutant: Ein Jungspund namens Lucius Beneficiarius (Tom Felton (*1987), besser bekannt als Draco Malfoy aus den Harry-Potter-Verfilmungen), dessen Nachname zum einen von niedrigen Arbeiten befreiten Soldaten, einen Gefreiten bezeichnet, zum anderen aber eben auch »zur Wohltat gehörig« meint. Und eben dieser Beneficiarius ist es auch, der ihn am Ende mit den Jüngern ziehen lässt, ohne ihn an die anderen römischen Soldaten zu verraten, ihm und den Jüngern also eine Wohltat erweist.

Es folgt nach dem berühmten Lämmer-Schaf-Dialog mit Petrus (»Weide meine Schafe!« Joh 21, 15-17) die Himmelfahrt. Nach dem Sendungsbefehl: »Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.« (Mt 28, 18b-20), der auch an ihn ergeht, schließt er sich allerdings nicht den Jüngern an, er geht seinen eigenen Weg.

Dieser letzte Teil verschießt eine Menge Pulver. Man hat das Gefühl, Reynolds arbeitet hier nur die Erscheinungsberichte der Bibel ab. Der Zuschauer steht immer ein wenig ratlos hinter dem eben so ratlosen Clavius und sieht eigentlich nur zu. Selbst an den charismatischen Simon Petrus kommt man nicht wirklich heran. Die Jünger bleiben, wie Jeschua selbst, ein Stück weit unnahbar, unbegreifbar. Clavius begreift, dass, obwohl der Ruf auch an ihn ergangen ist, er nicht – vielleicht noch nicht – dazugehört. Ihm ist wohl ein anderer Weg bestimmt, nicht das Menschenfischen.

Folgerrichtig lautet die abschließende Frage des Films, der in eine kleine Rahmenhandlung gebettet ist: »Glaubst du all das denn wirklich?« Und Clavius antwortet nicht eindeutig: »Ich glaube, ich kann nie wieder sein wie früher!« Das ist herrlich unkonventionell, denn es lässt die Möglichkeit offen, dass Clavius trotz allem, was er erlebt hat, trotz der großen Beweiskraft, die das Geschehen unweigerlich haben muss, doch nicht direkt zum Christen wird, sondern nur zu einem Menschen, den die Begegnung mit dem auferstandenen Jeschua verändert hat – für immer verändert hat.

Der Schluss bleibt also gewissermaßen offen. Die Entscheidung, ob man glaubt oder nicht, bleibt in der persönlichen Verantwortung und Entscheidung des Menschen, der zwar nicht unbeeindruckt und unbeeinflusst bleibt, dennoch aber seinen freien Willen behält. Und das ist doch das Schöne am christlichen Glauben, nämlich dass niemand zu etwas gezwungen wird, was er nicht will, sich aber trotzdem frei dazu entscheiden kann. Das ist wahre Liebe, das ist das unglaubliche Geschenk Gottes an die Menschheit. Das ist das Ostergeheimnis in seiner reinsten Kultur. Eine tolle Botschaft, gerade in der heutigen Zeit.

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