Emerald City - Pilot-Check zur Zauberer von Oz-Adaption

08.01.2017 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Emerald CityNBC
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Lange hat es gedauert, bis Emerald City, Tarsem Singhs aufwendige Serien-Adaption von Der Zauberer von Oz, ihren Weg ins Programm von NBC gefunden hat. Wir haben uns die Pilot-Episode angesehen und unseren ersten Eindruck aufgeschrieben.

Nur wenige moderne Märchen sind dermaßen fest in der Popkultur verankert, wie L. Frank Baums Kinderbuch Der Zauberer von Oz. Veröffentlicht 1900 sollte es nicht lange dauern, bis zahlreiche Fortsetzungen und Adaptionen aller Couleur weitere Abenteuer rund um Dorothy und Co. erzählten. Die bekannteste davon dürfte Victor Flemings Technicolor-Traum Der Zauberer von Oz aus dem Jahr 1939 sein. Die verschiedenen Interpretationen der zugrundeliegenden Geschichte decken ein großes Spektrum an Herangehensweisen ab, um den Stoff zu verfilmen, darunter jüngere Variationen wie Die fantastische Welt von Oz mit James Franco und Tin Man mit Zooey Deschanel. So meldete sich im August 2013 auch Matthew Arnold bei NBC zu Wort und pitchte eine düstere Serien-Adaption des Literaturklassikers. Dennoch sollte es über vier weitere Jahre dauern, bis Emerald City am vergangenen Freitag Premiere feierte.

Showrunner-Wechsel, Produktionsverzögerungen und Startterminverschiebungen: Emerald City hat alles durchgemacht, was einer Serie im Prozess ihrer Entstehung nur widerfahren kann. Zwischenzeitlich wäre es nicht einmal abwegig gewesen, die Existenz der aufwendigen Fantasyserie anzuzweifeln. Spätestens seit dem ersten Trailer haben wir jedoch die Gewissheit, dass Regisseur Tarsem Singh (The Fall) tatsächlich zehn Episoden inszeniert hat, die fortan im wöchentlichen Abstand auf NBC ausgestrahlt werden, mit Ausnahme der ersten beiden Kapitel, die es im Doppelpack zu sehen gab. Im Mittelpunkt des Geschehens, angesiedelt im Kansas der Gegenwart, befindet sich die 20-jährige Dorothy Gale (Adria Arjona), die in einem Krankenhaus arbeitet und fernab ihrer leiblichen Mutter aufgewachsen ist. Dorothy gehört zu den Guten, keine Frage. Als sie sich jedoch auf den Weg macht, um sich den Dämonen ihrer Vergangenheit zu stellen, ereignet sich eine Katastrophe nach der anderen.

Emerald City

Abgesehen von einem gigantischen Tornado, der sie sprichwörtlich in eine andere Welt katapultiert, wird sie Zeugin mehrerer Tode und ist für einen dieser womöglich auch noch verantwortlich. Gleich bei ihrer Ankunft in der fantastischen Welt von Oz fährt sie mit einem Polizeiwagen die Hexe des Osten (Florence Kasumba) über den Haufen und weiß gar nicht so recht, wie ihr geschieht. Bloß, dass sie sofort wieder nach Hause will. Da ist sich Dorothy ganz sicher, denn dort wird sie gebraucht. Im weiteren Verlauf variiert die Pilot-Episode altbekannte Motive der Der Zauberer von Oz-Erzählung und integriert ebenfalls Handlungselemente der Sequels. Größere Bedeutung hat jedoch ein anderes Anliegen: Emerald City will - ganz im Zeichen der Zeit von "dark and edgy reboots" - die vertraute Geschichte in einem Gewand präsentieren, wie wir sie noch nie zuvor gesehen haben. Irgendwo zwischen Game of Thrones und Once Upon a Time verliert Emerald City allerdings jeglichen Charme und ein Großteil der eigenen Identität.

Das ist extrem schade, denn mit Tarsem Singh wurde ein Regisseur engagiert, der in jüngster Vergangenheit immer wieder bewiesen hat, dass er ein unglaubliches Gespür für lebendige Wunderwelten besitzt, die sich bewusst gegen den Düster-Trend des 21. Jahrhunderts stellen. Angefangen bei The Fall über Krieg der Götter 3D bis hin zu Spieglein Spieglein: Wenn Tarsem Singh sich in seinen - mitunter (größen-)wahnsinnigen - Visionen verlieren darf, erschafft er gleichermaßen Verblüffendes wie Atemberaubendes. Auch Emerald City zeugt in vereinzelten Augenblicken von dieser unbändigen Schaffenskraft, die sich aktuellen Sehgewohnheiten wie ein Dorn im Auge ins Auge rammt. Deutliche Kontraste und knallige Farben: Ein rotes Kostüm vermag es, Emerald City mit mehr Leben füllen, als es das unentschlossene Drehbuch je könnte. Wenngleich die Narration überaus holprig und einfallslos vonstattengeht, tobt sich Tarsem Singh selbst im begrenzten Rahmen einer Network-Produktion nach Herzenslust aus. Ein Umstand, der intensive wie ikonische Bilder zur Folge hat.

Emerald City

All diese visuell überwältigenden Highlights können leider nicht kaschieren, dass Emerald City auf Drehbuchlevel ein ungeordnetes Chaos ist, das sich nicht zwischen den vielen verschiedenen Herzen in seiner Brust entscheiden kann. Wo L. Frank Baums Vorlage alle Ehre gemacht werden soll, entsteht ein wahlloses Sammelsurium an Referenzen und Andeutungen, die beides wollen: den naiven Traum und die Realität. Auf der einen Seite dürfen Magie und Zaubersprüche ungehemmt ausgeübt werden, auf der anderen Seite gilt es, Waterboarding und Dronen zu integrieren, um - überaus unglücklich, weil unbeholfen und penetrant - den parabelförmigen Bogen des Gezeigten zu betonen. Nicht einmal Vincent D'Onofrio, der erst kürzlich in Marvel's Daredevil als Wilson Fisk wieder beweisen konnte, welch ausgefeilten wie vielschichtigen Figuren er zu verkörpern vermag, kann als Zauberer dem losen Ideenkonstrukt etwas Bodenständiges hinzufügen.

Wie so viele Figuren in Emerald City existiert der Herrscher der fantastischen Welt in erster Linie deshalb, weil er irgendwo in den Büchern von L. Frank Baum seinen Ursprung hat. Vom zweifelhaften Wirken der im Grunde überaus interessanten Figur, die locker einer der eindrucksvollsten Serien-Antagonisten des Jahres hätte werden können, ist jedoch keine Spur. Für Emerald City ist die Mythologie bereits gesetzt, bevor sie sich überhaupt entfalten kann. Es ist wirklich tragisch, dass nach all der langen Zeit des Wartens aus der verheißungsvollen Prämisse ein solch unausgegorenes Serien-Event geworden ist, das Ambition und Talent hinter jeder Szene erahnen lässt, es jedoch zu selten schafft, die eigentlichen Anliegen überzeugend vorzutragen. Ob sich das in den nächsten Wochen ändern wird, darf angezweifelt werden. Wünschenswert wäre es dennoch, denn alleine eine kurze Parallelmontage beweist, was für ein eindrucksvolles Ungetüm in dieser größenwahnsinnigen Unternehmung schlummert.

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