Falscher Spuk im Test zu The Evil Within

31.10.2014 - 12:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
The Evil Within
Bethesda Softworks
The Evil Within
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Mit The Evil Within plant Genre-König Shinji Mikami die große Rückbesinnung auf die Tugenden des Videospielhorrors. Wieso der Titel dabei aber in nostalgische Schieflage gerät, verrate ich euch in meinem Test.

Im Vergleich zum breit aufgestellten Film hat der Grusel im Bereich der Videospiele einen schweren Stand. Dabei geht es nicht einmal um die Qualität der Genrevertreter, sondern tatsächlich allein um ihre eigentliche Existenz. Die meisten der größeren Publisher haben in den letzten Jahren immer wieder damit geworben, wirklich verstörend schauderhafte Titel in ihrem Portfolio zu haben. Tatsächlich fanden wir zuletzt aber eher einen halbgaren Genremix nach dem anderen vor, die sich vermeintliche Horror-Settings teilten.

Den Mut, wieder den Angsthasen in den Spielern ansprechen zu wollen, mussten erst kleinere Projekte wie Amnesia: The Dark Descent und Slender: The Arrival aufbringen. Immerhin konnte dieser Impuls auf die nächsthöhere Schiene gerettet werden und Horror wurde plötzlich wieder ein echtes Verkaufsargument, auch für die großen Studios. Mit Alien: Isolation und The Evil Within erwarten uns nun plötzlich zwei AAA-Titel, die auf genuine Schaudergefühle setzen wollen.

Das Besondere an The Evil Within ist der Selbstanspruch, mit dem Genre-König Shinji Mikami an das Projekt gegangen ist. Zurück zu den Wurzeln soll es gehen, zurück in die Zeit, in der Untote und düstere Herrenhäuser wirklich noch für Beklemmung sorgten und nicht kitschig wirkten. Ich war sofort angetan von diesem Selbstfindungstrip, musste aber leidlich erkennen, dass hier ein Missverständnis vorliegt. Die vermeintliche Rückkehr fällt nämlich weitaus kürzer aus als erhofft.

Die Settings sind zumeist schon bekannt


Spirituelles Vorbild für The Evil Within ist nicht das erste Resident Evil, sondern der gefeierte vierte Ableger der Reihe, der vor allem auf durch Überforderung ausgelöste Panik setzte. Furchtsame Spieler, die auf Subtilität und jede Menge Stille hoffen, sind hier leider an der falschen Adresse. Dass wir dennoch an Mikamis Tür klingeln, liegt in erster Linie daran, dass dessen Erfahrung mit Spielmechaniken uns vergessen lässt, weshalb wir eigentlich zu ihm gekommen sind.

Dabei ist die Präsentation von The Evil Within geprägt von Stilelementen, die zwar nicht per se klischeehaft sind, aber derart verbraucht und altbacken, dass allein ihre Verwendung nur im Rahmen der Parodie noch gerechtfertigt wäre. Einfach an jeder Ecke der eigentlich stimmungsvollen Level klebt Blut. Der Saft des Lebens markiert hier aber nicht rohe Gewalt oder kennzeichnet besondere Gefahr, sondern verliert durch inflationären Gebrauch jeden symbolischen Wert und verkommt zu tropfendem Horror-Lametta. Dies wird derart überspitzt dargestellt, dass Hauptcharakter Sebastian Castellanos tatsächlich durch Mördermaschinen gejagt wird, während um ihn herum Körperteile mit einem Reißwolf zerfleddert werden und er am Ende einer verdreckten Metallrutsche in einem hüfttiefen Bottich aus dunkelrotem Blut landet.

The Evil Within ertränkt euch förmlich mit einer aufdringlichen Blutästhetik


Dieser zweifelhafte Geisterbahncharme zieht sich durch fast alle Umgebungen und wird mir dabei schamlos als Gruselsetting verkauft. Dabei hat eine ähnliche Szene in Square Enix Tomb Raider-Reboot durchaus Wirkung gezeigt, was schlicht und ergreifend an dem Gefühl für die richtige Dosis liegt. Schon zu Beginn von The Evil Within hänge ich plötzlich von der Decke und bin gefangen im Metzgerraum eines muskelbepackten Riesen, dem ich im Anschluss an virtuose Entfesselungskunst schleichend einen Schlüssel von der Schlachtbank stibitzen muss. Mikami legt zwar viel Wert aufs Detail, übertreibt es aber mit seinen Requisiten. Während der gesamten Befreiungsaktion merke ich, wie mir das Spiel ins Ohr flüstert und auf die vielen kleinen Dinge - unter anderem dudelt zwischen den Leichenbergen ein altes Grammophon - aufmerksam macht, die ja so furchtbar schauderhaft sind und mich anschliessend fragt, ob ich mich auch brav grusele.

Da sich The Evil Within hinsichtlich seiner eigenen Thematiken aber so ernst nimmt, verpufft die Wirkung der aufwendigen Inszenierung nahezu vollkommen. Nur ganz selten, wenn die großartige Lichttechnik ihren Job machen darf, zeigt der Titel, wie beklemmend er hätte sein können. Doch kurz darauf stolpert die Atmosphäre über den nächsten Versuch, mich mit seit jeher bekannten Schemata zu überraschen.

Die durchaus ambitionierte Hintergrundgeschichte von The Evil Within rechtfertigt zwar einen etwas surrealeren Gebrauch dieser Gore-Ästhetik, verliert aber beinahe selbst das eigene Existenzrecht, da sie mit Figuren hantieren muss, die wohl uninspirierter nicht hätten sein können. Der Polizist Sebastian Castellanos, den ich durch diesen inszenierten Albtraum steuere, landet im Zuge der Ermittlungen zu einer Mordserie in die Fänge halbwirklicher Welten, die ihn nach und nach an seinem Verstand zweifeln lassen. Das große Potenzial, dass Sebastian sich mit den Ur-Ängsten der menschlichen Psyche herumschlagen muss, während sein eigener Verstand aus den Fugen gerät, schlägt ins Leere. Die Persönlichkeit des Helden ist zu dünn, ja beinahe naiv, und mein Interesse, mich in seine Gedankengänge zu verirren, wird im Keim erstickt.

Die Schockeffekte sind alles andere als zurückhaltend


Am meisten erfahre ich über Sebastian aus seinen Tagebüchern, die in der Spielwelt ausliegen und mir so in regelmäßigen Abständen in die Hände fallen. Seine Lebensgeschichte wird schulaufsatzartig vermittelt, sodass zwischenzeitlich der Eindruck ensteht, Sebastian sei 12 Jahre alt und erzählt mir von seinen Sommerferien und nicht etwa vom Ende seiner Polizistenausbildung. Zudem hinterfragt Sebastian seinen Aufenthalt in der Bluthölle nicht und spricht Zwei-Wort-Sätze im gemäßigten Tonfall, da ist der unvermeidliche Tod schon einmal mit der Formulierung "Scheiße" ausreichend kommentiert. Seine modebewussten Arbeitskollegen, der zwielichtige Doktor, der wahnsinnige Leslie und der mysteriöse Ruvik stehen Sebastian hier in nichts nach. Es stimmt etwas traurig, dass Mikamis Figuren über die Jahre kaum komplexer geworden sind, die Resident Evil-Riege fällt bis heute eher platt aus.

Das Verwunderliche ist aber, dass ich trotz der herben Enttäuschung, die ich in den Anfangsstunden durchstehen musste, schlussendlich dann doch soliden Spaß mit The Evil Within hatte. Notwendig war dafür nur die Loslösung von der Idee, Mikamis Rückkehr zu seinen Wurzeln müsse auch gruselig sein. Das ist der Titel leider nur in Ausnahmefällen. Die Stärken offenbaren sich nicht in der Atmosphäre oder der subversiven Stimmung, sondern ganz schlicht in dem ansprechenden Shooter-Gameplay, das Mikami routiniert in den Mittelpunkt rückt.

Selbstverständlich schadet es dem Ambiente, wenn plötzlich einfach alle Türen zufallen und eine Horde Untoter darauf wartet, niedergemacht zu werden, um anschließend den Weg wieder freizugeben, aber diese unverschämt zweckmäßige Spielmechanik bietet Raum für knackige Survival-Gefechte. Später im Spiel bricht das Horror-Setting sogar ganz auf und ich fühle mich in Resident Evil 5 versetzt, während ich am helllichten Tag explodierende Bolzen mit meiner Qualen-Armbrust auf torkelnde Zombies schieße. Immer wieder steht diese Form von Action im Fokus, die zwar Spaß macht, jedoch vollkommen unvereinbar ist mit der stilistischen Vision des Titels.

Fazit

Shinji Mikami gibt sich viel Mühe und setzt alles daran, den Grad der Verstörung und des Horrors immer weiter zu treiben. Diese Übermotivation führt jedoch zur völligen Demaskierung jeder Subtilität und offenbart eine Aneinanderreihung klassischer Bildelemente, die zwar clever kombiniert werden, aber letztendlich nicht über eine Dekorationsfunktion hinauskommen. Ohne diese Halloween-Tapeten präsentiert uns Shinji Mikami aber einen soliden Survival-Titel, der trotz der flachen Geschichte zwischenzeitlich zu begeistern weiß. Mit Horror hat dies alles aber nicht viel zu tun.


Das Spiel wurde in Form eines Review-Musters von Bethesda Softworks bereitgestellt. Alle Aussagen beziehen sich auf die PS4-Version.

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