Far Cry Primal ist ein mutloser Wandertag in der Ubisoft-Komfortzone

04.12.2015 - 10:26 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Far Cry Primal
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Far Cry Primal soll das viel beackerte Ubisoft-Franchise in eine neue Welt führen, die von exotischen Gefahren und Abenteuern angefüllt ist. Stattdessen entpuppt sich der Titel offenbar doch genau als das, was ich befürchtet habe: Ein mutloser Wandertag in der Ubisoft-Komfortzone.

Die Ankündigung von Far Cry Primal sorgte für Aufsehen, nachdem Presse und Fans weltweit über 24 Stunden auf das Wartebild eines Livestreams starrten,  der den Schauplatz des neuen Spiels bereits ankündigte: Das Franchise wird in die Steinzeit reisen und damit die von uns mittlerweile auswendig gelernten vorderasiatischen Dschungel-Areale und Berggipfel hinter sich lassen. Wir werden keinen kopflosen Urlauber oder verlorenen Sohn mehr spielen, der sich gegen irgendein Regime oder mystischen Kult stellen muss, sondern kämpfen um etwas viel grundlegenderes: Das eigene Überleben — noch dazu in einer Welt, die uns erstmals überlegen zu sein scheint, Säbelzahntiger & Co. sei Dank.

Wird der Überlebenskampf wirklich so hart werden?

Der neue, ungewöhnliche Schauplatz bietet dem ausgenudelten Franchise ganz offensichtlich zahlreiche Möglichkeiten, sich selbst neu zu erfinden. Alleine die naturgegebene Abwesenheit von Feuerwaffen und Fahrzeugen reicht als kreative Herausforderung bereits aus, die Serie in neue, abwechslungsreiche Bahnen zu lenken — doch nun, zwei Monate und einen neuen Gameplay-Trailer später , sieht alles ganz anders aus: Far Cry Primal ist ein mutloser Wandertag in der Ubisoft-Komfortzone. Und das ist wirklich schade.

Verpasste Chancen

Ich schrieb bereits kurz nach Ankündigung des Spiels über die drei größten Hürden , die ich auf das Spiel zukommen sah — doch abgesehen von diesen Bedenken freute ich mich über den neuen Schauplatz, der so viel mehr zu sein schien, als ein einfacher Tapetenwechsel.

Die diesjährigen The Game Awards spendierten uns schließlich Gameplay-Material und rückten ein wesentliches Feature von Far Cry Primal in den Vordergrund, das die gigantische spielmechanische Lücke der fehlenden Feuerwaffen und Fahrzeuge füllen will: Das Zähmen wilder Bestien, die euch im Kampf unterstützen.


Es besteht also die Möglichkeit, das exotische Wildleben der steinzeitlichen Welt zu zähmen und im Kampf einzusetzen? Die Tiere besitzen außerdem je nach Rasse verschiedene Fähigkeiten, die zu eurem individuellen Spielstil passen? Eine fantastische Idee — die allerdings in der Ubisoft-Komfortzone unter eine Stampede der Belanglosigkeit geraten ist.

Wie Kollegen berichten, die das Spiel bereits rund eine Stunde anspielen konnten, scheint den Entwicklern bei diesem Feature enorm viel Potential durch die Lappen gegangen zu sein. Das Zähmen der Tiere funktioniert auf Knopfdruck, sobald ihr euch der noch wilden Bestie genähert und es mit einem Brocken Fleisch abgelenkt habt. Dann kurz die Aktion-Taste gedrückt halten — und schwups, schon befehligt ihr einen Säbelzahntiger.

Auch das Ableben der Tiere ist ebenso unspektakulär wie die Zähmung. Erreicht der Lebensbalken eures Begleiters die Null, so könnt ihr den Tiger oder Bären einfach wiederbeleben — das kostet euch lediglich zwei rote Blätter einer Pflanze, die überall in der Spielwelt wächst. Sind euch diese zwei Aktionen allerdings zuviel, könnt ihr mit einem Knopfdruck weniger einfach das nächste Tier in eure Dienste einspannen.

Wilde Tiere müssen nicht wild bleiben & wir dürfen fast alles zähmen, was wir sehen.

Die Begleiter hätten so unheimlich viel Potential für emotional mit dem Helden verbundene Gefährten geboten, mit denen wir unsere Nahrung teilen müssen und an deren Seite wir die Wildnis durchstreifen. Das Ableben eines solchen tierischen Freundes wäre dramatisch gewesen, hätte uns berührt — aber Ubisoft scheint dieser Gedanke unangenehm zu sein und statt so Gefahr zu laufen, seinen Spielern mehr als nur austauschbare Gefährten anzubieten, driftet dieses Feature in die Belanglosig- und Zweckmäßigkeit ab. Noch dazu dürfen wir den Mitstreiter in einem Menü jederzeit durch ein anderes Tier, das wir bereits gezähmt haben, austauschen — selbst eine vollgeparkte GTA-Garage verfügt über mehr Persönlichkeit.

Keine Überraschungen

Von dieser größten Enttäuschung abgesehen stolpert Far Cry Primal auch über jene Hürden, die bereits offensichtlich waren. Der Nahkampf hat an Bedeutung stark gewonnen, fühlt sich aber gleichzeitig noch genauso unpräzise und schwammig wie in den Vorgängerspielen an, in denen ihr alternativ zumindest nach dem Gewehr greifen durftet. Auch der Bogen ist als Waffe in der steinzeitlichen Welt weitaus weniger wertvoll, als ihr vielleicht denkt. Ihr dürft ihn recht bald im Spiel einsetzen und auch mitten im Kampfgeschehen neue Pfeile aus den zahlreichen Rohstoffen basteln.

Auch wenn noch nicht sämtliche Details bekannt sind — die Zeichen stehen auf stromlinienförmige Unterhaltung für Zwischendurch. Das ist für sich genommen nichts verwerfliches, allerdings angesichts des Potentials, das die Reise in die Vergangenheit bot, unfassbar enttäuschend.

Über die Geschichte ist noch nicht allzu viel bekannt — aber hier erwarte ich keine Überraschung.

Ich habe es mich ja kaum getraut zu hoffen, aber Far Cry Primal ist damit — natürlich — auch nicht der fordernde Überlebenskampf geworden, den die Trailer so bemüht betonen. Far Cry Primal ist stattdessen durch und durch ein typischer Teil seines Franchises — und so wird es nicht lange dauern, bis ihr übermächtig auf Mammuts reitend Aussichtstürme erobert, im Minutentakt ein Sammelsurium an Bestien beschwört und euch schließlich in die ersten DLCs stürzen werdet. Aber auch da werden wir wohl nicht das finden, was für kurze Zeit im Bereich des Möglichen lag: Ein frischer Start eines Franchises, das nun wohl endgültig zur Parodie seiner selbst zu verkommen sein scheint.

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