Final Fantasy – Wann Nostalgie zum Problem wird

10.09.2015 - 09:15 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Final Fantasy VII
Square Enix
Final Fantasy VII
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Klassiker wie Final Fantasy VII lassen uns mit unsäglicher Freude auf vergangene Tage blicken, während uns die Zukunft der Reihe eher Sorgen bereitet. Fest steht: Kommende Teile werden nicht mehr so sein wie früher. Wir sollten das akzeptieren.

Ich bin dem süßen Gefühl der Nostalgie verfallen. Ich sehne mich nach den Süßigkeiten, die ich in den Neunzigern in der dunkelsten Ecke im Spielzeugladen fand und in der Hofpause naschte. Ich sehne mich nach den Cartoons, die ich am Samstagmorgen heimlich sah, als meine Eltern noch damit beschäftigt waren, ihren Arbeitsstress im Schlaf aus der Welt zu schaffen. Ich sehne mich nach jenen Game Boy- und PS One-Titeln, die mich vor über 15 Jahren der elektrisierenden Attraktivität dieses immer noch so jungen Mediums aussetzten.

Führe ich mir heute ein solches Relikt der Vergangenheit zu Gemüte, überkommt mich ein unvergleichliches Glücksgefühl, das mich in jene Zeiten zurückführt, in denen sie mich zum ersten Mal begeisterten. Unter dem Bannzauber der Nostalgie blicke ich mit glänzenden Augen und einer behaglichen Wärme in der Magengrube in goldene Zeiten zurück, die eine solche Geborgenheit versprechen, die ich sonst nur in den Armen eines geliebten Menschen erfahre.

Blick zurück

So oder so ähnlich ergeht es mir, wenn ich zum wiederholten Male in die Welt von Final Fantasy IX, meinem ersten und liebsten Serienteil, begebe. Der Lockduft altbekannter Spielmechaniken, die Oberweltkarte, Zufallskämpfe, Städte mit vorgerenderten Hintergründen und natürlich das typische Active Time-Battle-System (ATB), das in Final Fantasy IV bis einschließlich IX Anwendung fand, kettet mich mit dem circa zwei Meter langen Kabel des PS One-Controllers stundenlang an den Röhrenfernseher, während ich mich keine einzige Sekunde lang davor scheue, völlig paralysiert jene Dinge ins Überirdische zu erhöhen.

Final Fantasy VII wechselte bei einer Zufallsbegegnung in einen separaten Kampfbildschirm

Aufgrund einer solchen emotionalen Bindung ist es nicht verwunderlich, dass es vielen schwer fällt, sich von alten Gepflogenheiten zu verabschieden. Daran wurde ich zuletzt erinnert, als Producer Yoshinori Kitase kürzlich verkündete, dass das Remake von Final Fantasy VII mit einem völlig neuen Kampfsystem  versehen wird:

Seit klar ist, dass das Kommando-basierte Kampfsystem der alten Tage möglicherweise heute nicht mehr funktioniert, überlegen wir stark, welche Richtung wir einschlagen können.

Ich las die besorgten  Reaktionen vieler Fans, die sich mit diesem Vorhaben nicht anfreunden wollten. Und auch ich selbst rümpfte anfangs die Nase, konnte tagelang nach der plötzlichen E3-Ankündigung der Neuauflage nicht schlafen, weil sich etliche Fragen und Bedenken durch meinen Kopf bohrten.

Aber sind Veränderungen denn wirklich so bedrohlich?

Prasselt etwas Neues, Unbekanntes auf uns ein, neigen wir dazu, uns lieber an das Altbekannte zu klammern. Nach vorne geht es nur im Rückwärtsschritt mit dem Blick auf Dinge, die wir bereits kennen. Mit dieser Erkenntnis erscheint der Gedanke ungleich spannender, dass Square Enix mit dem FF VII-Remake eine zeitgemäße Interpretation des Klassikers aus den Angeln heben könnte, die Fans der ersten Stunde sowie neue Interessenten gleichermaßen begeistert.

Blick nach vorn

Sicher, ich verstehe das Problem mit den plötzlichen Abwandlungen alter geliebter Dinge. Ich ringe ja gelegentlich selbst damit: Monster Bälle , billardkugelgroße Zuckerkugeln, in deren Kern ein Billig-Kaugummi schlummert, haben jetzt einen Stiel. Das ist falsch. Es ist nicht mehr dasselbe. Die Handhabung erinnert nicht mehr an früher. Schuld ist die süße Nostalgie, die den neuen Monster Ball ablehnt und den alten verklärt. Tausche ich aber Leidenschaft gegen Neutralität, komme ich zur Einsicht, dass sich die Kugel mit Stiel zweifellos viel unfallfreier und eleganter verzehren lässt.

Ich bleibe in meinem gefühllosen, nicht-nostalgischen Zustand und werfe nochmals einen Blick auf Final Fantasy IX: Das ATB-System, empfinde ich gegenwärtig als langsam und statisch. Im schnellen Fluss der Moderne immer ungeduldiger geworden, dauert es mir viel zu lange, bis sich die Balken der Charaktere aufladen. Dass ständige Zufallskämpfe mich zuhauf in den Kampf schicken, zerrt zusätzlich an den Nerven.

Trotzdem akzeptierte, liebte, vergötterte ich diese Mechaniken vor beinahe 15 Jahren und tue es heute (wieder) mit Leidenschaft noch immer, gerade weil es damals einen so großen Einfluss auf mich hatte. Als Kind kannte es nicht anders. Final Fantasy IX war seinerzeit ein technisches Wunderwerk. Die komplexe Geschichte, die umfassend charakterisierten Figuren, die von der Hand eines Zauberers komponierte orchestrale Musik und die 3D-Grafik mit vorgerenderten Hintergründen bildeten in ihrem Zusammenwirken das Nonplusultra der Konsolenspiele zu Beginn der Jahrtausendwende.

Final Fantasy IX Der Anblick eines Luftschiffes erzeugt auch nach 15 Jahren Gänsehaut.

Spiele dieser Art wird es heute nicht mehr geben.

Willkommen in der Gegenwart

Aktuell befinden wir uns mit der Leistungskraft der Konsolen der hiesigen Generation in Sphären, die wohl damals meinen Kopf hätten platzen lassen. Hätte man mir mit den Worten ,,schau mal, das wirst du gleich spielen!“ einen Trailer zu Final Fantasy XIII gezeigt, kurz nach dem ich Teil IX das erste mal bei meinem Cousin sah, wäre ich wohl johlend und mit wild schlenkernden Gliedmaßen aus dem Fenster seines Kinderzimmers gesprungen.

Mit Final Fantasy XIII wagte Square Enix im Jahre 2010 den Versuch, die legendäre Rollenspielserie mit dem seit 23 Jahren so festgefahrenen Konzept zu modernisieren. Technik, Soundtrack und Artstyle waren atemberaubend. Ein zeitgemäßes, dynamisches Kampfsystem ersetzte das altersschwache, statische. Mit der Rechenkraft von PS3 und XBox 360 sollte es hinein gehen in eine glorreiche Zukunft. Schade.

Das JRPG zerschelte an seiner eigenen Messlatte: Zu linear, zu wirr, zu platt – ich selbst und viele andere Fans zeigten sich enttäuscht darüber, dass der dreizehnte Teil der Hauptreihe – im Grunde mehr Gears of War als Final Fantasy – die Essenz der alten geliebten Teile nur partiell einfing. Auch wenn Square Enix mit Final Fantasy XIII scheiterte, zolle ich ihnen Respekt für ihren Mut. Und in der Retrospektive, nachdem ich einen Großteil meines Grams abgeschüttelt habe, wage ich auszuposaunen: Vielleicht war Square Enix' FF XIII-Fail sogar nötig - auch die nachfolgende Ausschlachtungs-Kaskade des Universums mit den Teile Final Fantasy XIII-2 und Lightning Returns, mit denen Square Enix weniger in puncto Story als viel mehr in puncto Gameplay gen richtige Richtung trudelte.

Ob Final Fantasy XV Teil 13 verschmerzen lässt, erfahren wir spätestens Ende 2016.

Mit Final Fantasy XV erwartet uns eine große, offene Welt, ein wildes, actionreiches Kampfsystem und vielleicht die Balance zwischen Modernität und altem Geist, die die Vorgänger mit der Unglückszahl 13 im Titel so schmerzlich vermissen ließen. Die Antwort auf die Frage, was uns beim Remake von Final Fantasy VII erwartet, bleibt hingegen offen.

Fest steht: Mit dem Blick eines Scharfrichters auf vergangene Spiele, verschließen wir uns gegenüber der Zukunft des Mediums und tanzen stattdessen auf der Stelle, stagnieren, kleben in den Neunzigern fest. Vielleicht entpuppen sich beide kommende Projekte von Square Enix als Fehlschläge, vielleicht definieren sie aber auch die Reihe neu, die während ihrer schwierigsten Phase von JRPGs wie Xenoblade Chronicles übertroffen wurde, welches das Genre gekonnt entstaubte.

Das soll aber nun nicht heißen, dass wir aufhören sollen nostalgisch zu sein: Feiern wir das Alte und empfangen wir das Neue, so leidenschaftlich wie eh und je.

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