Die gamescom ist das jährliche Kräftemessen der größten und einflussreichsten Entwickler, die jemals durch die Videospiellandschaft gewandelt sind. Neben den riesigen Arealen, die jeden einzelnen ihrer dutzenden Quadratmeter mit Werbeplakaten und Anspielstationen überzogen haben, konnte sich in den letzten Jahren auch die Indie-Szene einen der begehrten Ausstellungsplätze schnappen.
Ich hatte eine Verabredung mit Dr. Mata Haggis, dessen Spiel selbst für diese IndieBooth zu nischig scheint und führte das ehrlichste Gespräch seit langer, langer Zeit - über Trigger-Warnungen, Anschnallgurte und sein Spiel Fragments of Him.
Der Stand von SassyBot Studio auf der größten Spielemesse Europas ist nichts weiter als ein einfacher Tisch, auf dem ein Laptop gerade so Platz findet. Hier werde ich vom Entwickler persönlich auf die technischen Tücken des Spiels hingewiesen, das sich derzeit noch in der Alpha-Phase befindet, während nur wenige Zentimeter neben uns die Musik benachbarter Ausstellungen in unseren Ohren dröhnt.
Du steuerst die Figur mit W, A, S, D - aber bitte drücke nicht Q, dann stürzt das Spiel ab. Und versuch bitte auch nicht auf die Pfeiltasten zu kommen, dann schaltet der PC in den Energiesparmodus und ich habe immer noch keine Ahnung wieso.
Etwas nervös lachend überlässt er mich dem Prolog und nach etwa fünf Minuten habe ich auch schon das Ende des spielbaren Abschnitts erreicht.
Fragments of Him beginnt ungewöhnlich – nämlich mit dem Tod des Protagonisten. Im Zentrum des Spiels steht nicht ein Maximal-Level oder eine legendäre Waffe, sondern ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich unser Leben auch nur durch kleine Ereignisse jederzeit dramatisch ändern könnte. Haggis möchte dort seine Geschichte erzählen, wo alle anderen Spiele mit einem Game Over-Screen oder Ladebalken des letzten Checkpoints enden.
Ich habe in meinem Leben einige traurige Verluste erlitten, um ehrlich zu sein. Im Rahmen eines Workshops setzte ich mich dann vor meinen PC und versuchte, mit möglichst einfachen Mitteln meine Geschichte zu erzählen. Kurz darauf gründete ich ein Studio und überredete Freunde dazu, mich bei meinem Projekt zu unterstützen – und nun sind wir hier!
Das Spiel wurde erst vor einigen Wochen offiziell angekündigt und dem spielbaren Prolog ist der sehr frühe Entwicklungsstand deutlich anzumerken: Sehr einfache, grobe, oft einfarbige Texturen begleiten mich in diesen ersten fünf Minuten, in denen ich trotz der kurzen Spielzeit einen sehr intimen Blick in das Leben des Protagonisten gewinne.
Der junge Mann verabschiedet sich von seinem Freund, eher er sich in sein Auto setzt und fast gelangweilt die selbstverständlichen Rituale des Alltags kommentiert: Sitz ausrichten, Anschnallgurt umlegen, Schlüssel drehen, Handbremse lösen. Ich muss diese Tätigkeiten Schritt für Schritt selbst ausführen und bekomme dabei die Routine seines Tages zu spüren. Kurz darauf kommt es zum tödlichen Autounfall, mit dem auch der spielbare Teil von Fragments of Him endet.
Das Spiel ist sehr düster und melancholisch, daher haben wir uns lange überlegt, ob wir Trigger-Warnungen einbauen sollten. Da wir die Szene des Unfalls allerdings nicht sonderlich hervorheben oder detailliert beschreiben, haben wir schlussendlich davon abgesehen.
Ich bin mir selbst noch unsicher, wohin die Geschichte und das Spiel selbst eigentlich will. Im Mittelpunkt werden die Nachwirkungen des Unfalls stehen, der unseren Protagonisten ums Leben bringt – aber wie wird SassyBot Studios diese Idee mit einem Spielkonzept verbinden?
"Ich arbeite schon lange an dem Spiel und habe einige Überraschungen für euch geplant“, verrät mir Mata Haggis grinsend, den ich nach einem kurzen Händedruck schließlich allein an seinem kleinen Tisch zurücklasse und nach einigen Metern in der Menschenmasse wieder aus den Augen verloren habe.
Nun denn, lassen wir uns überraschen.