Fuller House - Unser erster Eindruck des Netflix-Sequels im Pilot-Check

28.02.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Familie Tanner/FullerNetflix
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Mit Fuller House ging gestern das lang angekündigte Sequel der 90er-Jahre-Sitcom Full House auf dem VoD-Riesen Netflix online. Wir haben für euch in das Revival der Kult-Comedy reingeschaut

Nostalgie bezeichnet einen Zustand der sehnsuchtsvollen Hinwendung zu etwas Vergangenem. Darin verbirgt sich das griechische Wort nóstos, das Heimkehr oder Rückkehr bedeutet. In medias res führt das Multi-Kamera-Format Fuller House den Zuschauer zurück in die heimische Küche der Familie Tanner in San Francisco, in der nach und nach alle altbekannten Mitglieder des beliebten 90-Jahre-TV-Clans eintrudeln: Papa, nun Opa, Danny (Bob Saget), Onkel Jesse (John Stamos) und dessen Frau Becky (Lori Loughlin), Onkel Joey (Dave Coulier) D.J. Tanner-Fuller (Candace Cameron Bure), Schwester Stephanie (Jodie Sweetin) und natürlich Jugendfreundin Kimmy (Andrea Barber), die durch die Hintertür tritt, als sei kein Tag zwischen dem Abflimmern der letzten Episode Full House und dem Sequel vergangen. 29 Jahre sind es jedoch, die zwischen dem Piloten der Mutter-Sitcom und ihres Ablegers liegen.

Tatsächlich gelang es Netflix, das Ensemble der ersten Stunde zu vereinen. Alle, bis auf Michelle Tanner, deren Fehlen durch ihren anstrengenden Job als Leiterin ihres eigenen Fashion-Imperiums in New York entschuldigt wird. Ein etwas zu langer und intensiver Blick der gesamten Crew in die Kamera und in das Live-Publikum gibt dem Zuschauer genügend Zeit, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass Mary-Kate und Ashley Olsen, die beide Baby Michelle verkörperten, seit einer Dekade in eigenes Mode-Label im Big Apple stemmen und der Schauspielkunst den Rücken kehrten. Weniger Terminschwierigkeiten dürften die Hauptdarstellerinnen Candace Cameron Bure und Jodie Sweeting gehindert haben, ihre Karriere lag nach dem Serienende von Full House 1997 eher brach. Gleiches gilt für Andrea Barber und Bob Saget, der sich nach mehreren Flops vor der Kamera von 2005 bis 2014 Gehör als Erzähler und Stimme des gealterten Ted Mosby in der Comedy-Serie How I Met Your Mother verschaffte.

Wie in alten Zeiten, fast lautet der Titel des Piloten zur Sitcom und hält sich bis ins kleinste Detail an sein Versprechen. An das Bedürfnis - oder zumindest die Bereitschaft - des Zuschauers nach Nostalgie wird stark appelliert. Wer in den 1990er Jahren kein Freund der Sitcom Full House war, der wird an der ersten Episode von Fuller House nur mäßig Gefallen finden. Zur Feier des Neuauftakts wird noch einmal das Original-Intro mit dem gewissen Retro-Charme vorgeschaltet. Call Me Maybe-Sängerin Carly Rae Jepsen ist die neue Stimme hinter dem alten Song, der nach einem kurzen Eingang auch das neue Intro begleitet, in dem die Darsteller nach dem "Damals & Heute"-Prinzip vorgestellt werden. Die Bezüge zur den guten alten Zeiten reichen von einer Dopplung der Handlung (das Schicksal der Tanners wiederholt sich, und wie einst Vater Danny drei Töchter als Witwer großzog, findet sich auch DJ Tanner-Fuller - so der angeheiratete Nachname, der gleichzeitig den Serientitel erklärt - nach dem Tod ihres Mannes als alleinerziehende Mutter von drei Söhnen wieder), über das Rezitieren populärer Punchlines ("Hug it Out") bis hin zu Requisiten wie der Woodchuck-Handpuppe, mit der Onkel Joey den Alleinunterhalter mimt.

Hör mal, wer da hämmert, mag man sich zuweilen denken und sich an eine weitere beliebte Familien-Sitcom der 1990er Jahre erinnert fühlen , denn die zahlreichen Referenzen und Anspielungen winken nicht subtil mit dem Zaunpfahl, sondern werden dem Zuschauer in manchen Momenten mit der dumpfen Intensität eines Vorschlaghammers um die Ohren gehauen. Das gipfelt in dem vollständigen Nachspiel einer Sequenz und dem direkten Fotobeweis im Split-Screen: Familie Tanner tanzt im fröhlichen Reigen um das weinende Baby und tröstet es mit den Singen des Titelsongs zur Familie Feuerstein und liefert damit gleich eine Referenz an das eigenen Genre. Manche Dinge ändern sich eben nie. Viel Neues passiert aber eben auch nicht.

Fans der ersten Stunde können all diese familiengerecht versteckten Ostereier sicher zum Schmunzeln bringen und in alten Zeiten schwelgen lassen. Auch das Wiedersehen mit den Familienmitgliedern wird den Nostalgiker erfreuen, der erleichtert feststellen darf, dass trotz des Verschwindens bunter Musterhemden und Vokuhilas 29 Jahre keine lange Zeitspanne sind und die Figuren noch immer seltsam vertraut wirken. Denn ihre primären Eigenschaften haben die Tanners nicht abgelegt: Warmherzigkeit und Opferbereitschaft. Und das kommt einer Familien-Sitcom gut zu stehen. Dazu kann im Besonderen das Schauspiel der liebenswürdigen Tanner-Schwestern Candace Cameron Bure und Jodie Sweetin überzeugen, deren Verhältnis zueinander unverändert geblieben ist und sogar Andrea Barber alias Kimmy Gibbler, die schon damals DJs beste Freundin und eine Geduldsprobe für die Nerven aller anderen Hausbewohner war, tritt mit ihrer erfrischenden Penetranz positiv in Erscheinung. Wer dem Sequel zu Full House seit seiner Ankündigung entgegenfieberte, der wird die 13 Episoden Fuller House mit hoher Wahrscheinlichkeit am Wochenende der Erscheinung geschaut haben. Es lohnt sich wohl auch, der Serie eine Chance zu geben, wenn man sich generell für die ca 24-minütige Genre-typische Unterhaltung der klassischen Familien-Sitcom begeistern kann. Für alle anderen gilt nach der Sichtung des Piloten: "Hör doch auf."

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