Ghostbusters und das Schreckgespenst Nerd-Kultur

27.07.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Ghostbusters 2016: Melissa McCarthy, Kate McKinnon, Kristen Wiig und Leslie Jones
Sony Pictures
Ghostbusters 2016: Melissa McCarthy, Kate McKinnon, Kristen Wiig und Leslie Jones
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Wenn das sogenannte Female-Reboot der Ghostbusters jetzt auch in die deutschen Kinos kommt, liegen fast zwei Jahre Empörung hinter dem Film. Stets betonten die Empörten dabei, ihr Aufschrei habe nichts mit Sexismus zu tun. Doch womit dann?

Hocherfreut verkündete  Regisseur Paul Feig im Oktober 2014 auf twitter, er werde einen neuen Ghostbusters-Film schreiben und inszenieren. Jahrelang hatten Fans bis dahin über mögliche Fortsetzungen des 1980er-Jahre-Franchises spekuliert, immer wieder befeuert von Gerüchten und angeblichen Aussagen der alten Cast-Mitglieder: Ein offizieller dritter Teil sei in Planung, hieß es auf der einen, man arbeite an einem Remake auf der anderen Seite. Als Feig die damals buchstäblich umhergeisternde Vermutung bestätigte, das Projekt sei als "Reimagining" der alten Idee konzipiert, schienen manche Fans über diese Gewissheit nicht gerade erleichtert. Der Regisseur nämlich gab zugleich bekannt, mit der Besetzung von Melissa McCarthy, Kristen Wiig, Kate McKinnon und Leslie Jones aus Geisterjägern Geisterjägerinnen machen zu wollen – ein Vergehen am Original, behauptete zumindest ein sehr lautstarker Teil der Ghostbusters-Anhänger.

In und unter den seinerzeit schnurstracks veröffentlichten Meldungen der üblichen Filmseiten äußerte sich deutlicher Unmut. "Wann wird es von Thelma & Louise ein Remake mit zwei Männern geben?", kommentierte jemand wahnsinnig gewitzt einen Variety-Artikel , der auch sonst mit hochdramatischen Wortmeldungen aufwartete ("schlimmste Idee aller Zeiten", "die erzwungene weibliche Version eines Klassikers wird Ghostbusters für immer ruinieren"). Auf der dezidiert an Popkultur-Filmnerds gerichteten Website Slashfilm  malte sich ein anderer Leser schon mal das neue Ghostbusters-Logo aus, welches vermutlich mit "Wimpern und Lippenstift" versehen werde. Und selbst Artikel eigentlich hysterieunverdächtiger Branchenmagazine wie Deadline  griffen diesen Tonfall auf: Autor Mike Fleming Jr. fantasierte dort irgendeinen Blödsinn von "chicks chasing ghosts" und Angriffen der "Östrogen-Menge" zusammen.


Bei bloßen Kommentaren, die Ablehnung für das angekündigte Projekt zum Ausdruck brachten, wollten es einige jedoch nicht belassen. Der seinem Zielpublikum als "Angry Video Game Nerd" bekannte YouTube-Kanal-Betreiber James Rolfe investierte Zeit und vielleicht auch etwas Mühe in ein Video , das erklärte, warum er weder Zeit noch Mühe investieren werde, um den neuen Ghostbusters-Film in einer Videokritik zu besprechen. Das habe, versicherte er wie alle, denen das female reboot sauer aufstoße, nichts mit dem Gender-Swap der Geschichte zu tun. Vielmehr bediene sich der "grauenvoll" aussehende Trailer eines Erbes, zu dessen Figuren er – dieses Wissen hatte Rolfe anscheinend ganz exklusiv – keine Verbindung eingehe. Junge Menschen, so die Befürchtung, würden diesen Film schauen, ohne das Original zu kennen oder es anschließend nachholen zu wollen (es ging also, anders formuliert, um die heimliche Angst, der neue Ghostbusters könne ziemlich gut werden).

Auf YouTube existieren zahllose Beiträge, in denen Menschen erzählen, welche Filme sie gesehen haben. Der umgekehrte Weg – Videos über Filme, die Menschen nicht sehen wollen – ist jedoch neu. In der anhaltenden Debatte um das Ghostbusters-Reboot, für das statt vier bekannte Komiker (1984) nun eben vier bekannte Komikerinnen (2016) verpflichtet wurden, hätte es kaum eine aussagekräftigere Wortmeldung geben können. Unfreiwillig brachte James Rolfes Mitteilungsbedürfnis die ganze Misere der Debatte, ihre eingeschnappten Vorverurteilungen und die stolz vorgetragene Weigerung, sich mit etwas auseinanderzusetzen, auf den Punkt. Denn das Ghostbusters-Franchise ist nicht, wie Rolfe verkündete, mit dem Tod des Egon-Spangler-Darstellers Harold Ramis gestorben. Sondern in dem Moment, als "angry nerds" anfingen, es für ein unverhohlen sexistisches und die eigene Fan-"Kultur" entlarvendes Trollverhalten zu missbrauchen (oder, wie der "ehrliche Trailer" zu Ghostbusters 2 hübsch darlegt, bereits im Jahr 1989, als das heißgeliebte alte Franchise sich ganz ohne Geschlechtertausch selbst zu Grabe trug).


Daraus ergeben sich vor allem Fragen. Warum etwa das "Erbe" der Ghostbusters nur Männern gehören soll. Oder mit welcher Rechtfertigung solche Platzhirsche meinen, sich derart unentspannt auf eine möglicherweise missratene, aber unterm Strich harmlose Komödie einschießen zu müssen. Amüsant wurde und wird die Diskussion besonders dort, wo den Hatern daran gelegen scheint, dass man ihre Ablehnung keinesfalls sexistisch versteht. Zwar gab es in den letzten Jahren bei keiner anderen Neuauflage eines kanonisierten Stoffes – und seien die Änderungen gegenüber der Vorlage auch noch so gravierend gewesen – annähernd vergleichbare Aufschreie. Doch hat das wehleidige Abstrafen des neuen Ghostbusters natürlich nichts mit dem geänderten Geschlecht der Helden zu tun. Es gehe vielmehr um… ja, um was eigentlich? Nerds, die ihre "Kindheitserinnerungen" ausgerechnet von Brüsten bedroht sehen? Wenn das keine Pointe ist!

Hinter der Hartnäckigkeit der Gegner, etwas zu boykottieren, für das sie sich im gleichen Moment nicht zu interessieren vorgaben, steckte freilich auch eine selbsterfüllende Prophezeiung, die manch alberne Haken schlug. Der Ghostbusters-Trailer erhielt so viele negative Wertungen wie keine andere Kinovorankündigung in der Geschichte von YouTube , und auf der IMDb-Seite des Films verteilten – überwiegend männliche  – Nutzer lange vor Kinostart möglichst wenige Punkte, um das Rating nach unten zu drücken. Die Macher des Reboots also schienen bereits eine heilige Kuh der Nerd-Geschichte geschlachtet zu haben, noch bevor ihr Film überhaupt gedreht war. Wo auch immer ein Text, eine Neuigkeit, ein simpler Vermerk zum neuen Ghostbusters veröffentlicht wurde, konnte man nach aufgebrachten Hasskommentaren die Uhr stellen. Sogar (oder gerade?) jetzt, da der Film halbwegs erfolgreich und nach zum Teil überschwänglichen Kritiken  in den US-Kinos läuft, mag das penetrante Dagegenhalten kein Ende nehmen.

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