I Love Dick - Amazons Serie um eine Dreiecksbeziehung im Pilot-Check

12.05.2017 - 09:25 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
I Love Dick: Kevin Bacon ist DickAmazon
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Mit I Love Dick adaptiert Transparent-Schöpferin Jill Soloway den gleichnamigen Roman um eine Dreiecksbeziehung mit Kathryn Hahn, Kevin Bacon und Griffin Dunne für Amazon Prime. Wir haben den Piloten gesehen.

I Love Dick erschien bereits vor 20 Jahren. Erst jetzt, passend zum Serienstart, ist der Roman von Chris Kraus erstmals in deutscher Übersetzung aufgelegt worden. Der reißerisch klingende englische Titel blieb erhalten und so ist dem Leser nicht sofort klar, dass es sich bei dem genannten Objekt der Begierde um einen Professor und Ranchbesitzer in den Vierzigern (Kevin Bacon) handelt, der für ein Ehepaar (Kathryn Hahn und Griffin Dunne) zur Obsession werden soll. Transparent-Schöpferin Jill Soloway, die für ihre Transgender-Familienserie mit viel Lob bedacht wurde, pickte sich für ihr zweites Serienprojekt mit dem Streaming-Riesen Amazon Prime den feministischen Schlüsselroman heraus, den sie gemeinsam mit Sarah Gubbins filmisch umsetzt.

Den halbstündigen Piloten inszenierte die Emmy-Gewinnerin Soloway selbst. Zum Auftakt der Ménage-à-trois schickt sie die intellektuellen New Yorker Silvere (Griffin Dunne) und Chris (Kathryn Hahn) in die Wüste. Chris möchte den kleinen Abstecher nach Texas lediglich nutzen, um ihren Mann dort abzusetzen, bevor sie nach Venedig fliegt. Der Indie-Streifen der unabhängigen Filmemacherin hat es ins Programm des renommierten Filmfestivals geschafft. Silvere, Professor für Kulturtheorie, folgte dem Ruf des Dozenten Dick, der in dem staubigen Kaff Marfa Intellektuelle um sich schart, die in der Abgeschiedenheit der Wüste frei von jeder Ablenkung schreiben, forschen und reden sollen. Ein Urheberrechtsstreit durchkreuzt Chris' Pläne, ihr Film, der den gesellschaftlichen Druck auf die Frau thematisiert, wird vom Festival verbannt und sie beschließt missmutig, ein paar Tage in "motherfuckin' Marfa" zu verweilen.

Der Kontrast von der beengten Wohnung im grauen Manhattan zur sonnendurchfluteten Weite der texanischen Prärie könnte größer nicht sein. Die Großstädter wirken in der staubigen Einöde deplatziert, vor allem Chris, die von der freundlichen Nachbarin Devon (Roberta Colindrez) in deren Trailer zitiert wird, als sie sich auf den Schock des geplatzten Screenings ein Haschpfeifchen ansteckt. Devon klärt sie über strenge Drogengesetze in Texas auf und sorgt dafür, dass Chris die neonfarbenen, hippen Birkenstocklatschen zugunsten von festen Cowboystiefeln abstreift. Immerhin lauern Klapperschlangen und Skorpione im Wüstensand. Nun ist sie zumindest modisch auf ihren Aufenthalt in Marfa vorbereitet. Silvere fällt auf dem lockeren Empfang zum Seminarbeginn der Künstlersiedlung durch seine zugeknöpfte Reserviertheit aus der Reihe. Einem blassen, nixenhaften Geschöpf am Karpfenteich erklärt er, dass zu große Schönheit Beklemmung in ihm hervorruft und er sich Dicks Institut anschließt, um ein Buch über die Ästhetik des Holocaust zu verfassen. Die Schönheit der jungen Nixe, die lächelnd seine melancholische Ausstrahlung bewundert, scheint Silvere allerdings nicht allzu arg einzuschüchtern.

Chris scheint das nicht zu stören, denn als sie die Bekanntschaft des Gastgebers macht, blendet sie alles andere um sich herum aus. Dick ist ein charismatischer Intellektueller, der sich als romantisiertes Marlboro-Ideal des Cowboys inszeniert, auf dem Pferd zum Supermarkt reitet und morgens von der Veranda seines Hauses seinen Blick über sein Land schweifen lässt. Dick ist aber auch das, was eine Übersetzungsmöglichkeit seines Namens aus dem Englischen bedeuten kann: gelinde gesagt ein ziemlich unangenehmer Zeitgenosse. Obwohl er Chris beleidigt, ihr Schaffen als Künstlerin herabwürdigt und ihr sagt, dass es keine einzige gute Regisseurin gibt, ist sie ihm völlig verfallen. Nach einem Abendessen, das mit dem abrupten Aufbruch von Dick endet, schreibt Chris ihre sexuelles Verlangen nach ihm noch in der selben Nacht nieder.

Autorin und Filmemacherin Chris Kraus vermischte 1997 in ihrem Debüt-Roman I Love Dick Autobiografie und Fiktion, beschreibt die Affäre zu einem Professor namens Dick und das damit eingeläutete Ende ihrer gescheiterten Ehe mit dem Kulturtheoretiker Sylvère Lotringer. In Briefen an Dick, die sie niemals abschicken will, beschreibt sie die Leidenschaft und Obsession, die er in ihr erweckt. Ihren Gefühlen lässt sie nur sprachlich freien Lauf und Sylvère, der das Spiel anfänglich interessant findet, lässt sich auf eine fiktive Dreiecksbeziehung ein, von der Dick niemals erfahren soll. Soloway verlegt die Handlung in die Gegenwart, behält die Namen der Protagonisten bei. Sie lässt Chris als Voice-over aus den Briefen zitieren, die Texte werden plakativ in dicken weißen Buchstaben auf rotem Grund eingeblendet. Neben den kurz aufblitzenden Szenen aus Filme der Regisseurinnen, die Dick als unbedeutend abtut (Jane Campion, Sally Potter und Chantal Akerman), sind die knalligen Texttafeln eines der visuellen Highlights, die zugleich an die Textvorlage erinnern.

Kathryn Hahn, die bisher hauptsächlich kleinere, aber eindrucksvolle Rollen spielte (Captain Fantastic, The Visit), ist eine tolle Besetzung für die Rolle der Chris. Es ist die dritte Zusammenarbeit der Schauspielerin und der Regisseurin. Soloway inszenierte Hahn in ihrem Spielfilm-Debüt Love. Sex. Life. (OT: Afternoon Delight) als (sexuell) frustrierte Hausfrau, die den Ausbruch aus ihrem langweiligen Dasein sucht. Beide Frauen ernteten 2013 viel Lob auf dem Sundance Film Festival, Soloway wurde mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet. Es folgte eine Nebenrolle in Transparent, bevor Soloway Hahn in I Love Dick die Hauptrolle zugestand. Jede Facette der widersprüchlichen Gefühle für einen Mann, der diese nicht erwidert, ist auf dem Gesicht der Schauspielerin abzulesen. Ihr Verlangen und ihr Begehren kann Chris vorerst nur verbal ausleben. Das Schreiben fiktiver Briefe über reale Gefühle hat eine therapeutische Wirkung auf sie. Ob die Dreiecksliebelei nur auf dem Papier zum Ausdruck kommen darf, werden die folgenden sieben Episoden zeigen.

Alle acht Episoden der Serie I Love Dick sind seit dem 12.05.2017 auf Amazon Prime abrufbar.

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