Ich, der Vagabund und das Kind & wahre Empathie

09.03.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Mein Herz für Klassiker: Der Vagabund und das Kind
First National
Mein Herz für Klassiker: Der Vagabund und das Kind
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Mit seinem Klassiker Der Vagabund und das Kind war Stummfilm-Meister Charlie Chaplin schon 1921 ein Pionier eines noch heute außerordentlich beliebten Genres – die dramatische Komödie. Ich vergebe heute Mein Herz für Klassiker.

Mit seinem ersten Langfilm überhaupt schuf der Meister der Stummfilm-Ära Charlie Chaplin ein bis heute unvergessenes Meisterwerk dieses Genres, das mit seiner herzergreifenden Geschichte von einem Waisenkind (Jackie Coogan), das von seiner Mutter (Edna Purviance) gezwungenermaßen verlassen wurde, unter die Haut geht. Chaplin selbst spielt den armen Vagabunden, der das Kind aufnimmt und groß zieht. Die beiden bilden schon bald ein unschlagbares Duo, dessen aufrichtige Freundschaft bewegt. Am Ende steht die glückliche Vereinigung mit der Mutter, eine Geschichte nach der sich der Regisseur und Hauptdarsteller auch in seinem eigenen Leben so sehr sehnte. Der Vagabund und das Kind (engl. The Kid) ist Chaplins vielleicht persönlichstes Werk und mit seiner unvergleichlichen Balance aus Drama und Komödie ein Pionier für viele darauf folgende Werke. Es wird Zeit; heute vergebe ich Mein Herz für Klassiker.

Warum ich Der Vagabund und das Kind mein Herz schenkte
Ich bin erst sehr spät zu Chaplins Werk gekommen. Als ich mir vor einigen Jahren dann aber eine Best Of-Collection zulegte und vollkommen zufällig als erstes The Kid in meinen DVD-Player einlegte, war es um mich geschehen. Von der ersten bis zur letzten Sekunde fesselte mich der Film und ließ meine Augen durch seine gekonnte Grad-Wanderung zwischen frechem Witz und berührendem Drama leuchten. Nicht umsonst wählte Chaplin den intelligenten wie genialen Untertitel: a story with a smile – perhaps, a tear. Ein Satz, der dem Film wie die Faust auf’s Auge passt und damit seine unvergleichliche Magie beschreibt. Die Szenen, in denen der einsame Vagabund und das Waisenkind voneinander getrennt werden, sind durchtränkt mit tiefer Trauer, die sich unweigerlich auf den Zuschauer überträgt. Chaplins und Coogans einprägende Darstellungen rufen in mir bei jedem Sehen wahre Empathie hervor, die aber durch die urkomischen Szenen, wenn das Duo gemeinsame Sache macht, einen extrem wichtigen humoristischen Touch bekommen.

Warum auch andere Der Vagabund und das Kind lieben werden
Klar, wer den Stummfilm allgemein nicht zu schätzen weiß, wird auch zu The Kid eher schwierig Zugang finden. Wer sich allerdings von Zeit zu Zeit gerne von den heutigen Sehgewohnheiten befreit und von monochromen Bildern betören lässt, dem wird bei diesem Klassiker das Herz aufgehen. Es ist schier unmöglich sich dem liebevollen Charme, den das umwerfende Leinwand-Duos ausstrahlt, zu entziehen. Die beiden entwickeln sich zu einem untrennbaren Gespann, dessen Abhängigkeit und Freundschaft zueinander das wichtigste Motiv des Films darstellt und einen unwiderstehlich sympathischen Charme auf die Leinwand zaubert.

Warum Der Vagabund und das Kind einzigartig ist
Die Besonderheit an dem 1921 veröffentlichten Film sind die inhaltlich eng verschlungenen Parallelen zu Chaplins eigener Biografie, dessen Mutter in seiner Kindheit nach psychischen Problemen das Sorgerecht entzogen wurde. Ab seinem achten Lebensjahr lebte er zusammen mit seinem Bruder in einem Waisenhaus und musste eine schwierige Kindheit und Jugend überstehen. In Der Vagabund und das Kind verarbeitet der Regisseur und Schauspieler diese traumatischen Erlebnisse und schrieb ein Ende, das er sich in seiner Kindheit offenbar auch oftmals herbeisehnte: Mutter und Kind glücklich vereint. Diese traurige Tatsache macht Der Vagabund und das Kind zu Chaplins womöglich persönlichstem Film. Ein wahres Juwel in einem derart umfassenden Gesamtwerk!

Warum Der Vagabund und das Kind die Jahrzehnte überdauerte
Das der schwierige Balance-Akt zwischen Drama und Komödie nur den wenigsten gelingt, dürfte auch heutigen Kinobesuchern nicht entgangen sein. Umso größer wiegt die Leistung Chaplins in Der Vagabund und das Kind, der als einer der ersten Filme aller Zeiten gilt, der diese beiden eigentlich extrem unterschiedlichen Genres darin meisterhaft miteinander vernetzte und damit als Erfinder und Pionier einer noch heute sehr beliebten Gattung gelten muss. Umso erstaunlicher, dass Der Vagabund und das Kind Chaplins ersten Langfilm darstellte und er vorher ausschließlich in kurzen 20-minütern Erfahrungen sammeln konnte. Doch nicht nur im allgemeinen cineastischen Gedächtnis hat der Film überlebt, auch Chaplin selbst ließ der Film nie richtig los. So komponierte er den Soundtrack erst 50 Jahre nach der Veröffentlichung und änderte zudem einige Schnitte.

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