Ich, die Retrospektive & Barbie: Zauberhafte Pferdewelt

08.09.2015 - 09:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Barbie: Zauberhafte Pferdewelt
Mattel
Barbie: Zauberhafte Pferdewelt
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Erstmal vorweg — nein, hier ist keine Ironie im Spiel! Barbie: Zauberhafte Pferdewelt gehört tatsächlich zu den ersten Titeln, in die ich mich verliebt habe und war außerdem eines der ersten Spiele, das mich mit dem PC vertraut machte.

Ich mag keine Puppen. Meiner Puppe habe ich damals unsystematisch Glitzer in die Visage geschmiert und ihr mit einer Bastelschere etwas verpasst, was man heute wohl als Sidecut bezeichnen würde. Außerdem bin ich auch nie ein waschechter Pferde-Fan gewesen, der Stapel Wendys wurde nach nicht allzu langer Zeit unter Rittern, Drachen und Bionicles begraben. Mich hat damals — gegen Ende der Neunziger — eher die Grafik fasziniert, als ich das erste Mal mit Barbie: Zauberhafte Pferdewelt in Berührung kam.

Barbie und eure reitbaren Untersätze

Das Adventure Barbie: Zauberhafte Pferdewelt nimmt euch mit in das Tal der Geheimnisse, wo sich Barbie (Überraschung!), Christie und Teresa als Mitglieder des Barbie-Reitclubs um den Erhalt von Flora und Fauna kümmern. Allem Anschein nach haben Wildpferde auf diesem idyllischen Fleckchen Erde ihre Spuren hinterlassen, weshalb ihr euch gemeinsam mit Barbie unter anderem aufmacht, um dieses Geheimnis zu lüften. Abgesehen davon erwarten euch am Schwarzen Brett des Barbie-Reitclubs aber noch allerlei andere Aufgaben wie Fotos von Pflanzen zu schießen oder einem Frosch eine Goldmünze abzujagen.

Um das Tal der Geheimnisse bei Ausritten zu erkunden, habt ihr die Wahl zwischen vier unterschiedlichen Pferden mit unnatürlichen langen Wimpern, die höchstwahrscheinlich an Karies leiden, weil ihr sie unbegrenzt mit Zuckerstückchen füttern könnt. Einen festen Namen hat keines dieser edlen Tiere. Stattdessen könnt ihr aus einer Liste eine Bezeichnung für jedes Ross aussuchen. Die Namen schwanken zwischen Kitsch (Zimtsternchen, Sommerwind), altbackenen Frauennamen (Gisela, Cecilie), Namen aus dem RTL-Nachmittagsprogramm (Cindy, Melody) und sehr bizarren Benennungen (Vagabund, Brise).

Das Wildpferd Traumtänzer lebt auch im Tal der Geheimnisse

Damals, gegen Ende der Neunziger, zeigte mir eine Freundin nach der Schule ihr neues Computerspiel und auf dem Bildschirm tat sich für mich plötzlich eine malerische Landschaft voller saftig-grüner Wiesen, süßer Tiere, Apfelbaumplantagen, Wasserfälle und schier endloser weißer Strände auf. Ich hielt Barbie: Zauberhafte Pferdewelt für das Non­plus­ul­t­ra der Computergrafik. Zuvor bin ich nur mit Spielen auf meinen beiden Gameboys vertraut gewesen, weshalb das Püppchen-Adventure für mich tatsächlich vergleichsweise realitätsnah daher kam.

Ab diesem Zeitpunkt habe ich meinen Eltern lange und ausdauernd in den Ohren gelegen, weil ich auch einen Computer und Barbie: Zauberhafte Pferdewelt haben wollte — um jeden Preis. Ich weiß nicht mehr genau, weshalb dieser Wunsch nicht in Erfüllung gegangen ist, aber bis zum heutigen Tage bin ich nie im Besitz dieses Adventures gewesen. Stattdessen erinnere ich mich daran, dass die ersten PC-Spiele, die ich dann etwas später besessen habe, Midtown Madness und Age of Empires waren.

They see my ridin', they hatin'

In der Retrospektive hege ich im Kitsch liebenden Teil meines Herzens immer noch große und tiefsitzende Nostalgie-Gefühle für Barbie: Zauberhafte Pferdewelt. Der Rest gibt Aufschreie des Entsetzens von sich. Bei der nochmaligen Sichtung von Gameplay für dieses Mein Herz für Klassiker musste ich feststellen, dass ich noch nicht unter Motion Sickness gelitten haben konnte, als ich Feuer und Flamme für das Adventure war. Barbie: Zauberhafte Pferdewelt wechselt nämlich in die Ego-Perspektive, sobald Reiten auf dem Spielplan steht. Und auf diese Weise durch die Pixellandschaft zu reisen, ist heutzutage wirklich kein Zuckerschlecken mehr für mich.

Doch was mir die schlimmsten Schauer über den Rücken jagt, ist die sich nervtötend überdeutlich artikulierende und übermäßig enthusiastische Stimme von Protagonistin Barbie. Ich frage mich jetzt, wie ich das damals Spielstunde um Spielstunde aushielt, die ich gemeinsam mit meiner Freundin Nachmittag für Nachmittag vor dem Computer verbrachte. Neulich beim Feiern hatte ich einen ähnlichen Gedanken. Im Rahmen eines Neunziger-Mottos dröhnte die musikalische Perle Boomerang von Blümchen aus den Boxen.

Mit betäubten Ohren und schmerzverzerrtem Gesicht stand ich am Rande einer Menschenmasse, die sich wild hüpfend durch den Raum bewegte und war bestürzt. Denn ich kann mich noch ziemlich gut daran erinnern, dass ich dieses Musikstück eine Zeit lang in Dauerschleife konsumiert habe. Wie meine Eltern diese Audio-Folter überstanden haben, ist für mich eines der großen Rätsel des Universums. Ich habe ein sehr schlechtes Gewissen, weil sie das durchmachen mussten.

Manchmal bin ich schon froh, dass die Neunziger der Vergangenheit angehören.

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