Ich liebe Unreal Tournament & Call of Duty muss darunter leiden

27.03.2016 - 09:00 Uhr
Ich bin noch immer verknallt
Epic Games
Ich bin noch immer verknallt
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Sie könnten prominenter nicht sein und doch habe ich mich um Call of Duty, Battlefield und Co. immer erfolgreich drücken können. Doch jetzt habe ich mich Black Ops 3 hingegeben und gemerkt: Ich will eigentlich wieder Unreal Tournament spielen.

Über Wochen hinweg konnte ich in der Redaktion nur mit Kopfhörern arbeiten, da es immer wieder jemanden gab, der eine Lobeshymne auf den Multiplayer von Call of Duty: Black Ops 3 anstimmte und über Spezialisten und Unlocks trällerte. Der beste Multiplayer-Modus seit Jahren, so hieß es. Endlich wieder fair, langzeitmotivierend und überhaupt total großartig. Das musst du dann jetzt aber auch mal spielen, Hannes. Auch wenn man Call of Duty nicht mag, am Multiplayer gibt's nichts zu meckern. Irgendwann hatte ich dann nachgegeben.

First Person-Vernachlässigung

Dabei ist es gar nicht so, dass ich Call of Duty nicht mag. Ganz im Gegenteil sogar. Doch ich habe die Reihe vor allem durch die frühen Kampagnen lieben gelernt, als sich der damals breitgetretene Zweite Weltkrieg plötzlich wieder packend anfühlte. Den großen Paradigmenwechsel in Call of Duty 4: Modern Warfare hatte ich dann aber verpasst. Den zeitgenössischen Ansatz wusste ich zwar zu schätzen, aber zum Release von Modern Warfare hatte ich gerade nicht viel mit First Person-Shootern am Hut.

Ich tobte mich in anderen Genres aus und kehrte nur dann zu den Ego-Shootern zurück, wenn sie mir irgendeinen besonderen Twist oder einen Mehrwert bieten konnten: Borderlands und Bioshock Infinite ja, Battlefield 3 und CoD nein. Ach, ich sage es einfach frei heraus: Ich habe mich in den letzten 6 bis 7 Jahren kaum mit Ego-Shootern beschäftigt und schon gar nicht auf einer kompetitiven Ebene. Aber Black Ops 3 ist ja fair, langzeitmotivierend und toll, also perfekt, um mein Shooter-Comeback zu feiern.

Tja, falsch gedacht.

Es tut mir wirklich leid, aber ich komme mit Black Ops 3 nicht zurecht. Das liegt aber wohl in erster Linie an meinen Fähigkeiten. Vielleicht bin ich ja mittlerweile wirklich zu alt oder meine Augen sind doch noch schlechter geworden, obwohl mein Augenarzt geschworen hat, dass es kaum schlimmer geht. Natürlich braucht es auch ein wenig Einarbeitungszeit, wenn man sich das erste Mal an die Mechaniken wagt, die hinter dem komplexen Upgrade- und Level-Systemen stecken, die den Multiplayer der Call of Duty-Shooter seit Jahren auszeichnen. Dass ich aber absolut nicht in der Lage bin, irgendwie mit den anderen Spieler zu konkurrieren, hätte ich wirklich nicht gedacht.

Kaum hatte ich meinen Spezialisten halbwegs verstanden und ein Gefühl für die Maps entwickelt, drängte sich mir das Gefühl auf, dass mein Unvermögen vielleicht gar nicht in bloßen Unwissen begründet liegt. Ich bin nicht schlecht in Call of Duty: Black Ops 3, weil ich das Spiel nicht verstanden habe. Ich bin schlecht, weil ich ein anderes Verständnis von Ego-Shootern habe und zu träge bin, mich davon zu lösen. Diese peinliche Einsicht kam mir dann, als ich spontan in das Unreal Tournament-Reboot  reinschauen wollte, dass Epic Games gerade als Free to Play-Projekt gemeinsam mit der Community entwickelt.

Raketenwerfer sind wie Fahrrad fahren

Eigentlich befürchtete ich, dass mich hier ein ähnliches Schicksal ereilen wird wie in Call of Duty: Black Ops 3. Meine Zeit mit der Unreal Tournament-Reihe liegt lange zurück und um Quake Live habe ich mich auch immer erfolgreich drücken können. Aber überraschenderweise war hier genau das Gegenteil der Fall. Zwar habe ich meine Gegner nicht dominiert, aber ich konnte mithalten und spielte im oberen Mittelfeld. Eigentlich bin ich in Sachen Unreal Tournament ebenso ungeübt wie in Call of Duty, dennoch gelingt es mir hier ins Spiel zu finden und nicht nur allein als Kanonenfutter zu dienen. Aber warum ist das so?

Für mich stehen Ego-Shooter wie Doom, Unreal Tournament und Quake den modernen Kollegen von Call of Duty, Battlefield, Halo und Titanfall direkt gegenüber. Obwohl sie sich im selben Genre tummeln, könnte die zugrundeliegende Zusammensetzung von Bestandteilen wie Bewegung, Geschwindigkeit und Genauigkeit verschiedener kaum sein. Und offenbar bin ich ein Spieler, der mit Shootern aufgewachsen ist, die in simpler Level-Architektur funktioniert haben und bin daher darauf trainiert, mich hauptsächlich auf intuitive und schnelle Bewegungen zu verlassen. Behutsames Vorgehen ist hier unangebracht.

Auch wenn moderne Shooter seit Titanfall verstärkt auf vertikales Gameplay setzen und wir an den Wänden laufen und Jetpacks auf den Rücken geschnallt bekommen, ist das alles noch immer kein Vergleich zum Rausch der Geschwindigkeit, den wir in den Arenen von Unreal Tournament erleben. Tatsächlich hatte ich bei Black Ops sehr mit der gefühlten Langsamkeit zu kämpfen, die die Matches auszeichnet. Selbst die schnellsten Sprints über die Map ließen mich ungeduldig werden. Wenn ich dann aber auf meine Gegner treffe, geht es plötzlich doch ganz schnell. Es braucht nur einen Bruchteil einer Sekunde und schon bin ich tot.

Monsterkill mit Feingefühl

Ein echtes Feuergefecht findet hier nicht statt und es gewinnt meist derjenige, der den anderen zuerst gesehen hat. Mittlerweile hat sich die Community derart an die Mechaniken gewöhnt, dass die direkten Konfrontationen eigentlich nur noch auf Reflexe heruntergebrochen wurden. Interessanterweise verhält es sich bei Unreal Tournament genau andersherum. Während die allgemeine Bewegung durch Maps fast blitzartig geschieht und wir innerhalb von Sekunden von einem Ende zum anderen gelangen, werden die eigentlichen Schießerein vergleichsmäßig in die Länge gezogen. Hier zählt nicht reflexartige Zielgenauigkeit sondern ein intuitives Gefühl für den Bewegungsfluss.

Brutal aber bekloppt

Seit jeher sind viele Waffen in Unreal Tournament oder Quake darauf ausgelegt, abzuschätzen, wo der Gegner entlanglaufen wird. Wir halten die Waffen vor und hoffen, dass unser Gegenüber direkt in die Rakete laufen und in seine Einzelteile zerspringen wird. In meinem Kopf vergleiche ich diese beiden Ansätze mit Schießbuden auf dem Jahrmarkt und Kindern, die mit ihren Wasserpistolen im Garten spielen. Wo Call of Duty und Co. versuchen, bei aller SciFi-Extravaganz auf Authentizität, Vorsicht und Genauigkeit zu achten, steht bei Unreal Tournament das Gefühl im Vordergrund, sich direkt ins Getümmel zu werfen und solange im Zickzack zu laufen, bis die Erschöpfung überhand nimmt.

Natürlich gibt es noch viel mehr, viel offensichtlichere Unterschiede zwischen den beiden Shootern, da müssen wir nur auf den konstanten Militär-Fetisch schauen, der CoD, Battlefield und Co. auszeichnet, während Unreal Tournament und Doom auf fantastische Szenarios setzen, die mir deutlich sympathischer sind. Überhaupt scheinen sich viele aktuelle Ego-Shooter zu ernst zu nehmen, zumindest für meinen Geschmack. Aber abgesehen von der Präsentation und der Außenwirkung ist es vor allem dieser eine Kernunterschied, der mich lieber zur Super Soaker  als zum Luftgewehr greifen lässt.

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