Ich, Link's Awakening & Zeldas Melancholie

18.08.2015 - 09:00 Uhr
The Legend of Zelda: Link's Awakening
Nintendo
The Legend of Zelda: Link's Awakening
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The Legend of Zelda: Link's Awakening nahm mich vor vielen Jahren an die Hand und führte mich harmonisch und schwermütig zugleich in die Welt der Action-Adventures.

Meine Beziehung zu The Legend of Zelda gleicht einer langjährigen intensiven Freundschaft, die auch dann nicht an Hingabe verliert, wenn man einige Jahre getrennt voneinander verbringt. Und wie jede enge Freundschaft ist auch diese an einen bestimmten, für andere belanglosen Ort gebunden, der gemeinsame Erinnerungen und Erlebnisse wie ein Denkmal bündelt und allezeit wieder abrufbar macht.

Alles beginnt mit einer Anekdote

Dieser Ort ist für mich die mittlerweile von Rost gezeichnete Bank auf der Wäsche-Wiese vor der Wohnung meiner Großeltern. Hier traf ich mich mit einem Freund immer dann, wenn das Wetter so gut war, dass uns unsere Eltern zum Spielen nach draußen schickten. In einer Zeit, in der das Fahrrad im Keller verstaubte und stattdessen der Game Boy Color zum Gegenstand meiner infantilen Beschäftigung wurde, war diese Bank der perfekte Kompromiss zwischen Frischluft und Videospiel-Lust.

Spiele für den Game Boy Color besaß ich nur wenige. Während ich in japanischen Rollenspielen wie Dragon Quest Monsters oder Pokémon meine Fähigkeiten in Monster-Aufzucht und rundenbasiertem Kampf in etlichen Bank-Sessions beinahe perfektioniert hatte, sollte sich das Action-Adventure The Legend of Zelda: Link's Awakening als ganz neue Erfahrung herausstellen. Dabei handelte es sich um die DX-Variante, die mit Farben gespickte Neuauflage des Originals aus dem Jahre 1993. Diese erwarb ich wie so viele Titel damals spontan im Spielzeugladen, weil mich das Cover und die Bildchen auf der Rückseite ansprachen.

Die DX-Variante enthielt unter anderem einen Fotomodus.


So saßen wir beide da mit unseren portablen Nintendo-Konsolen; Mein Freund zähmte weiterhin Kreaturen in Dragon Quest Monsters, während ich mich in Link's Awakening mit Schild und Schwert gegen weitaus unbelehrbarere Geschöpfe zur Wehr setzte. Dies hielt uns aber keineswegs davon ab, unsere unterschiedlichen Abenteuer völlig durcheinander und einander an Lautstärke übertreffend zu kommentieren, sodass Nachbarn gedacht haben müssen, unweit eines riesigen Vogelkäfigs zu wohnen.

Eine Welt jenseits des Rollenspiels

Was aus heutiger Sicht so beginnt, wie die Schablone eines klassischen japanischen Videospiels aus den Neunzigern, war in der Retrospektive abenteuerlich, faszinierend, gar aufwühlend: Ein junger Held strandet bewusstlos auf einer ihm unbekannten Insel, nachdem sein Schiff nächtens im Sturm zerschellte. Vom jungen Mädchen Marin aufgefunden und in das Haus ihres Vaters Tarin gebracht, erwacht der junge Held namens Link verwirrt aber entschlossen, zunächst am Strand der Insel nach der verlorenen Ausrüstung zu suchen.

Die anfängliche Szene, in der ich mit Link zwischen rauschenden Wellen und stacheligen Seeigeln dessen Schwert wiederfand, war ein Schlüsselmoment: Die mir gegebene Möglichkeit, direkt mit Knopfdruck ein Schild zu halten und eine Klinge zu schwingen, um Büsche zu zerkleinern und Gegner zum Platzen zu bringen, war neu, aufregend und ließ im Vergleich zum statischen Gameplay eines rundenbasierten Kampfes in einem JRPG ein ganz anderes Gefühl von Macht aufkommen.

Wie ein DIEB zum Held wurde

Auch die Geschichte unterschied sich gänzlich von den Spielen, die zuvor meine Freizeit erfüllten: Während Doktor Eichs Auftrag, Pokémon-Meister zu werden, allenfalls Gefühle von Triumph oder Niederlage aufkommen ließ, rührte mich Link's Awakening gen Ende sogar zu Tränen. Die Rolle des weisen Ratgebers übernimmt hier ein sprechender Uhu, der Link kurz vor dem Erhalt seines Schwerts zu verstehen gibt, dass er auf einer fernen, von bösen Albträumen heimgesuchte Insel namens Cocolint gestrandet ist, auf deren Gebirgsspitze ein Windfisch in einem riesigen Ei schlummert.

Für die Lösung der Dungeons benötigte ich teilweise mehrere Tage.

Die Aufgabe, fortan alle Instrumente der Sirenen zu sammeln, um anschließend den Windfisch zu wecken, damit Link nach Hyrule zurückkehren kann, gab mir genug Motivation mich hartnäckig durch die acht mit kniffligen Rätseln und albtraumhaften Endgegnern gespickten Dungeons zu kämpfen: Viele Nachmittage krakeelte ich wie ein Kanarienvogel an der Seite meines Freundes auf der Bank; Viele Stunden zerbrach ich mir den Kopf über schier unlösbare Schieberätsel; Viele Male blickte ich entgeistert auf den Game Over-Bildschirm, weil mir der allerletzte Boss das mir noch verbliebene Viertel meiner Lebens-Herzen raubte.

Als ich die allerletzte Schlacht schließlich doch gewann, war das Gefühl des Sieges nur von kurzer Dauer: Nach langer, zermürbender Reise endlich den in allen Farben leuchtenden Windfisch zu wecken, war unbeschreiblich erleichternd. Jegliche albtraumhafte Gestalt wurde vertrieben, der Windfisch, der Erschaffer und Hüter Cocolints, wurde aus den Fängen dunkler Mächte befreit und ein noch grüner Jungspund, geführt von den eisernen Daumen einer Grundschülerin, erstrahlte als Held und Retter dieser Insel. Kurz darauf verschwand Cocolint. Alles Erlebte, alle getroffenen Bewohner, Marin, Tarin, die Zaubertrank-Hexe, fühlten sich plötzlich an wie ein langer, intensiver Traum.

Auch heute noch denke ich gelegentlich über das Ende nach. Als ich das Spiel vor ungefähr 14 Jahren beendete, war mir gar nicht bewusst, mit welch einfacher Technik Nintendo es überhaupt vollbrachte, eine solch emotionale Geschichte zu erzählen. The Legend of Zelda: Link's Awakening brauchte keine orchestrale Musik oder hochauflösende, cineastische Zwischensequenzen wie beispielsweise ein Final Fantasy XIII. Die Komposition aus liebevollen Charakteren, traumhafter 8-Bit-Musik und malerischen Umgebungen schaffte ein wunderschönes und zugleich melancholisches Erlebnis.

Wenn ich heute aus dem Küchenfenster meiner Großeltern schaue, befinde ich mich gedanklich eigentlich auf Cocolint.

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