Ich, Quake & der Rausch der Geschwindigkeit

02.02.2016 - 14:00 Uhr
Quake
id Software
Quake
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Lange vor Call of Duty oder Battlefield beherrschte ein Spiel die Bildschirme unserer Kinderzimmer: Quake von id Software. Dreckig, schnell und gnadenlos bescherte der Shooter Ende der 90er Jahre zahllosen Teenagern ihre erste Sehnenscheidenentzündung.

Es ist einfach, die Arme auf das Kissen am Fensterbrett abzulegen, nach unten auf den Hof zu schauen und in Richtung der dort spielenden Kinder zu rufen: "Früher war alles besser!" Keines der Kinder war bei diesem "Früher" anwesend, entweder glauben sie, was der alte Mann da oben sagt oder sie ignorieren es achselzuckend. Und so weitläufig ich den Bogen nun gespannt habe, so vehement drücke ich euch jetzt diese Metapher in euer Gesicht: Ich bin der alte Mann, ihr seid die Kinder und mit früher meine ich Quake.

(Außer, ihr seid so alt wie ich, dann: Hi. Wir reden jetzt gleich über eine alte Liebe, die wir beide erlebt haben. Bereit? Los geht's.)

Wenn der Alltag zur Ladezeit wird

Quake stammt aus den gleichen formschönen id Software-Händen, die Titeln wie Doom Leben eingehaucht und damit bereits einen riesigen Meilenstein auf Boden der Videospielkultur gesetzt haben. Im Gegensatz zu seinem spirituellen Vorgänger drehte Quake allerdings gehörig an gleich zwei massiven Schrauben: Während ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Spiel erleben durfte, in dem alle Gegenstände und Figuren vollständig dreidimensional animiert waren, zog mich besonders die enorm hohe Spielgeschwindigkeit in ihren Bann.

Quake 1 in all seiner dreidimensionalen Pracht.

Während ich mich noch kaum an die Geschichte erinnern kann, die das Spiel zu erzählen versuchte, habe ich noch heute dutzende Spielszenen von damaligen LAN-Parties und Wochenendgelagen im Kopf, die ich gemeinsam mit Freunden auf den Servern verbrachte.

Online mit anderen Menschen in Echtzeit zu spielen war im Jahr 1997 ein kleines Wunder und allmählich entwickelte ich eine richtiggehende Sucht für den Shooter. Mein Alltag wurde zur Ladezeit, die sich zwischen mich und die nächste Runde Quake stellte.

Faszination der Geschwindigkeit

Bis heute habe ich mir ein ausgeprägtes Bauchgefühl bewahrt, das auf den Quake-Servern wohl irgendwann geboren wurde. Die Geschwindigkeit der Online-Gefechte war für mein siebenjähriges Augenpaar fast nicht begreifbar. Statt also konzentriert um Ecken zu schleichen, penetrierte ich die Sprung-Taste und befand mich in einer ständigen Drehung um meine eigene virtuelle Achse. Gegner waren nur ein Phantom und während ich Projektile zu ihrer letzten Position jagte, sah ich mich bereits nach den nächsten Zielen um.

Manchmal verfolgten mich diese Eindrücke noch lange nachdem ich den PC wieder ausgeschaltet und den Schlachtfeldern entkommen war. Ich erinnere mich noch daran, damals mit leuchtenden Augen fest davon überzeugt gewesen zu sein, dass Videospiele die höchste Stufe ihrer Evolution erreicht haben.

Mit diesen Erlebnissen hat Quake bis heute meinen Spielstil innerhalb eines kompletten Genres entscheidend geprägt. Meine Faszination an der Geschwindigkeit kann von modernen Shootern allerdings nur noch selten befriedigt werden. Zuletzt schaffte es Call of Duty: Black Ops 3 und davor Titanfall, den eleganten Mix aus Sprüngen, Drehungen und instinktiven Bewegungen spielbar zu machen. Doch mittlerweile haben auch diese Arenen ihren Reiz verloren und mein Vorbestell-Finger streckt sich langsam aber sicher zum kommenden Doom aus: Ein heißer Anwärter auf die temporeichen Schlachten, die ich seit Jahren nicht mehr erleben durfte.

Das Erbe von Quake ist nicht nur der große Name, den ich heute vom Fensterbrett zu euch heruntergebrüllt habe. Mit diesem Titel schaffte id Software das Kunststück, die Konzeption eines erfolgreichen Shooters einfach aussehen zu lassen. Die zahlreichen Nachfolger und Kopien versuchten den Erfolg zu wiederholen, scheiterten allerdings an den Quake-Maßstäben durchweg. Hochgeschwindigkeitsshooter sind eine besondere Gamedesign-Kunst, die bis zuletzt nur selten auf die modernen Schlachtfelder getragen wird.

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