Journey in dein Innerstes

28.05.2016 - 09:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Journey
Sony Computer Entertainment/moviepilot
Journey
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Zocken, daddeln, ballern ... Alles schön und gut, aber wirklich umwerfende Spiele kommen mitunter ganz anders daher - und nehmen euch mit auf Reisen, die ihr nie für möglich gehalten habt. Alles nur ein Spiel? Dieses hier definitiv nicht!

Jeden Samstag stellen wir euch an dieser Stelle einen Kommentar vor, der euch zum Lachen bringt, zum Nachdenken, der euch berührt oder begeistert, einen Kommentar, über den jemand von euch, ohne es zu ahnen, gestolpert ist und sich dachte: "Das ist ein Kommentar der Woche!" Wenn euch also irgendwo ein Kommentar auf moviepilot oder gamespilot auffällt, der euch aus der Seele spricht - sagt uns Bescheid!

Der Kommentar der Woche
 
Sind Spiele nicht längst als Kunst- und Ausdrucksform akzeptiert? Dass sie etwas sind, mit dem man sich auseinandersetzen sollte, das mehr als eine Ablenkung ist, und interpretiert und erlebt und gefeiert werden sollte? Das ein Leben bereichern kann, neue Sichtweisen eröffnen, neue Erfahrungen geben kann, wie kaum ein Medium sonst? Nein? Dann solltet ihr Yowans Kommentar lesen und mit Journey euren Horizont erweitern ...

Welchem Spiel soll ich meinen ersten Kommentar auf Gamespilot widmen, wenn nicht Journey? Wenn nicht dieser Offenbarung an jeden Mann und jede Frau dort draußen in der weiten Welt, die (wie ich) der Meinung sind, dass Konsolen-/ Computerspiele mehr sind/ sein können, als das Vernichten von Gegnerhorden und Sammeln von virtuell-kostbaren Items. Dass mit Videospielen nach der Malerei, der Musik, der Bildhauerei, der Architektur, der Literatur, dem Theater, dem Tanz und dem Film eine neue, interaktive Kunstform heranwächst.

Denn nichts anderes ist Journey. Ein Kunstwerk. Das ist jetzt eine gewagte Behauptung, die aufzustellen unsinnig ist, wenn man sich nicht direkt im Anschluss die Frage stellt: Was ist überhaupt ein Kunstwerk? Ohne Muse zu haben für seitenlange Abhandlungen, die diese Frage präziser klären könnten, will ich die Antwort auf zwei simple Komponenten herunter brechen. Zunächst muss offensichtlich die Darstellung höchsten ästhetischen Ansprüchen genügen. Wie bekannt wäre schließlich die Mona Lisa oder die Kleine Nachtmusik, wenn da Vinci nicht exzellent malen und Mozart nicht exzellent komponieren könnte? Thatgamecompany ist nicht eines der großen Entwicklungsstudios, doch wie es ihnen in diesem Spiel gelingt mit ihren begrenzten Ressourcen ein wunderschönes Spiel zu schaffen ist bemerkenswert. Natürlich ist die Polygonzahl nicht die höchste, was jedoch irrelevant erscheint, betrachtet man nur den wunderschön gestalteten Sand/ Schnee, der die meiste Zeit über den Boden bedeckt. Kombiniert mit unaufgeregt, ja meditativ eingesetzter Musik entsteht so eine atmosphärisch dichte Stimmung, ein Spielerlebnis, wie ich es bei keinem anderen Spiel hatte.

Die zweite Komponente eines Kunstwerkes ist, so scheint mir, dass man während/ nach Konsum desselben darüber nachzudenken ermuntert wird. Wie langweilig wäre Die Glocke von Schiller, wenn es nur darum ginge, wie eine Glocke gefertigt wird, oder Brechts Der gute Mensch von Sezuan, wenn nicht eine tiefere, aber nicht unbedingt eindeutige Aussage zwischen den Zeilen hervor schimmerte? Reflexion ist bei Journey definitiv auch möglich. Die Geschichte des Spieles wird mittels Zwischensequenzen erzählt, in denen kein Wort gesprochen wird. Doch was heißt erzählt? Man bekommt Anhaltspunkte. Weiß nicht, ob das von großen, weißen, gottähnlichen Kreaturen Erzählte die Vergangenheit, die unmittelbare Zukunft, oder doch etwas ganz anderes ist. So bleibt viel Interpretationsspielraum, viel Platz zum Nachdenken und: Wer behauptet die Bedeutung des Spieles vollauf begriffen zu haben, hat gar nichts begriffen. Nicht nur die Handlung des Spieles ist minimalistisch gehalten, sondern auch das Gameplay. Man kann gehen, fliegen und einen Ton abgeben. Mehr kann man nicht, mehr braucht man nicht, obwohl man das Spiel auch via Internet zu zweit spielen kann.

Will man länger als die grob zwei bis drei Stunden des einmaligen Durchspielens involviert bleiben, gibt es auch Sammelobjekte, die wenn man alle gefunden hat eine weiße, statt einer braunen Robe freischalten. Doch darum geht es in diesem Spiel nicht. Worum es geht lässt sich vielleicht durch eine kurze Nacherzählung des Beginns veranschaulichen:
Es ist heiß. Die Sonne steht hoch am Himmel. So weit das Auge reicht erstreckt sich Sand. Gelber, trockener Sand, in der Sonne glitzernd. Du stehst auf, siehst dich um, doch da ist nichts, was erkannt werden könnte. Du gehst ein paar Meter, besteigst eine Düne und da siehst du ihn: den Berg, den es zu besteigen gilt. Es beginnt eine Reise. Auf den Berg. Durch die Zeit. Zum Schöpfer. Ins Innerste deiner Selbst.

So kann Journey je nach Stimmung alles sein zwischen ruhiger Nachmittagsbeschäftigung über meditatives Erlebnis bis hin zu einer Suche nach Gott.

Den Originalkommentar findet ihr hier .

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