Vampire glitzern fürs Erste nur noch in der Abstellkammer vor sich hin, Gruselpuppen spielen sich grad tot, Horrortiere wurden spätestens im Flugzeug belächelbar, und unheimliche Kinder sind schon vor einer Weile in den Brunnen gefallen... Zombies hingegen wollen und wollen nicht sterben! Der erfolgreichste Menschenfleisch- (und insbesondere Hirn-)Connoisseur der Filmgeschichte schlurft nach wie vor, gemütlich vor sich hin kompostierend, durch immer neue und alte Filme und Serien, mal eiligen Fußes, mal bedächtig die Zivilisation wegmampfend. Sogar romantisch, zu Späßen aufgelegt oder verbissen gegen den Mainstream der Untoten-Diät ankämpfend zeigen sich unsere vitalfunktionsbeeinträchtigten Ex-Mitmenschen mittlerweile - eigentlich kein gutes Zeichen, was die Mindesthaltbarkeit im popkulturellen Tagesmenü angeht. Trotzdem: Im Gegensatz zu (zumindest zeitweise) arbeitslos gewordenen Horrorkollegen, scheinen Zombies einfach nicht totzukriegen.
Oder vielleicht doch? Seid ihr allmählich der hungrigen Horden überdrüssig? Was einstmals stolz und mehr oder weniger aufrecht über eure Bildschirme humpelte, empfindet ihr nur noch als ein müdes Müffeln? Verzagt nicht, Freunde des Nachlebens, denn dann hat A.V. vielleicht das Richtige für euch: Kingdom ist so anders und nicht nur visuell beeindruckend, dass dies genau die südkoreanische Medizin sein könnte, die es braucht, um eure Zombieliebe wieder von den Toten auferstehen zu lassen!
Der Kommentar der Woche von A.V. zu Kingdom
Der gemeine Zombie konnte sich in den letzten Jahren über Arbeitslosigkeit nicht beschweren. Von unnötigen Flagschiff Spin-Offs halb totgeritten (FtWD), hat man versucht ihn sexy zu machen (Warm Bodies), man brachte ihn im Crime/Comedy Genre unter (iZombie), wollte seine Karriere mit Brad Pitt als Co-Star wiederbeleben, und selbst die wohl populärste Serie der Welt, wäre ohne ihn nur ein mittelalterliches Machtgerangel. Wie dieser eine C-Promi im deutschen Fernsehen, der sich vom Bachelor zum Dschungelcamp hangelt, und irgendwann bei Joko & Claas auftaucht. Immer da, obwohl ihn eigentlich keiner mehr sehen kann.
Nun also hat er sich aufgemacht ins feudale Korea, um auch dort mit seinem blutsabbernden Antlitz Unbehagen zu verbreiten, und sich mit Samurai-Schwertern zerschnetzeln zu lassen.
Kingdom startet in ruhigen Tönen als Polit-Thriller am Königshaus, zieht die Spannungskurve jedoch steil an und verwandelt sich in ein actiongeladenes Epos. Die Actionszenen gehören zu den besten, die das Genre je gesehen hat. Aufgrund von Budgetüberschreitungen wurde die erste Staffel von 8 auf 6 Episoden gekürzt. Eine zweite befindet sich dafür bereits in Produktion. So endet die erste Staffel mit einem üblen Cliffhanger, bleibt jedoch bei einer Netto-Laufzeit von ca. 5 Stunden ein absolut kurzweiliges Binge-Vergnügen.
Ich hätte es eigentlich nicht für möglich gehalten, dass mich das Zombie-Genre nochmal packt, aber die Südkoreaner machen an dieser Stelle viel richtig, was mir im Untoten-Überdruss anderer Werke nicht gefiel. So erleben wir den Ausbruch der Epidemie live, und nicht als Zeitsprung, der wenige Überlebende in einer überrannten Welt zurücklässt. Auch durch den Tag/Nacht-Rhythmus der Untoten bleibt den Menschen Reaktionszeit und Raum, um mit der Katastrophe zu interagieren.
Aufgrund der kurzen Laufzeit wird die Charakterentwicklung ein Stück weit vernachlässigt. Da die koreanischen Namen mir nicht so einfach zugänglich sind, musste ich schon mal die Besetzungsliste anschauen, um zu wissen wie der treue Leibwächter noch gleich hieß. Was heckt der böse Wu-Tang Clan da schon wieder aus? Und wer ist Lord Onion?
Wer sich davon nicht abschrecken lässt, wird mit spektakulären Kulissen der koreanischen Wildnis, historischen Kostümen und einem Set-Design der ersten Liga belohnt - bevor die Nacht anbricht und das Chaos seinen Lauf nimmt.
Absolute Sehempfehlung von mir.