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Mad Max - Treffen der Zerstörer

09.05.2015 - 00:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Leider ein sehr unpassendes Bild zum Artikel. Ich bitte dies zu entschuldigen.
Warnerbros.
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Es grollt wieder mächtig unter der Donnerkuppel. Max Rockatansky kehrt zurück auf die große Leinwand. Doch dieses Mal ist es nicht Mel Gibson, mittlerweile 59, der in den ersten drei Mad Max-Filmen (1979, 1981 & 1985) dem amoklaufenden Endzeit-Cop Gestalt, Gesicht und Stimme lieh, sondern der 37-jährige Tom Hardy. Wie www.klatsch-trasch.de in einem Artikel am 8. Mai 2015 berichtet, haben sich beide getroffen – auf der Weltpremiere des neuen Streifens von George Miller (70) in Los Angeles. Der Engländer hat mit dem Amerikaner zu Mittag gegessen. Sie verstehen sich augenscheinlich sehr gut und - sie sind nicht allein.
When the legends die, the dreams end. And when the dreams end, there is no more greatness! (Indianisches Sprichwort)

«Dieser Max ist verrückt – maximal verrückt, verstehst du?» Thomas verzieht sein Gesicht zu einer Grimasse, die ernsthaft, grimmig und furchteinflößend zugleich sein soll. Das tut er immer, wenn er etwas - für ihn - ungemein Wichtiges von sich gibt.

«Max? - Welcher Max?», frage ich verwirrt zurück. Ich schaue auf die Uhr. Es ist 7:49 Uhr. In einer Minute geht der Unterricht los und wir sind noch nicht einmal im Klassenraum.

«Max Rockatansky, der kaputte Cop aus diesen Filmen. Kennst du den nicht?», antwortet er mit leichtem Kopfschütteln, während wir zu laufen beginnen.

«Welche Filme?», frage ich zurück.

«Na, die Mad-Max-Filme!» Thomas schüttelt keuchend nur den Kopf über meine Unwissenheit.

«Nein. Du weißt doch, dass wir diese Filme nicht sehen dürfen. Wir sind noch keine achtzehn», entgegne ich entschieden. Ich hatte, im Gegensatz zu meinen Klassenkameraden niemals das Bedürfnis gehabt, Filme ab achtzehn zu sehen. Die Erfahrung mit einem gewissen Italo-Western hatte mich ein für alle mal von diesem Verlangen kuriert.

«Ach Gott, sei doch nicht immer so ein entsetzlicher Feigling», stöhnt Thomas, während wir die Tür zum Klassenzimmer aufstoßen und wie vom Donner gerührt stehen bleiben. Vor uns baut sich mit einem eindeutig ungnädigen Blick die Lehrerin auf. Wir sind zu spät.

Mel Gibson grinst breit. «Das ist lustig», sagt er. «Du hattest also damals die Filme wirklich nicht gesehen?»

«Nein», entgegne ich immer noch in Erinnerungen versunken.

«Und wie ist es heute?», fragt mich Tom Hardy von der anderen Seite und lächelt dabei vieldeutig.

Wir sitzen gemeinsam beim Mittagessen in einem Restaurant in Los Angeles, in dem noch die Privatsphäre der Stars respektiert wird und man die Fans von ihnen weitgehend fernhält.

Ich mustere ihn lange, überlege, ob ich ihm die Wahrheit anvertrauen kann, ob er eingeschnappt sein und es mir übelnehmen wird. Bei Mel mache ich mir da keine Sorgen. Der ist mit seinen fast sechzig Jahren längst über solche Dinge hinweg, seine Eitelkeit kann ich wohl auf diese Weise nicht verletzen. Aber Hardy ist erst siebenunddreißig, er steht noch fast am Anfang seiner Karriere. Außerdem ist er Brite und die Briten haben eine große Schauspieltradition mit ihrer Shakespeare-Company und ihrer langen Reihe an berühmten Schauspielern. Der Amerikaner Gibson ist da abgeklärter, wohl auch ein wenig weltoffener.

«Ich muss leider zugeben, Tom, dass ich bis auf den heutigen Tag keinen der drei Mad-Max-Filme gesehen habe.»

«Ah …», entfährt es Hardy. Er ist sichtlich überrascht. «Und dennoch sitzt du hier mit uns und willst uns zu Fury Road interviewen? Solltest du da nicht die Materie kennen?»

Für einen Moment habe ich den Eindruck, als wollte sich Bane wieder auf Batman werfen.

«Das kommt auf den Standpunkt an, Tom», springt Mel mir bei. «Von unserer Warte aus gesehen, überrascht es uns natürlich, dass wir über den vierten Teil der Mad-Max-Reihe mit jemandem sprechen sollen, der offensichtlich keine Ahnung hat. Dennoch bin ich nun gespannt auf seine Erklärung.»

«Also gut», erklärt Tom nach kurzem Bedenken, «da hast du wohl recht, Mel. Also, wie siehst du das?» Dabei blickt er mich direkt an. Ich fühle mich ertappt. Die Schamesröte steigt mir einwenig in die Schläfen. Wie soll ich mich da jetzt herauswinden?

Das Mittagessen wird serviert. Das verschafft mir einen kurzen Moment, um zu überlegen. Tom und Mel beginnen zu essen. Ich schaue nur meinen Teller an. Dann sage ich zögernd:

«Zunächst einmal möchte ich euch sagen, dass es mir wirklich eine große Ehre ist, mit zwei so berühmten Schauspielern wie euch hier zusammen …»

«Blablabla», unterbricht mich Hardy kauend. «Hör' doch mit der Schleimerei auf und erklär' es uns einfach.»

Mel nickt mir nur aufmunternd zu.

«Also gut.» Ich stoße die Atemluft hörbar aus. «Ich denke, dass es für den neuen Film gerade genau richtig ist, dass ich die alten nicht kenne.»

«Was?» Tom ist verblüfft. Mel nicht. Er nickt zustimmend.

«Die ersten drei Filme», fahre ich fort, «stammen aus einer anderen Zeit, waren Kultfilme einer völlig anderen Generation und diese Generation war noch nicht einmal meine. Sorry, Mel!»

«Keine Sorge, ich verstehe dich besser, als du denkst. Mach weiter!», wirft Mel ein.

«Tom», wende ich mich wieder an Hardy, «der neue Film ist mit den Mitteln der heutigen Zeit gemacht. Allein schon der Trailer hat mich an Vin Diesels Riddick von 2013 erinnert. Das heißt, wenn ich Fury Road gebührend würdigen will, dann wäre es unter Umständen sogar kontraproduktiv, die alten Filme zu kennen, denn die Gefahr, die besteht, ist, dass der neue Film dem Vergleich mit den alten nicht standhält, ja, nicht standhalten kann, weil für jemanden, der die alten Filme kennt, sie viel mehr sind als nur irgendwelche Filme, verstehst du?»

«Du meinst, er verbindet damit so viel, was der neue Film vielleicht nicht mitbringt?»

«Ganz genau. Gedanken, Gefühle, Erlebnisse besonderer Art. Vielleicht die erste große Liebe, mit der der Film zuerst gesehen wurde, usw.»

«Nostalgie», ergänzt Mel grinsend. «Ja, das sollte man nicht unterschätzen.»

«Tom, ich kann gerade weil ich die alten Filme nicht kenne, den neuen genießen und gebührend würdigen. Deine Leistung würdigen. Die Leistung des Regisseurs George Miller und des gesamten Teams.»

«Und wer weiß», Mel Gibson lächelt breit, «wenn du ein Fan des neuen Films geworden bist, wirst du dir die alten Filme auch anschauen und sie mit dem neuen vergleichen. Vielleicht schneiden dann ja sogar die alten schlechter ab als die neuen.»

Tom sieht mich lange an. Dann grinst er breit, schlägt mir auf die Schulter und lacht laut auf.

«Das ist gar keine verkehrte Einstellung, mein Freund, gefällt mir. Darauf sollten wir trinken.» Er hebt sein Glas und prostet mir zu. Ich lächele zurück, Mel hebt ebenfalls sein Glas und kurz darauf klacken unsere drei Gläser in der Luft zusammen.

«Stehst du denn generell auf diese Endzeit-Szenarien?», will Mel jetzt wissen.

«Ich bin ein SF-Fan, schon von klein auf. Da befasst man sich auch mit der Frage, wie es mit unserer Welt in der Zukunft weitergehen wird. Aber wie verträgt sich das mit einem religiösen Menschen wie dir, Mel? Haben wir Christen nicht andere Vorstellungen von der Endzeit?»

Mel wird schlagartig ernst. «Die haben wir wohl», entgegnet er. «Allerdings unterscheiden sie sich auch gar nicht zu sehr von dem, was in der Bibel zu dem Thema steht.»

«Ich würde das nicht so verbissen tiefsinnig sehen. Hey, das ist Unterhaltung, pure Unterhaltung. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt», unterbricht uns Tom. Ihm behagt es wohl nicht, dass wir das Gespräch auf einer tieferen Ebene fortführen wollen.

Mel lächelt vieldeutig. «Was uns wieder zu der Frage führt, Tom, warum damals die Mad-Max-Filme erst ab achtzehn freigegeben waren.»

«Die waren zu brutal, zu gewalttätig», winkt Tom schlicht ab, als sei es die klarste Antwort der Welt.

«Meinst du, dass es nur das war? Oder war vielleicht auch Gedankengut Teil des Films, dem man Jugendliche nicht so direkt aussetzen wollte?» Mel verengt seine Augen zu Schlitzen.

«Und da heißt es immer, Schauspieler würden sich nicht kritisch mit ihrer Arbeit auseinandersetzen», versuche ich die sich anbahnende Auseinandersetzung etwas zu zerstreuen. «Das LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS schreibt über den ersten Mad-Max-Film: Ein Albtraum aus Gewalt, Blut, Schrott und Grauen, der nicht entlarvend wirkt, weil der Film selbst der Faszination der Gewalt erliegt.»

Mel nickt. «Das war er doch auch. Das Magazin VARIETY hat das Ganze folgendermaßen beschrieben: Mad Max ist voll aufgedrehtes, halsbrecherisches Exploitation-Kino. Doch Stunts an sich sind noch nicht viel Wert, wenn kein waschechter Filmemacher hinter der Kamera steht. George Miller, der Arzt und Filmnarr, der uns hier sein Debüt vorlegt, zeigt uns, was das Kino wirklich ausmacht: Diesen Film muss man gänzlich der Regie, der Kamera und dem Stuntteam zurechnen - selbst wenn die Hauptrollen wirkungsvoll agieren, ist er doch kein Schauspielstück.»

Tom lacht auf. «Ja, ja, Mel, und CINEMA attestiert dem Hauptdarsteller: Spektakuläre Crashszenen, Stunts und irre Perspektiven machten George Millers Billigfilm zum Kinohit und Mel Gibson zum Star.»

«Ich jedenfalls bin sehr gespannt auf die Kritiken, die es zu Fury Road geben wird, Tom.»

«Und ich erst», Tom genießt sichtlich sein Mittagessen.

Mel ist nachdenklich geworden. «In der Tat, wäre Mad Max nicht gewesen, wäre ich wohl kein Star geworden. Insofern habe ich George eine Menge zu verdanken. Würdest du sagen, Fury Road ist gewaltverherrlichend, Tom?»

Tom hört auf zu essen und blickt uns verstört an. «Gewaltverherrlichend? Nennt mir einen modernen Action-Film, einen Thriller, einen der klassischen Exploitation-Filme, der das nicht ist.»

Die Stimmung droht zu kippen. Braveheart darf nicht missgestimmt sein. «Früher war es so, dass wir Jugendlichen solche Filme liebten, es denen es pausenlos krachte, stank, eine Menge Leute auf brutalste Art und Weise umkamen und alles Mögliche andauernd explodierte. Erst mit zunehmendem Alter, mit dem Wissen über Geschichte und mit den eigenen Erfahrungen über Gewalt und Tod änderte sich das.»

Mel pflichtet mir bei, Gott sei Dank. «Richtig. Aber das Gros unserer Zuschauer, unseres Publikums, scheint wohl ein Haufen unerfahrener Jugendlicher zu sein, die plumpe, inszenierte Gewalt cool finden.»

«Gewalt, die sie selbst niemals anwenden würden, weil sie schon beim Anblick einer echten Waffe die Hosen gestrichen voll hätten», grinst Tom.

Mel wirkt wieder bedrückt. «Na, ob das so tröstlich und beruhigend ist?»

«Das Leben heilt vieles, Mel», entgegne ich nachdenklich, „das habe ich immer wieder erfahren.»

Mel wischt sich mit der Hand über die Augen, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. Der Kellner deckt den Tisch ab. Wir bestellen noch einen Nachtisch. Dann frage ich vorsichtig: «Okay, Leute, sollen wir dann mit dem offiziellen Interview beginnen? Oder wollt ihr nun nicht mehr?»

Mel und Tom blicken sich kurz an. Dann nicken sie langsam. «Natürlich. Wir sind schließlich Profis», erklärt Mel. Tom fügt mit einem breiten Grinsen hinzu: «Wie hieß doch gleich das Magazin, für das du schreibst?»

«Moviepilot, ein Internet-Film-Magazin», erkläre ich, erwidere sein Lächeln und als Tom von den Dreharbeiten zu erzählen beginnt, versinkt die Welt um mich herum und ich stehe mit Mad Max in der Wüste Australiens in einem höllischen Endzeit-Inferno.

So never let your dreams end! (Korczak Ziolkowski)

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