Mads Mikkelsen in Walhalla Rising

24.11.2010 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Mads Mikkelsen in Walhalla Rising
Sunfilm
Mads Mikkelsen in Walhalla Rising
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Am Montag hat Mads Mikkelsen seinen 45. Geburtstag gefeiert. Ein willkommener Anlass sich mit dem neuesten Werk des dänischen Ausnahmeschauspielers zu befassen: Walhalla Rising von Kultregisseur Nicolas Winding Refn, ein wortkarg erzähltes, mythisch angehauchtes Wikingerepos, das auf Met und Wikingerhelme zum Glück verzichtet. Stattdessen gibt es ganz große Filmkunst: Freunde von Terrence Malick, Andrei Tarkovsky und Stanley Kubrick dürfen aufmerken, meint unser DVD-Kolumnist Thomas Groh.

Sein Gesicht hat sich wie kaum ein zweites in den letzten Jahren ins europäische Kino eingeprägt: Mads Mikkelsen, dänischer Exportschlager, Grenzgänger zwischen Festival- und Trivialkino, zwischen Arthouse (z.B. Wilbur Wants to Kill Himself) und krachigem Blockbuster (James Bond 007 – Casino Royale, Kampf der Titanen). Mit einem solchen Aussehen wird man vielleicht kein Superstar – aber eben doch das markante Gesicht in der zweiten Reihe, das sich einprägt, das man wiederkennt. Oder man wird zu einer Art Wikingergott – zumindest im Kino seines Landsmanns Nicolas Winding Refn, der hier nach Bleeder und Pusher erneut mit Mads Mikkelsen zusammenarbeitet.

Zu Beginn ist der Gott freilich noch ein Hund, ein recht getretener obendrein: Als geschundener, stets schweigsamer Sklave tritt der einäugige “One-Eye” mit sichtbarem Erfolg in arrangierten Gladiatorenkämpfen auf Leben und Tod an und ringt dabei mit solcher animalischer Kraft, dass ihm gerade auch seine Herren mit einigem Argwohn begegnen. Eines Tages gelingt ihm mit Hilfe eines Jungen die gewaltsame Befreiung. Er schließt sich frisch christianisierten Landsleuten an und begibt sich mit ihnen auf eine Mission ins geheiligte Land. Als sie nicht in Israel, sondern im späteren Amerika anlegen und auf Eingeborene treffen, erlebt die Gruppe eine ganz eigene Hölle…

Als Tarkovsky Conan drehte

Es dröhnt und schallt düster-dräuend in Winding Refns Film. Lange Einstellungen dominieren die Inszenierungen, großartig anzusehende Panoramen (gedreht wurde in den schottischen Highlands), verregnet-matschige Bilder und Nebel, Nebel, fast nichts als Nebel bestimmen das Bild. Walhalla Rising ist ein schmutziger, erdgebundener Film, der einen bemerkenswert unironischen Blick ins archaische Zeitalter wirft und keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass er vor allem als ästhetische Erfahrung empfunden werden will. Die Vorbilder liegen auf der Hand: Wenn zu pulsierendem Ambient ein vor Hunger ausgezehrter Wikinger im amerikanischen Schlamm zu liegen kommt, muss man unweigerlich an Stalker von Andrei Tarkowski denken, die hypnotische Langsamkeit und Gedehntheit erinnern an Kubricks Weltraum-Odyssee 2001: Odyssee im Weltraum (dazu passt auch Winding Refns wiederholt erklärte Absicht, er habe einen Science-Fiction-Film ohne Science drehen wollen), die Bedeutsamkeit aller Gesten, das Motiv des in die Natur geworfenen Menschen lassen an die Filme von Terrence Malick denken. Walhalla Rising verortet sich eindeutig in einer Tradition des bewusst langsamen, transzendenten Kinos, das nicht über den Umweg einer Story, sondern direkt ästhetisch wirkt, und in gewisser Hinsicht auch (und dies wohl auch nicht ganz zufällig) in der des Mitternachtskinos der 70er Jahre. Zugleich heißt all dies aber auch: Wer eher gewöhnliche Erzählformate schätzt, wird an Walhalla Rising nicht unbedingt viel Freude haben.

Dass das Szenario dabei zunächst an die Prämisse des ebenfalls sehr großartigen Conan der Barbar mit Arnold Schwarzenegger angelehnt scheint, führt dabei immerhin zu dem recht eigentümlichen Eindruck, als hätte der große russische Regisseur Andrei Tarkowski eben jenen Film durch den Remake-Fleischwolf gedreht und ihm dabei sein eigenes ästhetisches Gepräge mit auf den Weg gegeben. Das Schöne daran: Diese zunächst völlig unpassend erscheinende Engführung funktioniert ganz wunderbar: Auch vor dem Hintergrund der erfolgreichen Performance des Films in den Videotheken kann man wohl behaupten: Mit Walhalla Rising ist ein neuer Kultfilm geboren.

Eine solide Edition

Die bereits vor einigen Monaten erschienene britische DVD versuchte den eher sperrigen Film in der Covergestaltung so widersinnig wie albern als eine Art 300 -Klon zu vermarkten und packte bronzen-rot eingefärbte Wikingerarmeen aufs Cover. Glücklicherweise vertraut die hiesige DVD-Edition auf die Eigenständigkeit des Films und verzichtet auf solchen Unsinn: Sie kleidet den Film in ein wesentlich adäquateres grünes Gewand und spendiert ihm noch gleich einen stabilen Schuber mit Reliefdruck. Nur dass man den Film mit einem fetten “Uncut” auf dem Cover bewirbt, trübt den Eindruck etwas – schade, dass man hier offenbar auf die Gorehounds schielt. Ansonsten fällt die Edition recht solide aus: Das beigefügte Videointerview mit Nicolas Winding Refn und Mads Mikkelsen ist mit einer Viertelstunde Spielzeit zwar nicht allzu ausführlich geraten, beschränkt sich dafür aber auch nicht auf werbeträchtigte Oneliner.

Noch ein gutes Stück interessanter ist der Audiokommentar mit dem Regisseur in Gesprächsform: Nicolas Winding Refn liefert zahlreiche Schlüssel zur Deutung des Films und wartet überdies mit einigen schönen Anekdoten auf. So erfahren wir, dass der Synthesizer, der die fünfte Kapitelüberschrift “Hölle” untermalt, bereits vor 30 Jahren bei dem berüchtigten Italo-Kannibalenfilm Nackt und zerfleischt (bekannter unter seinem internationalen Titel Cannibal Holocaust) zum Einsatz gekommen ist: Da beide Filme, wie Apocalypse Now von Francis Ford Coppola, sich auch als Variation von Joseph Conrads Roman Herz der Finsternis verstehen lassen und beide von grundlegenden Gewalterfahrungen handeln, eine durchaus naheliegende Instrumentierungswahl.

Abschließend noch der Trailer

Walhalla Rising ist für 12,99 Euro bei Amazon auf DVD erhältlich.

Thomas Groh lebt in Berlin, arbeitet für die Programmvideothek Filmkunst im Roderich und schreibt über Filme, zum Beispiel für die Filmzeitschrift Splatting Image, die taz und das Onlinekulturmagazin Perlentaucher. Wenn er nicht gerade sein Blog aktualisiert, verfasst er wöchentliche DVD-Kolumnen für den moviepilot, in denen er Filme von etwas jenseits des Radars empfiehlt, zuletzt beispielweise den tschechischen Avantgarde-Pop-Film Daisies, die Peckinpah-Doku Passion & Poetry oder die Mafiaserie Im Angesicht des Verbrechens.

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