Neo Noir, oder wie ich lernte, die Farbe zu lieben

14.05.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
L.A. Confidential
Warner
L.A. Confidential
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Die Glanzzeit des Film Noir liegt ein halbes Jahrhundert hinter uns, die Obsessionen der düsteren Werke haben in der Filmgeschichte tiefen Eindruck hinterlassen. Wir blicken auf den Neo Noir.

Wenn es ein Diskussionsthema gibt, das noch weniger Antworten gebiert als die Frage, ob der Film Noir ein Genre, ein Stil oder eine Weltsicht ist, dann vielleicht: Was genau definiert einen Neo Noir? Zu Anfang dieser kleinen Sektion der verschieden Typen des Neo Noir, hier zur Erheiterung eine verwirrende Liste von Filmen, die mit dem Genre (dazu später mehr) in Verbindung gebracht werden: Psycho, Point Blank, Dirty Harry, RoboCop, 12 Monkeys, Brügge sehen… und sterben? und Drive. Nicht alle dieser Filme mögen dem Neo Noir-Konsens standhalten, dafür zeugen sie vom sanften Übergang der Film noir-Elemente in fremde Genres und Stilbaukästen, was die Kategorisierung des Neo Noir enorm erschwert. Film noir ist überall, könnten wir meinen. Aber wann ist er Neo?

Das ‘neu’ im Neo Noir verweist auf eine Erneuerung oder Wiederbelebung althergebrachter Lehren. Ergo steht der geneigte Genre-Fetischist bzw. Zwangskategorisierer stets vor der Herausforderung, zwischen Filmen zu unterscheiden, die noch ‘Neo’ sind und solchen, deren rudimentäre Noir-Anklänge vielleicht nicht zu einer Genre-Zuweisung nötigen (außer man steht auf lange Listen). Um im Wirrwarr des Neo Noirs insbesondere als Neuling Überblick zu behalten, lohnt ein Blick auf die verschiedenen Typen des Neo Noir, denn nichts ist schöner, als eine Kategorie zu kategorisieren.

Oldtimer, Zigarettenetuis, klobige Telefone
Am leichtesten zu erkennen ist der Neo Noir in freier Wildbahn, wenn seine Handlung in jenen Jahren angesiedelt ist, in denen auch der Film noir spielt. Mancherorts wird das Aufkommen des Film noir in den späten 20ern und frühen 30ern datiert (etwa mit Unterwelt oder M – Eine Stadt sucht einen Mörder). Üblicher ist die Zeit unmittelbar vor dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg. Die Große Depression im Rücken, die Aussicht auf einen zweiten Weltkrieg und die Paranoia der McCarthy-Ära am Horizont bilden die Eckpunkte der Blütezeit des Film noir. Nach dem gängigen Schlussstrich des Jahres 1959 taten sich die Beobachter schwer, eine Neo Noir-Bewegung zu erkennen, was den dauerhaften Einfluss von Chinatown auf die Charakterisierung des Genres erklärt. Inspiriert durch Die Spur des Falken und die Romane von Raymond Chandler modernisieren Regisseur Roman Polanski und Drehbuchautor Robert Towne in Chinatown die Konventionen des Film noir und bewahren gleichzeitig durch das Setting den Retro-Charakter, mit dem die Fixierung auf Mode und Technik der Zeit einhergeht. So ist die vermeintliche Femme fatale (Faye Dunaway) ein tragisches Opfer, während der sich selbst überschätzende Detektiv (Jack Nicholson) der Wahrheit oft genug hinterher hinkt.

Dass aus dem Film noir-Stil im Neo Noir ein Genre entwachsen ist, deutet schon Polanskis Werk aus dem Jahr 1974 an. Chinatown scheint sich seiner Herkunft bewusst, etwa wenn der Film mit einem Schwarz-Weiß-Foto beginnt, um dann seine Farbfilm-Natur zu entblößen oder Anspielungen auf die unverzichtbaren Jalousien im Büro eines Privatdetektivs gemacht werden. Ähnlich selbstreferenziell und trotzdem retro ist L.A. Confidential von Curtis Hanson angelegt, der 1997 in die Kinos kam. Die Adaption eines Romans von James Ellroy spielt ebenfalls in L.A. und zwar in jenen Jahren, als der Film noir die Kinos eroberte. Auch hier ist die Femme fatale (Kim Basinger) ein Opfer der Umstände sowie vor allem der Versprechungen der Traumfabrik. Angelockt von den (Noir-)Starlets auf der großen Leinwand landet Basingers Lynne Bracken im Sündenpfuhl L.A., um zur Edelprostituierten und Veronica Lake -Doppelgängerin zu verkommen. Mehr noch als Chinatown ist L.A. Confidential ein Film über Filmgeschichte, der den klassischen Noir ebenso aufgreift wie seine eigenen Neo Noir-Vorgänger. Daneben wirken andere Retro Noirs wie Nach eigenen Regeln oder Black Dahlia einigermaßen neurotisch in ihrer fetischistischen Abhandlung der Noir-Klischees.

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