Streaming 2018: Eure Netflix-Serien wären verloren ohne Cindy Holland

20.12.2018 - 09:20 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Cindy HollandNetflix
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Cindy Holland arbeitet seit über 16 Jahren für Netflix. Sie führt das Seriengeschäft an und verkörpert den Geist des Streaming-Dienstes wie kaum eine andere Angestellte. Im Rahmen unseres Jahresrückblicks widmen wir ihr ein Portrait.

Das Magazin Vulture veröffentlichte dieses Jahr eines der bisher ausführlichsten und tiefschürfendsten Netflix-Portraits. Der Autor Josef Adalian kroch wochenlang zwischen den Zahnrädern, Pumpen und Fließbändern des größten Streaming-Dienstes der Welt umher. Das Dossier, das dabei entstand, nannte er Inside the Binge Factory , also In der Binge-Fabrik. Es gibt inzwischen viele solcher Bilder, die irgendwie versuchen, die Effizienz zu erfassen, mit der Netflix seine Serien und allerlei anderen Content fabriziert, produziert, herstellt. In der Fabrik-Metapher drückt sich gleichzeitig die komplette Ehrfurcht und Geringschätzung aus, die die Branche ihrem größten Emporkömmling entgegenbringt. Netflix, die Serien-Fabrik, als erste mutierte Zelle einer Unterhaltungsindustrie im Umbruch.

Netflix liefert Serien am Fließband

Aber sie trifft zu. Netflix verhält sich zu so empfindlichen Dingen wie Filmen und Serien mit Härte und Strenge. Die stetige Peitsche ermöglicht erst die geschmierten Abläufe in der Serien-Fabrikation. Den Streaming-Dienst mit einem Gebäude in Verbindung zu bringen, das an rauchende Schlöte, Eintönigkeit und eben auch verlässliche Funktionalität denken lässt, hilft, das Geschäft mit der Unterhaltung im Jahr 2018 zu verstehen. Für diesen durchorganisierten globalen Serienhandel steht bei Netflix vielleicht keine andere Mitarbeiterin so sehr wie Cindy Holland.

House of Cards

Cindy Holland, eine der wichtigsten Frauen im Unterhaltungsgeschäft, die übrigens noch keinen Wikipedia-Eintrag hat, ist seit 2002 bei Netflix, hat also in über 16 Jahren die wichtigsten Wachstumsphasen und Veränderungen des Unternehmens begleitet und mitgestaltet. Heute bekleidet sie den Posten der Vice President of Original Content bei Netflix, was bedeutet, dass sie den unbändigen Serienfluss bei Netflix in die richtigen Bahnen leitet. Sie sucht Neues und selektiert weltweit interessante Stoffe, trifft harte Entscheidungen, setzt hier und da auch mal was ab. Sie meisterte die Krise mit Kevin Spacey und House of Cards. Alles, was bei Netflix mit Serien passiert, ging einmal durch die Hände von Cindy Holland. Rechenschaft ist sie nur Ted Sarandos schuldig, dem Content-Chef.

Wer zu Netflix will, muss an Cindy Holland vorbei

Die Duffer-Brüder, die mit Stranger Things einen der größten Netflix-Hits landeten, schrieben im Time Magazine  über sie: "Als wir Stranger Things Netflix vorstellten, wurde uns gesagt, dass Cindy Holland der Schlüssel ist." Das Time Magazine listet Holland als einen der einflussreichsten Menschen in der Kategorie Titans, sie steht da neben der Tennislegende Roger Federer, dem Amazon-Gründer Jeff Bezos und Elon Musk.

Cindy Holland hat für Netflix ein Serien-System aufgebaut, das die globale Expansion des Streaming-Diensts entscheidend unterstützte. Über 700 neue Filme und Serien, jeden Tag zwei Orginale mussten im Jahr 2018 organisiert und vorher auf Erfolg und Misserfolg gescannt werden.

Cindy Holland entscheidet, welche Serien zu Netflix kommen

Im Jahr 2018 hat Netflix seine internationale Spannweite ausgedehnt. Wir können Dark aus Deutschland, Ozark aus Nordamerika und Der Pate von Bombay aus Indien sehen. Im einem FAZ-Interview  wurde Cindy Holland zu der Frau ernannt, die "bestimmt, welche Serie läuft". Hier verriet sie auch, wie sie bei der weltweiten Suche nach Serien vorgeht.

Wir haben unser Denken verändert [...]. Heute treffen wir uns mit Experten, Kreativen und Regisseuren aus den jeweiligen Ländern und 'territories' und schauen, welche Filme und Serien es in den einzelnen Ländern gibt. Wir studieren [...] die Sensibilität der einzelnen Länder, suchen dann aber deren beste Storyteller. Anschließend bringen wir deren Arbeit über Netflix in die ganze Welt.


Daredevil

Diese unnachgiebige Zielstrebigkeit spüren die ausländischen Künstler, wenn sie mit Netflix und Cindy Holland zusammenarbeiten. Etwa der Autor und Produzent Nicola Lusuardi. Der stellte fest, dass bei Netflix einfach alles viel schneller geht als bei der europäischen Konkurrenz (Quelle: TAZ ).

Sie analysieren superschnell. Mir haben sie jedes Mal innerhalb von zehn Tagen beantwortet. Und wenn sie grünes Licht für ein Projekt geben, steht bereits der komplette Dreh- und Veröffentlichungsplan.

Lusuardi vergleicht den Unterschied zwischen europäischen Sendern und Netflix mit dem Tempounterschied zwischen dem Fußball der 70er und dem Fußball der 2010er (der sich voneinander unterscheidet wie Forsthaus Falkenau von House of Cards). Doch ist Netflix „deswegen nicht weniger präzise. Es ist einfach nur eine Frage des Trainings.“

"Wir wären alle verloren ohne sie"

Die auf dem Globus verstreuten Netflix-Massen müssen gepäppelt werden, damit sie den Netflix-Standards entsprechen, was nicht immer funktioniert. "Wer sagt, dass Masse bedeutet, du kannst keine Qualität haben?", fragt Holland in dem Vulture-Artikel. "Wir haben [bei Netflix] die Fähigkeiten, mehr Künstler zu unterstützen als die anderen." Das bedeutet auch, den Effizienz-Druck an die Künstler weiterzugeben.

Es gibt keine Zeit zu verlieren. Serien müssen geliefert werden und abliefern. Cindy Holland verkörpert diesen strengen Netflix-Ethos, der eine Mischung aus Innovation, surrender Zielstrebigkeit und maschineller Gleichförmigkeit vorgibt. "She just gets it done", schreiben die Duffer-Brüder in ihrem Text für das Time Magazine: Sie bringt die Sachen einfach zu Ende. Holland liebe natürlich die Arbeit mit Künstlern, denen sie viel Freiraum gewähre, sagen die Duffer-Brüder. "Aber sie leitet auch an - höflich, selbstbewusst und klug. Wir wären alle verloren ohne sie."

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