Neue Thriller-Serie trumpft mit Robert Downey Jr. in gleich 4 Rollen auf – aber er ist nicht das Beste an The Sympathizer

15.04.2024 - 13:00 UhrVor 14 Tagen aktualisiert
The Sympathizer
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Robert Downey Jr. schlüpft in The Sympathizer in gleich mehrere Rollen. Die Politthriller-Serie von Park Chan-wook erzählt die Geschichte des Vietnamkriegs dabei von einer noch selten gesehenen Seite. Ob sich das lohnt, erfahrt ihr hier.

Zum Vietnamkrieg haben sicherlich die meisten spezifische Bilder im Kopf. Ob es dokumentarische Aufnahmen aus Berichterstattungen sind oder Hollywood-Verfilmungen wie Apocalypse Now, Platoon und Full Metal Jacket, haben all diese Bilder jedoch eine Sache gemeinsam: Sie sind aus Sicht der USA erzählt. Autor Viet Thah Nguyen hat diesen Spieß mit seinem Roman The Sympathizer im Jahr 2015 umgedreht und den Vietnamkrieg aus Sicht eines Vietcong-Spions in Südvietnam beschrieben, der ins amerikanische Exil flüchtet. Kurzum wurde er dafür mit dem Pulitzer-Preis für Fiktion geehrt.

Oldboy-Regisseur Park Chan-wook adaptiert die Geschichte gemeinsam mit Don McKellar nun als Serie für A24 und HBO – und entspinnt in The Sympathizer eine komplexe Story mit großartigen Performances und einer außergewöhnlichen Inszenierung, die ebenso reif für die große Kinoleinwand wäre. Besonders interessant: Marvel-Ikone Robert Downey Jr. schlüpft in der Serie gleich in mehrere wandlungsreiche Rollen. Der Star der Geschichte ist aber ein anderer.

Verräter, Spion, Held, Geflüchteter: Das ist The Sympathizer

Der Captain (Hoa Xuande) fühlt sich bereits sein ganzes Leben lang in zwei Hälften gerissen. Als unehelicher Sohn eines Franzosen und einer Vietnamesin wurde er in seiner südvietnamesischen Heimat stets als Außenseiter betrachtet. Auch der Vietnamkrieg reißt ihn auseinander, denn hier infiltriert er das Umfeld eines Generals in Südvietnam als Spion der Vietcong – und macht gleichzeitig gemeinsame Sache mit der CIA.

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Als Gefangener in einem kommunistischen Umerziehungslager erzählt er in Rückblenden seine unglaubliche Geschichte, die ihn von Südvietnam ins Exil nach Kalifornien führt, wo er sogar an einem Hollywood-Filmset über den Krieg landet – und ihn schließlich wieder nach Vietnam zurückbringt. Auf seinem Weg stellt er mehr als einmal seine Identität in Frage und trifft noch dazu auf verschiedene Versionen von Robert Downey Jr.. Denn in The Sympathizer ist nichts so, wie es scheint.

Oldboy-Ass Park Chan-wook verfilmt das Unverfilmbare

Lange galt Viet Thah Nguyens Roman als unverfilmbar. Zu komplex wurde die Geschichte des namenlosen Protagonisten gesehen, welche in ihren Zeitebenen so sehr springt wie zwischen ihren Genres. Mit Park Chan-wook, der sich zuletzt bereits mit Die Libelle in den Serien-Kosmos wagte, hat die Serie jedoch einen mehr als fähigen Schöpfer und Regisseur für dieses schwierige Unterfangen gefunden. Ihm gelingt es meisterhaft, die verschiedenen Stimmungen und Ebenen zu verbinden und daraus einen spannenden Serien-Hybrid irgendwo zwischen Thriller, Satire, Drama und Komödie zu entspinnen, der seinem Protagonisten nacheifert.

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So beginnt die Serie in den letzten Tagen des Vietnamkriegs kurz vor dem Fall der südlichen Hauptstadt Saigon. Hier lernen wir die Lebensrealität des Captains kennen, der als Spion in stetiger Angst davor lebt, entdeckt zu werden. Das Verhör einer weiteren Spionin, das passenderweise auf einer Theaterbühne stattfindet, spiegelt ihm sein eigenes Schicksal, das sich durch die sieben Episoden von The Sympathizer weiter durchziehen wird. Der Captain eröffnet uns dabei als Erzählstimme seine komplexe Geschichte, die streckenweise so surreal wie unzuverlässig daherkommt.

Großartig: Hoa Xuande in The Sympathizer

Schnelle Schnitte katapultieren uns plötzlich in gänzlich andere Zeitebenen, springen Monate nach vorne und wieder Wochen zurück. Hier fordert Park Chan-wook unsere ungeteilte Aufmerksamkeit, denn bei diesem Tempo mitzukommen, ist nicht immer ganz einfach. In kalkulierten Fahrten folgt die Kamera unserem Protagonisten, rast an sein Gesicht heran, zeigt uns das Geschehen von oben, unten oder umkreisend.

Die Inszenierung unterstreicht das Chaos, das stetig auch im Innern des Captains herrscht, ihn umzingelt, auseinanderreißt oder aus der Ferne beobachtet. Und diese Kunstgriffe sehen nicht nur verdammt gut aus – vor allem in den ersten drei Episoden, die klar Chan-wooks Handschrift tragen (in den weiteren Folgen wurde er von Fernando Meirelles und Marc Munden auf dem Regiestuhl abgelöst) – sondern führen uns auch emotional durch die Geschichte, die stets dicht die Perspektive des Captains einnimmt und die vorherrschende Narration des Vietnamkriegs herausfordert.

Robert Downey Jr. ist so genial wie wahnwitzig – und fällt doch hinter Hoa Xuande zurück

Dabei gelingt es Hoa Xuande diese zerrissene Figur bemerkenswert darzustellen und so sehr zwischen den Fronten zu wechseln, wie seine Figur es selbst tut. Kontrastiert wird er mit einem geerdeteren Umfeld aus seinen besten Freunden Man (Duy Khoa Nguyen) und Bon (Fred Nguyen Khan) und dem südvietnamesischen General (Toan Le), die jeweils verschiedene Seiten und Interessen vertreten. Mit Sofia Mori und Lana steht er auch zwischen zwei Geliebten, die anders als er wissen, was sie vom Leben wollen – und nicht weniger großartig von Sandra Oh und Vy Le gespielt werden.

Regisseur Nikos ist nur eine von Robert Downey Jrs. Rollen in The Sympathizer

Robert Downey Jr. hier in gleich mehreren Rollen zu besetzen, ist dabei so genial wie wahnwitzig. Der Marvel-Star trägt verschiedene Kostüme und Haarprachten, wechselt in Akzenten und Sprechweisen zwischen CIA-Agent, Professor, Politiker und Regisseur. Auch wenn manche seiner Rollen hier besser funktionieren als andere, sind sie doch Teile eines großen Ganzen. Denn für den Captain sind diese vier Männer so eindimensional wie austauschbar, indem sie in seinem Leben die gleiche antagonistische Kraft einnehmen und ihn nach Strich und Faden auszubeuten versuchen.

Die Episode am Filmset eines Apocalypse Now-ähnlichen Hollywood-Blockbusters ist dabei das klare Highlight – auch von Downey Jr., der hier einen "Auteur" und Regisseur mimt, der im Namen der Kunst über Leichen geht. So sehr sich der frischgebackene Oscarpreisträger aber auch ins Zeug legt, verliert der Witz nach einigen Episoden die Tragkraft und seine Präsenz beginnt sogar im späteren Verlauf der Serie den Erzählfluss fast schon zu stören. Denn The Sympathizer ist am besten, wenn die Serie dicht bei ihrer Hauptfigur bleibt.

Wann und wo läuft The Sympathizer?

The Sympathizer startet mit der ersten Folge am 15. April 2024 auf Sky bzw. WOW im Streaming-Abo. Immer montags wird eine neue Episode im Wochentakt veröffentlicht. Die Episoden stehen zunächst in der Originalversion mit wahlweise englischen oder deutschen Untertiteln zur Verfügung. Die deutsche Synchronfassung startet erst zu einem späteren Zeitpunkt bei dem Streamer.

Die Miniserie The Sympathizer umfasst sieben Episoden. Grundlage für diesen Seriencheck war die komplette Serie.

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