Neuer Anstrich im Test zu Splatoon

10.06.2015 - 09:15 Uhr
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Wenn es ein Genre gibt, von dem ich dachte, dass Nintendo dort keinen Blumentopf gewinnen könnte, dann wäre es der Multiplayer-Shooter. Aber natürlich irre ich mich, denn ich bin einfältig und Splatoon ist großartig.

In den letzten Jahren hat die nostalgisch verklärte Narrenfreiheit von Nintendo einige Dämpfer hinnehmen müssen. Der japanische Traditionsentwickler hat sich mit der Wii U nahezu isoliert und die anfängliche Aufbruchsstimmung in der Zusammenarbeit mit westlichen Publishern hat sich mittlerweile ebenfalls erledigt. So erfolgreich die Neuauflagen klassischer Franchises wie Mario Kart , Super Smash Bros.  auch sein mögen, der öffentliche Druck nach "wahrer Innovation" (vor allem aus westlichen Märkten) wird immer stärker.

Dasselbe in Grün. Und Blau. Und Lila. Und Orange.

Und jetzt kommt Splatoon . Kein Donkey Kong, Kirby, Link oder Luigi, sondern eine vollkommen neue IP, mit der Nintendo zum ersten Mal seit 14 Jahren einen wirklichen neuen Weg gehen möchte. Damit aber noch nicht genug, wagt sich Nintendo doch sogar an einen Multiplayer-Titel mit Online-Fokus, inklusive westlicher Shooter-Mechaniken. Was möchte Nintendo damit erreichen? Ist Splatoon die Anbiederung an gegenwärtige Erwartungshaltungen, die von Sony und Microsoft forciert werden oder ist der farbenfrohe Titel eine selbstbewusste Eigeninterpretation eben dieser?


Wenn ich diese Zwei Fronten-Frage schon derart einführe, ist die Antwort klar: Weder noch. Splatoon orientiert sich deutlich an den bekannten Strukturen etablierter Multiplayer-Shooter und übernimmt dabei sowohl Stärken als auch Schwächen. Glücklicherweise schafft sich Nintendo aber auch den Raum, um die klassischen Designansätze, für die der Entwickler bekannt ist, auch hier nicht vergessen zu müssen. Die selbstlose Annahme fremder Genre-Gepflogenheiten tut Nintendo überraschend gut und macht Splatoon zu einer wunderbar spielbaren Alternative, die hauptsächlich in Detailfragen Verbesserungen benötigt.

Frisch gestrichen. Betreten verboten!

Die größte Besonderheit von Splatoon zeigt sich im Kerngameplay, also dem kompetetiven Einfärben der Multiplayer-Karten. Nintendos Neuling konzentriert sich auf die Interaktion von Spieler und Umgebung, statt auf die von Spieler und Spieler. In Splatoon sind meine Auseinandersetzungen mit meinen menschlichen Feinden eher beiläufig und geschehen nebenher. Wo das simple Ausschalten der Feinde bei der Konkurrenz die Grundmotivation darstellt und die Nutzbarmachung der Spielumgebung ein Mittel zum Zweck ist, dreht Splatoon diesen Aspekt ganz einfach um. Mein Feind ist die Tinte der Anderen und nicht die Anderen selbst.

Hier gekleckert, nicht geklotzt

Indem ich den Boden einfärbe und darin abtauchen kann, Wände hinaufschwimme und kreativ mit bunten Flüssigkeiten hantiere, bekomme ich schnell das Gefühl, dass sich Nintendo hier wie zu Hause fühlt. Die Bewegung durch die Multiplayer-Karten ist spielerischer als bei der Konkurrenz, wo eher Schnelligkeit und Präzision gefragt sind. Mit Platformer-Mechaniken, die Nintendo seit Jahren mit ihren Super Mario-Ablegern perfektioniert hat, bedient Splatoon in seinen Matches eine erfreulich frische Ausrichtung.

Welches Potential aber eigentlich in diesen Mechaniken schlummert, zeigt sich in Splatoons lobenswerten Einzelspielermodus. Wo Battlefield und Co. dieses Aspekt stiefmütterlicher kaum behandeln könnten, ist die Singeplayer-Erfahrung bei Splatoon vollkommen legitimiert. Der Umgang mit den Farbpistolen bietet genügend Anwendungen, mit denen die Entwickler abwechslungsreiche Mini-Level basteln konnten. Ich fülle kleine Schwämme auf, bastele mir Plattformen, färbe Wände zu vertikalen Rutschen ein und bediene wassermühlenartig Propeller. Hier wird der Einfluss von Nintendos berühmten Klempner und der eigenen Jump 'n' Run-Historie besonders deutlich. Auch ganz ohne menschliche Gegner bleibt das Gameplay von Splatoon weiterhin ergiebig, dies kann die westliche Konkurrenz kaum von sich behaupten.

Jetzt wird es mir aber zu bunt.

Nintendo stürzt sich zwar in unbekannte Gewässer, weiß aber sehr wohl mit der neuen Umgebung umzugehen und die eigenen Stärken nicht untergehen zu lassen. Splatoon schwingt sich somit zu einem perfekten Einsteigertitel auf, der mit tradierten Spielmechaniken zum neuen Genre hinführt und dank des simplen Spielprinzips sofort Einsicht darüber gibt, wie gut die eigenen Runden eigentlich gespielt wurden. Der wirre Spielverlauf bleibt durch die einfache Farbgebung nämlich stets visuell erfassbar.

Der Mode fallen wir öfter zum Opfe

Wirklich rund ist Splatoon am Ende dann aber doch nicht. Bisher fehlt es vor allem am Umfang, denn so spannend das Gear-System auch ist, etwas mehr Vielfalt bei der Kleiderwahl wäre wünschenswert. Auch die wenigen Multiplayerkarten sind momentan minimalistischer als sie es sein müssten. Ich hoffe sehr, dass sich Nintendo traut, mehr Ideen aus dem Singeplayer in die Multiplayerkämpfe zu übernehmen. Was das Design angeht, ist Nintendo aber überraschend stilsicher und schießt sich auf eine Ästhetik ein, die zu gleichen Teilen aus Street Art und 90er Jahre Cartoon zu bestehen scheint. Leider bilden die Spielfiguren eine Ausnahme davon, diese wirken austauschbar und generisch und besitzen dieselbe Persönlichkeit wie Mii-Figuren fremder Personen.

Fazit

Es hätte viel schief gehen können mit Splatoon, doch letztlich hat sich hier einer der besten Multiplayer-Shooter der letzten Jahre aufgetan. Auch wenn eigentlich nichts an dem Spiel wirklich neu ist, schafft es der neue Designansatz, das Genre auf eine vollkommen neue Art und Weise zu interpretieren. Auch wenn Splatoon vielleicht nicht Ausmaße anderer Nintendo-Franchises annehmen wird, hat Nintendo den Beweis erbracht, dass ihre Innovationskraft noch lange nicht erschöpft ist.

Splatoon wurde uns in Form eines Retail-Exemplars zur Verfügung gestellt.

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