Nintendos App Miitomo ist kein Facebook-Klon – aber was dann?

17.03.2016 - 17:30 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Miitomo
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Nintendo will in Zukunft auch Apps herausbringen. Das erste große Projekt ist Miitomo. Aber was ist das eigentlich genau? Und was bietet es euch mehr, dass ihr diese App dringend auf eurem Smartphone haben solltet?

Miitomo ist seltsam heimelig. Die App lässt uns zu allererst einen Mii importieren oder selbst erstellen. Das ist natürlich witzig, vor allem, wenn ihr ein Foto von euch macht und die App daraus einen Mii erstellt - inklusive blöder Grimassen, die ihr schneidet. Den eigenen Mii seht ihr dann in einem Raum herumstehen. Und das ist nun im Grunde der Kern des Spiels. Ihr könnt den Mii nicht durch Umgebungen steuern oder mit ihm kämpfen wie in Nintendos Mii-Spielen auf dem DS. Stattdessen bleibt ihr zu Hause und redet. Sehr viel sogar.

Miitomo ist nicht wie Facebook, Twitter oder Jodel, wo ihr einfach Nachrichten in die Welt setzt. Das liegt an zwei Punkten. Der eine ist, dass ihr nicht einfach etwas schreiben könnt. Stattdessen stellt euch euer Mii Fragen, auf die ihr in 190 Zeichen eine Antwort formuliert. Prägnante Aussagen sind also nötig, lange Geschichten haben keine Chance. Diese Frage und eure Antwort wird dann veröffentlicht, das heißt alle eure Freunde können sie sehen, sie liken oder kommentieren.

Der Charaktereditor von Miitomo

Und damit sind wir bei Punkt zwei: den Freunden. Wo ihr in den meisten Nachrichten-Apps potenziell der ganzen Welt eure Meinungen entgegen werfen könnt, ist Miitomo auf einen Freundeskreis ausgelegt. Eure Antworten sieht nur, wer mit euch befreundet ist und anfreuden könnt ihr euch über Facebook, Twitter oder wenn ihr nebeneinander steht. Außerdem gibt es ein Limit bei der Anzahl eurer Freunde. Wer also auf Like-Jagd bei irgendwelchen Unbekannten gehen will, wird mit Miitomo keine Freude haben. Immerhin könnt ihr einzelne Frage/Antwort-Paare auch auf Facebook und Twitter teilen.

Fragen von der Lieblingsfarbe bis zu Beziehungswünschen

Es ist aber vermutlich auch sinnvoll, dass nicht jeder alles lesen kann. Einige Fragen sind durchaus persönlich und eine ehrliche Antwort darauf, wie ihr Liebe definiert, was ihr von Fernbeziehungen haltet oder was euch wirklich Angst macht, will dann vielleicht doch nicht jeder auch mit der Cousine der Schwester des Mitbewohners teilen. Wenn euch etwas brennend interessiert, könnt ihr anderen Miis eine Frage auch "unter uns" stellen. Frage und Antwort bleiben dann zwischen den zwei Personen und werden nicht veröffentlicht. Dann weiß immerhin nicht jeder, auf wen ihr früher mal gestanden habt.

Was ein bisschen eigen ist, ist die Präsentation der Fragen: Der Mii liest sie uns vor, genau wie die Antwort. Nutzt ihr nur die eingestellte Sprache, klappt das auch gut. Im Test erzählte mir jemand, er habe zuletzt Twilight Princess HD gekauft. Da war die Texterkennung leider überfragt und sprach das so deutsch aus, wie es nur ging.

Außerdem reagieren die Mii auf das Geschriebene. Werden bestimmte Worte in eurer Antwort erkannt, schaut der Mii beispielsweise passend. Schreibt ihr also "traurig", schaut der Mii traurig drein. Die Sprachausgabe dürfte natürlich in der Öffentlichkeit eher seltener zum Einsatz kommen. Und wie all die Animationen sich auf den Akku auswirken, ist auch so eine Frage. Mein iPod in der Probesession war nach kaum zwei Stunden am Ende, auch bei den anderen Testern war es ähnlich.

Wenn eure Freunde etwas beantworten, bekommt ihr das direkt gesagt.

Das Frage- und Antwortspiel ist der Kern der App, aber nicht alles, was ihr tun könnt. Ihr bekommt vor allem für Kommentare und Antworten virtuelles Geld, das ihr in Outfits und Accessoires investieren könnt. Dazu gibt es Spiele, die ähnlich wie eine Mischung aus Pachinko und Flipper funktionieren. Die virtuelle Währung wie auch Spielscheine könnt ihr auch mit echtem Geld kaufen. Ansonsten könnt ihr Fotos machen und die Miis verzieren, was nett ist. So wie alles in der App sicherlich nett ist. Aber auch nicht mehr.

Beim Anspielen hatte ich 10 Freunde. Die Interaktionen waren sicher süß, aber nicht bahnbrechend. So wie eben jeder auf Trivia reagiert. "Sherlock ist meine Lieblingsserie." - "Cool, mag ich auch!". Das war es dann, viel mehr Dialog ist auch einfach gar nicht möglich, weil Kommentare so kurz sein müssen. Wenn ihr etwas also weiter ausführen wollt, müsst ihr auf eine andere App ausweichen.

Natürlich dürfte das spannender werden, wenn ihr den eigenen Freundeskreis im Spiel habt, anstatt etwas steife Konversationen mit sehr netten, aber praktisch Fremden zu führen. Oder besser: Falls ihr den eigenen Freundeskreis im Spiel habt. Denn die App ist eben ein Nintendo-Produkt. Das dürfte bei allen, die mit Videospielen nichts am Hut haben, eine gewisse Hürde sein. Ihr braucht zwar nicht zwangsläufig eine Nintendo-ID für die App, aber trotzdem müsst ihr Nicht-Spielern Miitomo wohl erst erklären. Dass jemand die App einfach so herunterlädt, ist ansonsten eher unwahrscheinlich.

Miitomo fehlt das Besondere

Und das liegt an einer einfachen Frage: Warum sollte jemand die App wollen? Wer hat etwas von Miitomo und warum sollte sie neben den aktuellen Wegen der Kommunikation bestehen können? Wenn Twitter uns kurze Weisheiten in die Welt schicken lässt und Facebook ganze Artikel, Bilder und Videos, während Jodel Nachrichten wieder anonym werden lässt, was ist der Vorteil an Miitomo?

Gespräche unter den Antworten sehen sehr wie ein Chat aus.

Es gibt die Nutzer, denen Social Media zu weit geht. Die froh sind, wenn sie sich mit Freunden austauschen können und kein Interesse daran haben, Facebook so anzupassen, dass nur noch enge Freunde den News-Feed füllen. Viele sagen selbst, dass sie auf Facebook nur mitlesen, anstatt selbst aktiv etwas beizutragen. Mit seinen Fragen und der geschlossenen Freundesgruppe stellt Miitomo hier eine Alternative dar. Aber wieso ist das besser als eine beliebige Chat-App?

Es ist schwer vorherzusagen, was aus Miitomo wird. Klar, die App macht für sich genommen Spaß. Die Frage ist mehr, ob sie auch noch Spaß macht, wenn sie mit den üblichen Verdächtigen auf dem Handy konkurrieren muss. Es ist offensichtlich, dass sie nicht versucht, Facebook oder Twitter nachzuahmen. Aber eine eigene Identität über "von Nintendo" hinaus hat sie in meinen Augen auch nicht. Dafür fehlt mir ganz konkret das eine auszeichnende Feature, das noch nie da war und die App wirklich innovativ macht. Denn, Konami möge mir zuhören, Pachinko-Spielchen  sind es nicht.

Miitomo erscheint noch im März in Europa für iOS und Android. Auf der Website zur App  könnt ihr euch vorab registrieren und bekommt Bescheid, sobald Miitomo erscheint.

Was ist euer erster Eindruck von Miitomo?

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